Das neue iPhone 5 ist eher ein Mini-Computer als ein Gerät zum Telefonieren. Kaum vorstellbar, dass Telefonate bis Anfang der 1970er Jahre teilweise noch vom "Fräulein vom Amt" vermittelt wurden.
Mit leuchtenden Augen baut Wolfgang Haupt seine Schätze vor sich auf: altertümlich anmutende Mikrofone, zwei Hörer mit zerschlissenen Kabeln, ein Holzkasten mit Gabel, Kurbel und Hörer. Das beige Tastentelefon aus den 1960er Jahren ist noch einer der unscheinbareren Apparate in seiner Sammlung. "Es ist unglaublich spannend, wie sich das alles entwickelt hat - und wie schnell es sich immer weiterentwickelt", findet der 70-Jährige. Wolfgang Haupt ist gelernter Radio- und Fernsehtechniker und sein - inzwischen geschlossenes - Fachgeschäft "Radio Debus" hat unter ihm, seinem Vater und seinem Großvater die komplette Telefon-Geschichte miterlebt.
Zum Akku-Aufladen ins Geschäft
Otto Debus, Haupts Großvater, machte sich in den 1920er Jahren mit einem Elektrogeschäft in Kitzingen selbstständig. Damals war bei dem Unternehmer von Radio, Fernsehen oder Telefonie jedoch noch nicht die Rede. "Er kümmerte sich erst einmal um die Elektrifizierung - gerade auf den Dörfern war der Strom im Haushalt noch nicht wirklich angekommen." In ganz Franken war Debus unterwegs, um erste Glühbirnen und Steckdosen zu installieren. "Als die ersten Radios kamen, wurden diese mit Akkus betrieben. Da viele Leute aber keinen Strom zuhause hatten, kamen sie zu meinem Großvater, um ihre Akkus aufzuladen", weiß Haupt aus Erzählungen.
Die Post hatte das Monopol
Das Telefon - oder der Fernsprecher, wie es damals noch hieß - lernte sein Großvater nur als Nutzer kennen. Zunächst gab es öffentliche Apparate, da es viel zu teuer gewesen wäre, sich einen für den Hausgebrauch anzuschaffen. "Die Deutsche Post hatte außerdem das Telefonmonopol inne. Deshalb war es nicht möglich, Apparate oder gar Verträge zu verkaufen." Der Elektrobetrieb von Otto Debus gehörte um 1920 mit dem Kurbeltelefon aus Holz schließlich zu den ersten Netznutzern in Kitzingen. "Ganz am Anfang, vor diesem Apparat, telefonierte man mit getrennten Hörern und Mikrofonen. Solche Komplettgeräte, die man von der Post mietete, waren schon fortschrittlich", erklärt Wolfgang Haupt. Mit der Kurbel stellte man die Verbindung zum "Fräulein im Amt her", die das Gespräch dann mit Steckverbindungen per Hand weitervermittelte.
Nicht lange danach - ab etwa 1935 - erweiterten sich die Kommunikationsmöglichkeiten auf Fernschreiber, die Vorläufer des Faxgerätes. "Sie wurden im Krieg zur Informationsübermittlung genutzt. Später setzen sie Unternehmen und auch die Bundeswehr ein."
Die normale Bevölkerung betraf das kaum - für sie wurde erst wieder eine Weiterentwicklung in der Telefonie interessant: In den 1950er Jahren kamen Telefone mit Wählscheibe auf. "Die erste automatische Selbstwähleinrichtung gab es in Deutschland zwar bereits 1910. Aber das waren wenige Ausnahmen." Insgesamt hat es bis ins Jahr 1972 gedauert, bis das "Fräulein vom Amt" komplett überflüssig war und alle Telefone selbst wählen konnten.
Gleichzeitig mit dem Tastentelefon kamen dann in den 60er Jahren Anrufbeantworter mit Band oder Kassette auf - und die ersten farbigen Geräte. "Die Post war nicht gerade kreativ. Nach den Holzkästen gab es lange nur schwarze Apparate." Kaum zu glauben, wenn man die grünen, roten und orangenen Telefone aus den 70er Jahren kennt! 1970 übernahm Wolfgang Haupt den Betrieb von seinem Vater, der ihn gemeinsam mit seinen Brüdern zu einem Radio- und Fernsehgeschäft ausgebaut hatte. "Wir boten sowohl die Installation, als auch die Endgeräte an." Als 1970 das Telefonmonopol fiel, nahm Haupt Telefonapparate ins Sortiment auf. Er kann sich noch gut daran erinnern, als die Telefonnutzer damals ihre Apparate der Post massenweise zurückbrachten, um sich ein eigenes Gerät zuzulegen. "Die hatten Lager voller Telefone - auch in Kitzingen." In Radio- und Fernsehgeschäften wie dem seinen habe es zu dieser Zeit bereits erschwingliche Apparate für 30 bis 40 Mark gegeben.
Immer wieder neue Technik
"Unsere Branche war hier vielleicht einfach weniger zögerlich, als Elektriker, die sich weiterhin auf die Installation konzentrierten. Wir waren es gewohnt, uns immer wieder mit neuen Technologien zu beschäftigen." So auch 1985, als der Siegeszug der Schnurlostelefone begann, die heute als Haustelefone immer noch Standard sind. Bald liefen auch die Anrufbeantworter elektronisch und die ersten Faxgeräte erschienen. Eine große Neuerung war für Haupt dann die Einführung der ISDN-Technik, die das Medium Telefon viel flexibler machte. "Damit war vieles möglich: Mehrfachnummern, Anruferkennung, mehrere Gespräche über nur eine Leitung." Außerdem fiel zu dieser Zeit das letzte Monopol: Die Telekom war nicht mehr der einzige Telefonanbieter, es kam Wettbewerb in die Branche und Telefonieren wurde billiger.
Auch Mobiltelefone kamen in den 1990ern in Kitzingen auf den Markt. "Das ist die Erfolgsgeschichte schlechthin! Es hat nur wenige Jahre gedauert, bis sich wirklich jeder so ein Ding leisten konnte", ist der 70-Jährige begeistert. Diese ständige Weiterentwicklung ist das, was Haupt bis heute an seinem Beruf fasziniert. "Diese ganzen Veränderungen - auch in der Fernseh- und Radiogeschichte - haben es in 40 Jahren nie langweilig werden lassen." Wobei genau das dem Unternehmer das Leben machmal auch schwer machte. "Man muss immer aufpassen, aktuell zu bleiben. Das ist gerade bei der schnelllebigen Welt der Handys und Computer sehr schwierig."
Mit letzteren hat er im übrigen schneller wieder aufgehört, als angefangen: 1985 bot Haupt für 900 Mark den ersten Computer an, den Siemens für die breite Masse gebaut hatte. "Er konnte sogar schon ins Internet - nur interessierte sich niemand dafür." Über Umwege und per Ratenzahlung konnte er ihn schließlich nach Griechenland verkaufen. "Das war der erste und letzte Computer, den ich verkauft habe. Diese Branche ist so schnelllebig, dass man als kleiner Betrieb kaum Chancen hat, da mitzukommen."
Wolfgang Haupt ging mit Radio Debus zwar vor anderthalb Jahren in Ruhestand, interessiert sich aber immer noch für alles Neue - und Alte - der Branche. Dass mit der Internettelefonie nun der alte Traum des Bildtelefons in Erfüllung ging, begeistert den Senior ebenso, wie der erste Bell-Apparat aus dem 19. Jahrhundert. "Seit den 1960er Jahren wurden auf jeder Funkausstellung Sichttelefone vorgestellt - die Technik war da." Sie sei aber viel zu teuer und nicht massentauglich gewesen.
Ein neues Luxusgut
Die neueste Entwicklung auf dem Mobilfunkmarkt - die Smartphones - sieht Wolfgang Haupt wieder als Luxusgüter an, wie die ersten Telefone. "Die schafft man sich an, wie ein tolles Auto oder eine teure Uhr." Mal sehen, wie lange es dauert, bis auch das iPhone 5 von der Entwicklung eingeholt wird...