Von Würgern und Online-Bauern

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Julia Volkamer macht ihren Kindern gerne Geschenke – aus dem Wunsch „Haus mit Dachboden“ auf dem Zettel, der im Fenster hängt, wird sie aber nicht ganz schlau.
Foto: Thomas Volkamer
Nonogramm heißt das Rätsel, das Nina Grötsch sonst am Handy-Bildschirm und jetzt auf Papier löst. Darin gilt es, Kästchen entweder mit einer Farbe oder einem Kreuz zu füllen, bis daraus ein Bild ...
Foto: Nele Grötsch
Komische Kette? In der Tat. In dem Umschlag, der ihr am Hals baumelt, sammelt Diana Fuchs pro Fiesheit einen Euro.
Foto: FUCHS

Die eine würgt sich selbst, die andere füllt den Liebestank ihrer Familienmitglieder: Nichts ist unmöglich bei der Fastenaktion der Redaktion.

Kitzingen

Die Vorsätze hören sich harmlos an, doch bei der Umsetzung offenbaren sie bislang unentdeckte Seiten der Redaktionsmitglieder. Wer hätte denn gedacht, dass Kollegin Gr. eine leidenschaftliche Landwirtin ist? Fu. und Vo. gehen Ziele dagegen unterschiedlich an: Die eine mit Strafe, die andere mit Lohn. Wir sind gespannt, wer am Ende eher ans Ziel kommt.

Daniela Röllinger

(Bewegung): Ein Vollzeit-Job hat Folgen, das spüre ich bei der Fastenaktion gleich in doppelter Hinsicht. Pünktlich zu Beginn der Fastenzeit habe ich meine Arbeitszeit aufgestockt, was bewegungstechnisch zweierlei mit sich bringt: Unter der Woche wird es schwierig, genügend Schritte zusammen zu bekommen, wenn man so viel am Schreibtisch hockt. Dafür breche ich am Wochenende alle Rekorde beim Putzen, Einkaufen, Wäschewaschen, Betten abziehen und, und, und... Was alles so anfällt in einer Woche in einem vierköpfigen Haushalt wird in den Samstag gequetscht und sonntags muss ich dann mal raus, in die Natur. Also habe ich überlegt, dass ich an den Wochentagen geistig beweglicher werden könnte. Ich hab' mal wieder ein englisches Buch herausgeholt und französische Nachrichten geschaut. Von Erfolg gekrönt war das nicht unbedingt, ich bin fast jedes Mal beim Lesen und Schauen eingeschlafen. Das sind wahrscheinlich Spätfolgen der vielen Bewegung am Wochenende. Vielleicht sollte ich mein Gehirn lieber mit Rätseln in Schwung bringen? Kollegin Gr. hat uns da was vorgeschwärmt, was absolut supertoll sein soll. Muss gleich mal lesen, was sie so treibt und schreibt.

Nina Grötsch

(Handy-Bildschirmzeit-Fasten): Auch wenn ich mich ein bisschen dafür schäme, gebe ich jetzt doch zu, was ich an meinem Handy-Fasten am meisten vermisse: mein Farmspiel „Hay Day“. Irgendwie ist es natürlich schon bescheuert, auf einem virtuellen Bauernhof Weizen und Sojabohnen anzubauen, Kühe zu füttern und Derby-Aufgaben zu lösen – aber nach einem anstrengenden Tag gibt es für mich abends auf dem Sofa nichts Besseres, um abzuschalten. Ich spiele das Spiel erschreckenderweise seit knapp zehn Jahren (stelle mir aber immerhin nachts keinen Wecker mehr, um Felder zu ernten!). Noch süchtiger bin ich nur nach dem Rätselspiel „Nonogramm“, das zwar ganz gruselig aussieht, aber absolut fesselnd ist. Immerhin das habe ich jetzt in der Version eines guten alten Rätselheftes gefunden – und es macht tatsächlich genauso viel Spaß wie am Handy. Vielleicht sollte ich als nächstes mal beim Bauern vor Ort nachfragen, ob der nicht noch einen Erntehelfer braucht…

Diana Fuchs

(Fiesheit fasten): Bin ich geläutert? Auf jeden Fall bin ich bald arm. Als meine Freundin Bine mir davon erzählte, dass sie dereinst je 50 Pfennige (es war noch zu DM-Zeiten) für jeden Fastenverstoß in ein Beutelchen steckte, dachte ich: gute Idee, probiere ich aus. Ich befestigte also ein Bändelchen an einem herkömmlichen Briefumschlag und hängte mir das Ganze um den Hals. Immer, wenn die Fiesheit durchkommt, zahle ich seither einen Euro ein. Schon nach zwei Tagen riss der Umschlag aus – also er lief nicht weg, er ging kaputt. Die Masse der Münzen hatte so am Inhalt gezogen, dass das Umschlagpapier zerriss. Der Bändel baumelte sinnlos an meinem Hals und ich konnte mich gerade noch daran hindern, einen fiesen Fluch auszustoßen, als ich die Euros aufklaubte. Mittlerweile baumelt Umschlag Nummer 2 mit befestigten Ösen über meiner Brust.

32 Euro sind drin. Eingezahlt für Vergehen wie: Druckerstau verursacht und schnell aus dem Staub gemacht; dem Mann ein leergefahrenes Auto hingestellt; so getan, als hätte ich das wichtigste Telefonat der Welt, nur um einer unliebsamen Begegnung aus dem Weg zu gehen. Ich schätze, das Gewicht des Umschlags wird mich am Ende zu Tode würgen.

Julia Volkamer

(Sieben Wochen leichter): „Leichter getan als gesagt“ ist das neue Motto der Aktion des Bistums Würzburg. Passt. Der große Redner war ich noch nie. Jetzt lese ich mit Begeisterung den Vorschlag Gary Chapmanns, die „Muttersprache der Liebe“ zu erlernen. Der US-Autor hat herausgefunden, dass jedes Familienmitglied einen vollen „Liebestank“ braucht, um sich angenommen zu fühlen und glücklich zu sein. Für eine Füllung braucht es – wie schön bei diesen Spritpreisen – einzig die fünf Sprachen der Liebe. Eine davon ist, sich etwas Wertschätzendes zu sagen. Eine Ermutigungsdusche zu verpassen. Das hat bei uns nicht so funktioniert: Ich habe den Großen gefragt, was er an seinen Brüdern besonders gut findet. Er sagte: „Nichts.“ Hm. Hat er vielleicht von mir geerbt, das mit den wenigen Worten. Also konzentrieren wir uns eben doch auf die liebevollen Taten: wir verbringen Zeit miteinander – und bemühen uns um Frieden. Wir helfen uns gegenseitig – auch wenn der Vierjährige momentan alles „alleine“ kann. Wir tauschen Berührungen aus – wobei ich deutlich machen muss, dass damit nicht Schläge und Tritte gemeint sind. Und wir geben uns Mühe dabei, den anderen Geschenke zu machen. Wie passend, dass die Kinder eh gerade ihre Oster-Wunschzettel am Terrassenfenster angebracht haben. Ein Ninjago-Spiel für die Playsi – kein Problem für den Osterhasen. Zwei Paw-Patrol-Hörspiele – wäre doch gelacht, wenn er die nicht auch noch tragen könnte. Und der dritte Wunsch? „Haus mit Dachboden“ sagt der Stöppke. Vorsichtshalber schreibe ich es in sein Gemälde hinein. Nur dass der Osterhase Bescheid weiß. Wenn er jetzt das richtige Geschenk bringt, dann beherrscht er sie garantiert, die Sprache der Liebe. Und hat sich seine Ermutigungsdusche verdient.