Kitzingen: Menschen brauchen Zeit für sich

3 Min
An den verkaufsoffenen Sonntagen herrscht dichtes Gedränge in der Kitzinger Innenstadt. Foto: Archiv
An den verkaufsoffenen Sonntagen herrscht dichtes Gedränge in der Kitzinger Innenstadt.  Foto: Archiv

Die Kirchen und fast alle befragten Bürgermeister aus dem Landkreis Kitzingen sind der Meinung, dass die aktuellen Möglichkeiten für die Geschäftsöffnung im Handel ausreichen - sowohl werktags als auch an Sonn- und Feiertagen.

Mit dem Streit um eine vernünftige Tankstellenregelung sind in Bayern auch die Ladenöffnungszeiten wieder im Gespräch. Die FDP hat es zum Wahlkampfthema erhoben, sich für "moderne" - will heißen liberalere - Ladenöffnungszeiten einzusetzen.

"Gut versorgt"


"Wie immer, wenn es auf Wahlen zugeht", seufzt Kitzingens Oberbürgermeister Siegfried Müller, auf dieses Thema angesprochen. "Ich glaube, wir sind gut versorgt. Bis 20 Uhr sollte jeder seine Einkäufe erledigt haben." Der Handel selbst wünsche keine längeren Öffnungszeiten, die Einzelhändler in der Stadt würden die bestehenden Möglichkeiten nicht einmal ausschöpfen.

"Es ist weder im Interesse der Beschäftigten noch der Kunden, die Zeiten bis in die Nacht hinein auszudehnen." Irgendwann müsse sich jeder auch mal Zeit für die Familie nehmen können. Das gelte ebenso am Wochenende. "Die vier verkaufsoffenen Sonntage sind legitim und richtig. Man sollte aber nicht generell an Sonn- und Feiertagen einkaufen können." Eine Lockerung sei daher nicht nötig - zumal jeder sein Geld nur einmal ausgeben könne. "Eine Liberalisierung würde nur eine Verlagerung bewirken - ohne große Vorteile für die Händler."

Eine Verbesserung wären für Müller einzig einheitliche Schlusszeiten an Samstagen. Das habe in Kitzingen bisher aber nicht geklappt, weil die unternehmergeführten Geschäfte eben schließen, wenn keiner mehr kommt. "Das ist eine unternehmerische Entscheidung, die jeder selbst treffen muss."

"Exorbitant viel"


Die Bürgermeister der größeren Städte im Landkreis sind geteilter Meinung. Adolf Falkenstein (Prichsenstadt) und Peter Kornell (Volkach) halten eine weitere Liberalisierung für überflüssig. "Der Handel hat die Möglichkeit, sechs Tage die Woche von 6 bis 20 Uhr zu öffnen - das ist doch schon exorbitant viel", findet Falkenstein. Die meisten Geschäfte würden die Zeit zwischen 8 und 20 Uhr nutzen, womit jeder genug Zeit hätte einzukaufen. An Sonntagen sollten die Menschen dann zur Ruhe kommen. "Man muss auch Zeit für sich und die Familie haben. Wenn man die Einkäufe am Ende auf den Sonntag verlegt - weil man da ja Zeit hat - fällt das Wesentliche irgendwann weg." In Prichsenstadt gab es 2012 dementsprechend auch nur einen verkaufsoffenen Sonntag.

"Wir haben seit Jahrzehnten vier verkaufsoffene Sonntage und es gibt keine Wünsche nach mehr", informiert Peter Kornell. Die Regelung für Sonntage sei ohnehin schon weich genug, dadurch dass inzwischen auch Bäcker ihre Läden öffnen dürfen. Auch längere Öffnungszeiten an Werktagen seien nicht nötig - eine liberalere Lösung gar mit Vorsicht zu genießen. "Das Zeitverhalten der Leute driftet immer weiter auseinander, wenn es die Möglichkeit dazu gibt", erklärt der Volkacher Bürgermeister. Einmal gewonnene Freiheiten seien schwer wieder einzudämmen, weshalb man kaum zurückrudern könne, wenn die Öffnungszeiten einmal freigegeben sind. Außerdem befürchtet er, dass kleinere Geschäfte nicht mehr mit großen Ketten mitziehen können, wenn diese immer länger aufhaben. Der Umsatzzuwachs reiche nicht, um mehr Personal einstellen zu können - und mit dem vorhandenen kommt man irgendwann an Grenzen. "Das würde nur dazu führen, dass große Geschäfte inhabergeführten Läden mehr und mehr die Luft zum Atmen nehmen."

"Veränderte Arbeitszeiten"


Einzig der Iphöfer Bürgermeister Josef Mend würde es begrüßen, wenn es sich die Geschäfte selbst aussuchen könnten, ob sie an Samstagen und Sonntagen öffnen möchten. "Bei uns wären manche froh, wenn das auch außerhalb der vier verkaufsoffenen Sonntage ginge." Vor allem in der Tourismussaison könnten die Einzelhändler davon profitieren, dass an Wochenenden viel in der Weinstadt los ist.

Mend gibt zu, dass vieles auch dagegen spricht, die Sonntagsruhe ganz aufzugeben, findet aber, dass sie durch die gesamte Entwicklung der letzten 50 Jahre ohnehin schon überholt sei. "Die Arbeitszeiten haben sich mit der Gesellschaft geändert - durch wirtschaftliche Interessen, die Kommerzialisierung und die Wünsche der Menschen." Eine generelle Öffnung des Gesetztes würde zumindest die ständigen Grauzonen aufheben: Jeder könnte selbst entscheiden, wie und wann er seinen Laden aufmacht.

"Internet-Mentalität"


Die Kirchen sind naturgemäß anderer Meinung. "In ganz Unterfranken gibt es jährlich über 300 verkaufsoffene Sonntage", sagt der Pfarrer Johannes Hofmann, katholischer Dekan des Dekanats Kitzingen. "Das reicht dick - sowohl vom christlichen als auch vom gesellschaftlichen Hintergrund aus gesehen." Eine weitere Liberalisierung der Ladenschlusszeiten - auch an Werktagen - sei nur ein weiterer Schritt hin zu mehr Druck auf Arbeitnehmer, zu weniger Zeit für die Familie und zum Fall des Sonntagsschutzes. "Es ist diese Internet-Mentalität, dass jeder alles zu jeder Zeit verfügbar haben möchte. Man muss dieses Prinzip aber nicht auf Bereiche übertragen, in denen Menschen darunter zu leiden haben." Er ist zwar auch nicht dafür, zu früheren Regelungen zurückzukehren, findet aber, dass die bestehenden beibehalten werden sollten.

Diese Meinung teilt Hofmanns evangelischer Kollege Hanspeter Kern: Werktage seien zwar Arbeitstage, an denen es gerade für jene, die abends selbst länger arbeiten müssen, angenehm sei, wenn sie ohne Hektik noch ihre Besorgungen erledigen können. "Es ist gut, wenn zwischen Arbeitsende und Ladenschluss eine genügend große Zeitspanne liegt." Familien- und "menschenfreundlich" sollten die Öffnungszeiten trotzdem sein, so dass Arbeitnehmer am Abend noch Zeit haben für Familie, zur Entspannung und zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. "Jenseits von 20 Uhr müssen die Schlusszeiten daher nicht liegen."

Zumindest der Sonntag solle dann aber für möglichst viele Menschen ein Ruhetag bleiben - "wohl wissend, dass ihn jetzt schon längst nicht alle als arbeitsfreien Tag genießen können". Drei bis vier verkaufsoffene Sonntage genügen Kerns Ansicht nach vollauf - zum Schutz des Sonntags und der Familien und zum Wohl aller, die an diesen Tagen dann arbeiten müssen. "Als Gesellschaft verlieren wir mehr, als wir gewinnen, wenn wir den Sonntag zum Geschäftstag machen."







Lade TED
 
Ted wird geladen, bitte warten...