In Wiesentheid geben 2000 Pfeifen den guten Ton an

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Ab und zu spielen die beiden Orgelbaumeister Albert Naß (rechts) und Benjamin Lindenmayer auch mal auf der Orgel, die sie gerade in der Wiesentheider Kirche intonieren.
Foto: ANDREAS STÖCKINGER
Der Blick vom Kirchenschiff auf die Orgel-Empore der Wiesentheider Pfarrkirche, die zur Zeit restauriert wurde.
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Blick aus dem Innersten der Orgel in Richtung Altar in der Wiesentheider Kirche.
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Albert Naß bei der Feinarbeit im Inneren der Orgel in der Wiesentheider Kirche. Der Orgelbaumeister justiert die Zunge einer kleinen Pfeife nach. Rund 2000 Pfeifen werden per Hand intoniert.
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Die umfangreiche Sanierung der Mauritiuskirche in Wiesentheid ist so gut wie abgeschlossen. Jetzt wird die Orgel weider eingebaut, eine Filigranarberit der Restauratoren.

Die umfangreiche Sanierung der Mauritiuskirche in Wiesentheid ist so gut wie abgeschlossen. Wenn in gut zwei Monaten das Gotteshaus mit der Altarweihe wieder geöffnet wird, dann erklingt dort natürlich wieder die Orgel. Auch sie wurde bis auf das Gehäuse nahezu komplett erneuert. Derzeit sind die Mitarbeiter des Orgelbauers an einer Filigran-Arbeit: Sie intonieren die Pfeifen und Töne. Per Hand und nach dem Gehör, einzeln, jede der rund 2000 Pfeifen für sich.

Die Orgel auf der Kirchenempore wurde vor vier Jahren, als die Renovierung der Kirche begann, ausgelagert und in die Werkstatt der Firma Weishaupt nach Westerndorf bei Augsburg gebracht. Lediglich das Gehäuse musste aus Gründen des Denkmalschutzes in Wiesentheid bleiben, alles andere wurde erneuert.

Seit einem Jahr arbeiteten die Orgelrestauratoren in der Werkstatt an der speziellen Technik des Instruments. Dazu kommen rund 300 Stunden für die Konstruktion, bis die die Fachleute die Orgel wieder in das etwas aufgebesserte Gehäuse vor Ort einfügten.

Die größte Pfeife ist 4,80 Meter lang, die kleinste acht Millimeter

Jetzt sind Albert Naß und Benjamin Lindemayer dabei, um den Pfeifen den letzten Schliff zu geben. Von der kleinsten, nur acht Millimeter großen, bis zur größten Pfeife mit 4,80 Meter Länge, alle werden getestet und eingestellt, was ihre Lautstärke und den exakten Ton betrifft. Dazu brauchen die beiden erfahrenen Orgelbaumeister möglichst Ruhe, außer ihnen arbeitet derzeit kaum ein anderer Handwerker im Gotteshaus. „Intonieren, das ist viel mehr als nur Stimmen. Das ist der Klang der Orgel. Wir intonieren fünf Wochen und in einem Tag ist die Orgek dann gestimmt“, erläutert Naß.

Um dahin zu kommen, wo sich das Wesentliche abspielt, sollte man ziemlich schlank sein, einigermaßen klettern können, und keine Platzangst haben. An der Seite der Orgel führt eine senkrechte Leiter nach oben, wo erst noch ein Durchlass folgt.

Ein enger Arbeitsplatz

Albert Naß wartet oben. Ziemlich eng geht es dort zu. Der Orgelbauer zeigt einen Platz, auf dem man sich vorsichtig ein bisschen bewegen und fotografieren kann. Ist man auch nur ein kleinwenig unvorsichtig, fallen die ersten, kleinen Holzteile am Boden um. Ein provisorisches Holztischlein mit vielleicht 20 Zentimetern Breite hat Naß oben zwischen den Pfeifen, auf denen er mit Werkzeugen wie ein Feinmechaniker an den Zungenpfeifen minimale Veränderungen macht. Diese Zungenpfeifen funktionieren ähnlich wie eine Klarinette, „sie müssen richtig ansprechen“, führt Albert Naß aus.

„Stimmung“, ruft er kurz, dann betätigt Kollege Lindenmayer die jeweilige Taste unten, um den Ton anzuspielen. „Zu laut! Die muss ich etwas leiser kriegen“, sagt er und baut die Pfeife wieder aus, entnimmt den winzigen Innenteil. Die Zunge darin, das ist ein Blättchen aus Messingblech mit 0,09 Millimeter Durchmesser. Deren Biegung müsse exakt passen. „Ist sie zu sehr gebogen, spricht sie nicht an. Ist sie zu flach, dann ist der Ton zu hoch, das ist nicht schön.“ Die Grenzen heraus kitzeln, das sei das gewisse Etwas.

Pfeifen mit Zinn-Bleilegierung, aber es gibt auch welche aus Holz

Die meisten Pfeifen sind aus Metall, genauer gesagt, einer Zinn-Bleilegierung mit hohem Zinnanteil. Eine teure Angelegenheit, ein Kilo Zinn koste laut Fachmann etwa 22 Euro. Einige Pfeifen sind dagegen aus Holz, die großen meist aus Fichte oder Tanne, die kleineren aus härterem Holz. Günstiger und stabiler sei das, so Naß. Klang und Ansprache werde rein nach Gehör eingestellt, Erfahrungswerte seien das, „da wird nichts gemessen“, so der Fachmann. Erst ganz am Ende, beim Stimmen, werde ein Computer angeschlossen, um alles abzugleichen. Die größeren Pfeifen seien schwerer zu intonieren, da das menschliche Gehör bei tiefen Tönen eher Unterschiede wahrnimmt, weshalb unsaubere Töne schneller auffallen würden.

Später wird der gesamte Bereich am Arbeitstisch mit Orgelpfeifen oder -teilen bestückt sein. Vor die Pfeifen kommen so genannte Schwelltüren, ein wenig Platz wird im Inneren gelassen, damit später das Instrument regelmäßig gepflegt werden kann.

Keine kleine Dorforgel

27 Register besitzt die Orgel in Wiesentheid, mit rund 2000 Pfeifen habe sie für die Fachleute wie Naß eine mittlere Größe. „Das ist keine kleine Dorforgel.“ Er hat auch schon welche mit 4000 und mehr Pfeifen intoniert. In seinen 35 Berufsjahren ist er dazu beinahe auf der ganzen Welt unterwegs gewesen. In Peru, häufig in Spanien, wo er unter anderem im Kloster Montserrat bei Barcelona an tätig war.

Als Orgelbauer müsse man hellhörig sein. Man sollte musikalisch sein, eine Ahnung von Kirchenmusik haben, meint Naß. „Was für Register hat Bach besonders genutzt? Wie müssen die zueinander klingen“, das sollte man verstehen, erläutert er die Kunst. Das Orgelspiel beherrscht er natürlich auch.

Wenn ein Instrument fertig ist, dann sei das immer ein besonderer Moment. „Es ist immer Herzblut mit dabei, nie Routine. Es beschäftigt einen über einen langen Zeitraum. Schon beim Ausbau der Orgel stellt man sich vor, wie sie in einigen Jahren klingen könnte“, beschreibt Benjamin Lindemayer seine Gedenken. Seit 15 Jahren ist auch er mittlerweile im Geschäft. Spätestens im Oktober kann er sich dann mit seinem Kollegen Naß über den Klang der Wiesentheider Orgel freuen.