Nach zwei schwierigen Jahren produzieren die hiesigen Brauereien annähernd unter Volllast, die Beschäftigten arbeiten unter guten Bedingungen und die Brauer sind zuversichtlich.
Dampfende Kessel, klirrende Flaschen und ein goldgelb schimmerndes Gebräu, das am laufenden Band abgefüllt, mit Kronkorken verschlossen und in Kästen verladen wird – dieses Bild lieben nicht nur die Brauereibesitzer des Landkreises, sondern vor allem auch ihre Braumeister. Die Bandmitarbeiter. Stapler- und Lkw-Fahrer. „Höhere Löhne für Mitarbeiter in Brauereien“ heißt es in einer Pressemitteilung. Gilt das auch für die mittelständischen Betriebe, die in hiesigen Gefilden produzieren? Wie viel produzieren sie überhaupt wieder? Und wie geht es den Brauereien eigentlich nach zwei Jahren Corona und gut drei Monaten Ukraine-Krieg? Fragen, die nur manche der angefragten Brauereien beantworten wollten.
In einem sind sich die Geschäftsführer der Privatbrauerei Kesselring in Marktsteft und der Brauerei Oechsner in Ochsenfurt einig: Es herrscht Zuversicht. Die Gastronomie ist wieder geöffnet, es finden viele Feste und Veranstaltungen statt, die Absätze haben sich gefangen. Das hat auch die Gewerkschaft für Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG) erkannt – und die verbesserten Bedingungen als Begründung für neue Tarifverhandlungen genutzt. „Von Würzburger Hofbräu bis hin zu den kleinen und mittelständischen Brauereien – Bier ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region. Nach Rückgängen in der ersten Corona-Phase wird längst wieder unter Volllast gebraut“, sagt Ibo Ocak, Geschäftsführer der NGG-Region Unterfranken. Mit der Lohnerhöhung erhielten die Beschäftigten einen fairen Anteil an den guten Geschäften ihrer Branche.
Das dicke „Aber“ übersieht die Gewerkschaft, findet Dietrich Oechsner, Geschäftsführer der gleichnamigen Brauerei in Ochsenfurt. Durch Pandemie und Ukraine-Konflikt haben sich „Situationen ergeben, die wir vorher nicht kannten“. Wie die Häuser seiner Kollegen im Kreis Kitzingen gehört auch die Oechsner-Brauerei nicht der Tarifgemeinschaft an und muss sich damit nicht an deren vertragliche Vorgaben halten. „Wir reden lieber direkt miteinander – und nicht über Dritte übereinander“, begründet er seine Abstinenz.
Peter-Michael Himmel von der Privatbrauerei Kesselring in Marktsteft ist da ganz seiner Meinung. „Wir verhandeln direkt mit unseren Mitarbeitern oder dem Betriebsrat“, erklärt der Juniorchef, sagt aber auch, dass er sich bei den Löhnen durchaus an den tariflichen Bedingungen orientiert. „Wer weniger als Tarif bezahlt, bekommt keine Mitarbeiter.“ So wurden die Löhne in Marktsteft nach der Rückkehr aus der Kurzarbeit ins Ein-Schicht-System im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche Ende 2021 deutlich erhöht.
Die NGG ging bei ihren Verhandlungen hingegen von einem Drei-Schicht-System aus, vom Job am Braukessel, der körperlich sehr anstrengend ist. „Das geht an die Gesundheit“, hatte Mustafa Öz, NGG-Landesvorsitzender in Bayern und Verhandlungsführer, gemahnt. Umso wichtiger sei es, die Arbeit durch eine faire Bezahlung attraktiv zu halten. Das sei mit dem neuen Tarifvertrag nach hartem Ringen gelungen: Ein Streik konnte durch schlichtendes Eingreifen des Landesarbeitsgerichtes gerade noch verhindert werden. Die Gewerkschaft NGG sieht die Branche nämlich trotz aktuell steigender Rohstoffpreise im Zuge des Ukraine-Kriegs für die kommenden Monate gerüstet. „Stark besuchte Biergärten, die Rückkehr der Volksfeste, ein wachsendes Exportgeschäft – manche Brauereien verzeichnen schon jetzt höhere Absätze als vor der Pandemie. Hinzu kommen steigende Umsätze mit alkoholfreien Sorten, Biermischgetränken und Limonaden. Alles in allem eine gute Perspektive für die Brauer.“
Aus der Sicht von Peter-Michael Himmel übersieht die Gewerkschaft, dass gerade in den kleineren Brauereien die Umsätze längst noch nicht an das Niveau der Vor-Corona-Jahre anknüpfen können. „Es ist keine Kunst, besser zu verdienen als 2021“, sagt der Marktstefter. „Wenn wir das erste Halbjahr aber mit 2019 vergleichen, sind wir von einem 'Normaljahr' noch sehr weit entfernt.“
So habe zum Beispiel der Fasching mit angezogener Handbremse stattgefunden und auch im zweiten Quartal fielen viele Veranstaltungen der Omikron-Welle zum Opfer. Der russische Einmarsch habe sein Übriges getan und von den steigenden Spritkosten über nicht produzierende Glashütten bis hin zu annähernd 100-prozentiger Kostensteigerung bei Getreide für nicht zu erwartende Widrigkeiten gesorgt. „Diese Kostenexplosion können wir nicht auf den Bierpreis umlegen. Der Kasten würde sich um 2 bis 3 EUR verteuern. Diese Erhöhung können wir aber nicht sofort 1:1 weitergeben“, so Himmel. Und doch sind sich die Brauer in mindestens einer Sache mit der Gewerkschaft einig: „Ob Helles, Weißbier oder eine der vielen Spezialsorten: Bier ist in Bayern nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern auch ein Kulturgut. Die Brauer sind stolz auf das, was sie herstellen“, sagt Mustafa Öz. Die Brauwirtschaft habe eine Zukunft und könne für Nachwuchs- und Fachkräfte attraktiv bleiben. Wenn das mal kein Grund für Zuversicht ist.