Schornsteinfeger wie Markus Streit sorgen dafür, dass Kamine nicht zu Brandherden werden, auch am heutigen Montag, dem Tag des Schornsteinfegers. Dabei sehen und hören sie viel Privates - müssen aber über alles Stillschweigen bewahren.
Wenn der Schornsteinfeger klingelt, wird er in der Regel gerne eingelassen und bekommt ungehinderten Zugang zu Wohnräumen, Kellern und Dachböden. "Da kommt man manchmal schon in unangenehme Situationen", berichtet Markus Streit halb schmunzelnd, halb peinlich berührt. Der Kaminkehrermeister aus Biebelried ist seit 33 Jahren im Geschäft und hat schon viel erlebt. Seit die so genannte Feuerstättenschau Pflicht ist, muss er in den Häusern seines Bezirks regelmäßig alle Räume inspizieren, durch die ein Kamin führt. "Und wenn das ausgerechnet das Schlafzimmer ist, in dem ein Aktfoto der Dame hängt, die neben einem steht, weiß man manchmal nicht, wie man reagieren soll."
Streit sieht und hört viel - aber sein Mund bleibt hinterher immer verschlossen. "Verschwiegenheit ist für uns oberstes Gebot. Wir dürfen ja etwas, was sogar die Polizei nur mit Durchsuchungsbefehl darf." Schornsteinfeger sind als einziger Berufsstand vom Artikel 13 des Grundgesetztes befreit, der die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert. Was sie in Privatwohnungen erleben, wird daher nicht nach außen getragen - das steht sogar in ihrer Stellenbeschreibung, die sie mit ihrem Vertrag unterzeichnen müssen. "Sonst würden wir das große Vertrauen, das uns die Menschen entgegenbringen, missbrauchen und zu Recht verlieren", betont Streit.
Das gilt für schmutzige Böden, Ehekrach oder Überresten von wilden Partys ebenso wie für eine Hanfplantage im Wohnzimmer oder eine Messiwohnung. All das ist Privatsache, solange die Brand- und Feuersicherheit nicht beeinträchtigt wird. "Wir sind keine Spitzel - weder für die Polizei, noch für Vermieter, Behörden oder die GEZ", betont Streit.
Handeln müssen Schornsteinfeger nur, wenn im Rahmen ihrer Aufgaben Gefahr in Verzug ist. "Dann können sie die Heizung stilllegen und müssen darüber sofort das Landratsamt informieren", erklärt Reinhold Noe, Bezirksobermeister der unterfränkischen Schornsteinfegerinnung. Alles andere, was in den Wohnungen geschieht, ist für sie tabu. Heikel wird es, wenn ein Schornsteinfeger ein schwerwiegendes Verbrechen vermutet, wie die Misshandlung eines Kindes, oder bemerkt, dass ein alter Mensch nicht mehr alleine zurecht kommt. "Selbst das fällt in unserem Berufsstand eigentlich unter den Datenschutz - was mache ich denn, wenn ich eine Misshandlung anzeige, die dann abgestritten wird?", fragt Noe.
Heikle Zwickmühle In solchen Fällen kollidieren persönliche Moral und Berufsethos, da man als Kaminkehrer im Grunde gar nicht handeln dürfe. "Allerdings ist es möglich, anonym oder als Privatmann zu agieren, wenn man sehr sensibel und vorsichtig vorgeht." Man könne die verwirrte alte Dame zum Beispiel beiläufig nach Angehörigen fragen und gegebenenfalls auf diese zugehen. Oder vielleicht dem Bürgermeister melden, dass sie Hilfe braucht. "Das wäre aber schon der letzte Schritt." Auch bei Vernachlässigungen oder Misshandlungen sei im Notfall ein Hinweis an die Behörden möglich. "Es muss aber jeder für sich entscheiden, ob und wie er vorgehen möchte - denn eigentlich müssen wir taub und blind sein für das, was uns nichts angeht."
Mit so richtig heiklen Situationen war Streit noch nie konfrontiert, erzählt er erleichtert. Meist sind es schöne Begegnungen, die seinen Beruf um so erfüllender machen. Einen mühseligen Fall hatte er einmal, als ihn ein Messi nicht in die Wohnung lassen wollte. Hier musste er das Landratsamt einschalten und mit Bußgeld drohen, bis er endlich Zugang bekam.
Mehr Schwierigkeiten als solche Einzelfälle bereiten Kaminkehrern heute aber ganz andere Entwicklungen: "Es gibt immer mehr Singlehaushalte, Menschen mit Zweitjobs und längere Öffnungszeiten im Gewerbe. Versuchen Sie da mal einen vernünftigen Termin auszumachen." Früher sei tagsüber meist die Oma zu Hause gewesen, um den Schlotfeger einzulassen. "Heute wollen die Leute Termine um 6 oder um 20 Uhr. Aber auch als Selbstständiger will man nicht rund um die Uhr arbeiten." Irgendwann wolle auch ein Schornsteinfeger wirklich mal nichts mehr sehen und hören.