„Die Boiler, die als Baustein der Sofortmaßnahmen Stück für Stück installiert werden, sind nur eine Übergangslösung“, betont Biebl. Wie es weiter gehen wird, soll das in Arbeit befindliche Konzept zeigen. Über das „ökumenische Projekt 'Soziale Beratung Notwohngebiet Kitzingen'“ äußert sich Biebl im Namen der Stadtverwaltung positiv: „Wir sind sehr zufrieden mit der Arbeit der Sozialberaterinnen und dem Projekt insgesamt und freuen uns über die gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten.“
Der ehrenamtlichen Helferin Manuela Link geht das jedoch nicht weit genug: „Das zweite Riesenpro-blem ist, dass es in Kitzingen keine Wohnungen für Geringverdiener gibt.“ Zahlreiche Notwohner, die einer geregelten Arbeit nachgehen, könnten sich mit ihrem kleinen Verdienst schlichtweg keine andere Wohnung leisten, „also arrangieren sie sich irgendwie hier unten“.
Kleine Gemeinschaft entstanden
Was das für Leute sind? Manuela Link kennt sie gut. Da ist die Frau Anfang 50, die täglich putzen geht, alte Schulden ihres gestorbenen Ex-Mannes abzuzahlen hat und manchmal versucht, ihre Sorgen in billigem Alkohol zu ertränken. Da ist die rumänische Familie, die mit fünf Leuten auf 50 Quadratmetern lebt, ohne Dusche, „aber total fleißig und sauber ist“. Da ist die Frau mittleren Alters, die kein Selbstbewusstsein hat und mit Sicherheit keine Wohnungsverhandlung führen könnte. Da sind aber ab und zu auch Mut machende Beispiele: „Ein junges Paar war einige Monate hier und hat es jetzt geschafft rauszukommen. Auch ein Mann mit einer kleinen Rente konnte nach mehreren Jahren sein Zimmer ohne Dusche gegen eine gemütliche Ein-Zimmer-Wohnung mit Bad eintauschen.“ Durch die Begegnungsstätte „Wegweiser“ sei es gelungen, dass die Bewohner untereinander in Kontakt gekommen und eine kleine Gemeinschaft geworden sind. „Sie passen aufeinander auf und erledigen auch mal einen Einkauf für andere.“
Manuela Link weiß: Dass das Notwohngebiet ein sozialer Brennpunkt ist, liegt vor allem daran, dass hier Langzeitmieter, die nicht viel Geld fürs Wohnen ausgeben können, auf sozial Gestrandete und psychisch Belastete, Alkoholkranke, Drogenabhängige und Dealer treffen. „Diese Mischung ist ein Problem.“Laut Andrea Schmidt, parteilose Stadträtin, könnten sich 50 bis 60 Prozent der Notwohner problemlos in „normalen“ Wohnsiedlungen integrieren – wenn sie genug Startgeld hätten. Schmidt und Link wünschen sich deshalb, dass Menschen, die sich nach Kräften bemühen, eine eigene Existenz außerhalb des Notwohngebietes aufzubauen, bei der Vergabe städtischer Wohnungen bevorzugt behandelt werden. Manuela Link hat noch etwas auf dem Herzen: „Dass noch mehr Kitzinger Bürger einfach mal so im 'Wegweiser' vorbeikommen, sich für ihre Mitmenschen interessieren und vielleicht zu Vertrauenspersonen für sie werden – das ist mein allergrößter Wunsch.“ Es sei wie in der Flüchtlingsarbeit: Jeder, der ein gewisses Maß an Verständnis aufbringt, könne den Menschen helfen. „Wenn jeder unserer Bewohner eine Vertrauensperson, also eine Art Sozialpaten, hätte, würden die meisten ihr Leben geregelt bekommen. Viele schaffen es einfach nicht allein, ihnen fehlen Kraft und Selbstbewusstsein.“
Inwieweit die beiden Sozialpädagoginnen in dieser Hinsicht positiven Einfluss nehmen können, erklären sie im Interview.
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Wegweiser: Neben einer Dusche gibt es im „Wegweiser“ direkt zwischen den vier Notwohn-Blocks jeden Montag von 17 bis 18.30 Uhr und jeden Mittwoch von 14 bis zirka 17 Uhr auch Kaffee, Brötchen, Kuchen und die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Hilfe: Während die beiden Sozialarbeiterinnen von der Kommune angestellt sind, betreibt ein Team von Ehrenamtlichen den Treffpunkt „Wegweiser“ unentgeltlich. „Ohne Spenden könnten wir die Begegnungsstätte nicht betreiben“, stellt Manuela Link fest.
Info: Nähere Informationen über den Wegweiser und Möglichkeiten, sich dort einzubringen, gibt es über die Facebook-Seite „Wegweiser“ oder per Tel.: 0176/ 65 489 089.
Info
Für die 2018 vom Stadtrat beschlossene „Soforthilfe“ – befristet auf zunächst zwei Jahre – sind 207.000 Euro veranschlagt. Die Stadt Kitzingen trägt davon 120.000 Euro, der Landkreis 60.000 Euro. Den Rest teilen sich Caritas und Diakonie.