Der „Hackerschmou voum Rothauseck“ führt wieder durch die Kitzinger Stadtgeschichte. Wer hat Lust, bei der Häckerchronik im Juli mit auf der Bühne zu stehen?
Der Heimat Herzschlag ist wieder zu hören in diesem Sommer: Nachdem die Corona-Pandemie den üblichen Fünf-Jahres-Rhythmus durcheinandergewirbelt hat, wird der Innenhof der Wirtschaftschule im Juli wieder zum Schauplatz für das imposantes Historienspiel der Häckerchronik.
„Männer“, sagt Helmut Fuchs. „Ich brauche vor allem Männer.“ Und das ist historisch begründet. Wer durch die Geschichte der Stadt streift, trifft auf Bürgermeister, Ratsherren, Magistrate, den Fürstbischof und viele andere Herren und deutlich seltener auf Frauen. Obgleich es einer Frau zu verdanken ist, dass es Kitzingen überhaupt gibt. Hadeloga, die Tochter Pipins, hielt am Schwanberg Hof und warf ihren Schleier beim Sturmwind in die Nacht hinaus, um dort, wo er liegen bliebe, ein Kloster zu bauen. Kitzo, der Schäfer, fand ihn und wurde damit zugleich Namensgeber für die Stadt, die rund um das Kloster entstehen sollte. Im Jahre 745 spielt die erste Szene der Häckerchronik, die bis zum Abzug der Amerikaner durch die Geschichte der Stadt führt – in dreieinhalb Stunden und 13 aufwändig aufbereiteten Szenen, mal unterhaltsam, mal tragisch, mal zum Lachen und mal zum Weinen.
Die Häckerchronik wurde 1951 anlässlich der 1200-Jahrfeier Kitzingens zum ersten Mal aufgeführt, die Szenen stammen aus den Federn von Engelbert Bach, Rudolf Cyperrek, Hanns Rupp und Dr. Fritz Sturm. Die Texte des Häckers als Verbindung zwischen den einzelnen Szenen hat allesamt Engelbert Bach geschrieben. Nach der ersten Aufführung gab es erst mal eine lange Pause. Ende der 1970er Jahre beschloss der Stadtrat, dass das Historienspiel wieder auf die Bühne gebracht werden sollte und machte sich auf die Suche nach einem Regisseur. Helmut Fuchs, damals Lehrer an der Friedrich-Bernbeck-Schule, konnte sich vorstellen, das zu übernehmen. „Erst waren wir fünf Regieanwärter, dann bröselte die Gruppe langsam und wir waren plötzlich nur noch zu zweit“, erinnert er sich lächelnd. Die Kollegin, die ebenfalls Interesse angemeldet hatte, kam allerdings aus Norddeutschland. „Sie konnte den Dialekt nicht und hat deshalb doch nicht mitgemacht.“ Denn insbesondere die Texte des Häckers und der Bürgersmänner und -frauen sind für jemanden, der die fränkische Mundart nicht kennt, nicht leicht zu lesen – wenn es um den „Börchermester“ und den „Gameerat“ geht, wenn „selbst“ zu „salweer“ und jetzt zu „hetzet“ wird. Jede Betonung muss stimmen, jede Silbe passen.
Fürs Ohr ist das Fränkische für die meisten gewohnt und deshalb für die Besucher gut zu verstehen, für die Schauspieler teilweise eine Herausforderung. Wobei die großen Rollen von Stammschauspielern übernommen werden und es auch viele Rollen gibt, deren Texte nur kurz sind oder die hochdeutsch verfasst sind – die meisten Räte, Bürgermeister, Bischöfe und andere Höhergestellte, Hadeloga natürlich oder Elisabeth von Thüringen, die auf der Flucht nach Kitzingen kam.
Seit 1981 Regisseur
Helmut Fuchs übernahm für die Aufführung im Jahr 1981 den Posten des Regisseurs und hat ihn auch heute noch inne. Zunächst wurde die Chronik zwei Jahre hintereinander aufgeführt, dann ein fünfjähriger Rhythmus beschlossen, der auch eingehalten wurde, bis Corona kam. 2020 wurde geplant, dann abgesagt, 2021 das gleiche Spiel. In diesem Sommer aber wird die Häckerchronik auf jeden Fall wieder zu sehen sein. Längst kennt Fuchs alle Rollen und Texte, hilft in den Proben, die kürzlich wieder begonnen haben, bei Schwierigkeiten, gibt wertvolle Tipps. Denn der Text ist das eine, die Darstellung das andere. Einen Nazi zu spielen, mit Uniform und Hakenkreuz, der die Leute niederbrüllt? Es ist nicht einfach, jemanden glaubhaft darzustellen, mit dem man sich nicht identifiziert. Oder den Mann, der seine Familie beim Luftangriff verloren hat, der weinend und verzweifelt mit dem Teddy seines Kindes in der Hand vor den Trümmern seines Hauses steht. Jede Geste, jeder Gesichtsausdruck muss passen in diesen bedrückenden Szenen, ohne zu unter- oder übertreiben.
Die Bombardierung Kitzingens gehört zu den Szenen, die erst mit den Jahren in die Häckerchronik aufgenommen wurden. Ursprünglich umfasste sie acht Szenen, dann wurde sie mehrfach erweitert. Die Einführung des Weingesetzes zum Beispiel kam dazu, der Bau des Rathauses, die Bombardierung Kitzingens, das Geschehen in der Hill-Billy-Bar in der Nachkriegszeit.
Die Häckerchronik ist so etwas wie ein Mammutschauspiel. Etwa 50 Sprechrollen sind zu besetzen, dazu kommt „das Volk“, jung und alt, Frauen und Männer. Manche Schauspieler sind schon lange dabei, andere sind in die Jahre gekommen und geben ihre Rollen deshalb ab, manche sind verstorben, so dass immer wieder Leute gesucht werden, sie bereit sind, mitzumachen. Auch jetzt gibt es noch Lücken in der Besetzung. Ein Balthasar Neumann für die Kreuzkapellen-Szene wird noch gebraucht, ein Friedrich Bernbeck für den Rathausbau. Insgesamt fehlen noch etwa zehn neue Darsteller. „Es sind nur kurze Sprechrollen“, betont der Regisseur, es brauche also niemand Bedenken zu haben, dass er den Text nicht schafft. Auch über weitere Komparsen würde sich Helmut Fuchs sehr freuen. „Wir haben Kostüme für mindestens 100 Leute“, betont er. Das „Volk“ ist wichtig für einige Szenen, es wohnte einst der Verleihung der Stadtrechte bei, verfolgte aber auch das Strafgericht im Bauernkrieg mit der Blendung von 54 Kitzinger Bürgern im Leidenhof. „Auch beim Bau der Kreuzkapelle war das Volk anwesend“, erklärt Helmut Fuchs. „Da ist die Bühne voll.“ Da mischen sich dann auch die Schauspieler, die in anderen Szenen eine Sprechrolle haben, unter das Volk.