Überholmanöver mit Stoßgebet

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Symbolfoto: Justitia, Sinnbild für Gerechtigkeit
Katja Lenz

Dass er ein versierter Fahrer ist, steht für den 90-Jährigen außer Frage. Trotzdem startete er Anfang des Jahres ein fragwürdiges Überholmanöver und landete vor Gericht.

Dass er ein versierter Fahrer ist, steht für den 90-Jährigen außer Frage. Erst vor drei Jahren unterzog er sich freiwillig einer Tauglichkeitsprüfung – und bestand nach eigenen Angaben mit Bravour. „Ich habe Fahrpraxis bis zum geht nicht mehr“, betont er und verweist auf 30 000 gefahrene Kilometer pro Jahr und darauf, dass er neben Erfahrung den Führerschein seit 70 Jahren hat.

Dass der Rentner gerade auf seinen Führerschein verzichten muss, wurmt ihn sehr. Sein führerscheinloses Dasein hängt mit einem Vorfall zusammen, der sich Ende Februar dieses Jahres auf der Staatsstraße zwischen Volkach uns Gaibach zutrug.

Es war kurz vor 18 Uhr, als der 90-Jährige langsam die Faxen dicke hatte. Einige Zeit schon musste er einem Laster samt Anhänger „hinterherzuckeln“. Kurz vor der Anhöhe bei Gaibach riss endlich der Gegenverkehr ab. Der 90-Jährige sah seine Chance gekommen und setzte zum Überholen an.

Es war die falsche Entscheidung. Schon näherte sich wieder ein Fahrzeug, die Fahrzeuge befanden sich auf Kollisionskurs. Im letzten Moment schaffte es der Überholer doch noch, unbeschadet an dem Laster vorbeizukommen und im letzten Moment wieder einzuscheren. Nicht nur Steine, sondern „ein Felsbrocken“ sei ihm vom Herzen gefallen, erinnert sich der Mann.

Im Straßengraben gelandet

Nicht ganz so glimpflich ging es für den Entgegenkommer ab – eine Familie mit zwei Kindern. Auch dort gab es sicher Stoßgebete, weil es knapp wird: Der Familienvater muss, um den Zusammenstoß zu vermeiden, nach rechts in den Straßengraben ausweichen. Dabei entstand ein Schaden von 1570 Euro. Davon will der Rentner indes nichts wissen: Er bestreitet schlichtweg, dass seinerzeit wegen ihm jemand von der Straße abgekommen sei.

Der Vorfall zog einen Strafbefehl nach sich: Sechs Monate Führerschein weg, dazu saftige 4900 Euro Geldstrafe (70 Tagessätze zu je 80 Euro). Was zur Folge hatte, dass dem Mann Ende Mai der Führerschein entzogen wurde. Das wurmte den 90-Jährigen, über seine Anwältin legte er Einspruch ein und der Fall landete vor dem Kitzinger Strafrichter Bernhard Böhm.

Der wartete mit dem dringenden Rat auf, den Einspruch zurückzunehmen. Schon deshalb, weil die sechs Monate fast abgelaufen sind – Ende November könnte der Rentner also wieder ans Steuer. Würde dagegen jetzt groß verhandelt und womöglich ein Gutachter eingeschaltet, um zu klären, welche Schuld der 90-Jährige trägt, könnten Monate ins Land gehen. Wobei der Führerschein so lange einbehalten bliebe.

Das kleine Rechenbeispiel überzeugte: Die Verteidigerin überzeugte ihren Mandanten, den Strafbefehl doch lieber zu akzeptieren. Ob der Mann jedoch so einfach wieder ans Steuer darf, hängt noch von der Führerscheinstelle ab: Es könnte nach dem zu gewagten Überholmanöver gut sein, dass erneut eine Tauglichkeitsprüfung auf den betagten Gernefahrer wartet.