Ein Gemüsebauer vernichtet zwei Tonnen Gurken, weil er sie unverpackt nicht los wird. Ein Video darüber löst eine Welle der Solidarität aus – und heftigen Streit.
Die Autokennzeichen lassen es vermuten: Das, was sich auf dem Hof von Franz Hagn gerade abspielt, hat mit einem normalen Montag nichts zu tun: MSP, WÜ TBB, OCH – ein Auto nach dem nächsten fährt an der Gärtnerei vor. Auch ein Fernseh-Team dreht in Segnitz.
Auslöser des Trubels ist ein Video, in dem gezeigt wird, wie Franz Hagn eine Tagesernte Gurken auf einem Feld verteilt und unterpflügt. Der Gemüsebauer beklagt, dass einige Lebensmittelgroßkunden nur noch eingeschweißte Ware haben wollen, er deshalb auf seinen Gurken sitzen bleibt. Auf Facebook wurde das Video inzwischen über 2,5 Millionen Mal angeklickt.
- Nach Gurkenvernichtung: So reagiert der Handel
Aus Böblingen angereist
Es gibt viel Solidarität, Viele wollen helfen, sind gegen Lebensmittel-Vernichtung. „Es ist unglaublich, was sich hier in den letzten 48 Stunden abgespielt hat.“ Franz Hagn schüttelt fast ein wenig ungläubig den Kopf. „Ich habe etwa zwei Tonnen Gurken über den Hof verkauft“. Den Vogel schießt Gaby Weimer aus Böblingen bei Stuttgart ab: Sie hat das Video gesehen und ist spontan zwei Stunden nach Segnitz gefahren. Die über 100 Kilo Gurken, die sie sich in den Kombi geladen hat, will sie an Freunde, Kindergärten und Verwandte verteilen.
Am Montag kauft ein junger Mann von der Diakonie in Würzburg mehrere Kisten Gurken, nebenan werden in einen tiefer gelegten, knallroten Golf GTI 16 V mit chromblitzenden Felgen gerade drei Kisten eingeladen – der vermutlich schnellste Gurkentransporter der Region. Auch Gloria Mustos aus Marktbreit hat sich eingedeckt. „Wir versorgen Freunde und Nachbarn. Es ist doch ein Unding, wie viel gelbe Säcke mit Verpackungen jede Woche voll werden. Das könnte man sich alles sparen.“ Inzwischen haben sogar benachbarte Gastronomiebetriebe wie Ehrbar (Frickenhausen) und Alter Esel (Marktbreit) angekündigt, Gurken abzunehmen, spezielle Gerichte auf ihre Karte zu nehmen.
Snack für unterwegs
Die Minigurken sind eine Spezialität des Gemüsebauers Hagn aus Segnitz. Sie werden gerne als Snack für unterwegs gekauft, Kindern in die Brotdose gelegt oder eingelegt. Hagn verkauft seine Gurken über die Gartenbauzentrale Main Donau in Albertshofen an diverse große Supermarktketten in Deutschland.
Doch die Händler wollen die Fünf-Kilo-Kisten aus Segnitz nicht mehr in ihren Läden haben. Stattdessen sollen die Gurken seit einigen Wochen in Plastik verpackt und dann verkauft werden. Immer drei Stück in einer Schale, mit Folie verschweißt. Woher der plötzliche Sinneswandel kommt, weiß Hagn nicht. Bei den Jahresgesprächen in der Genossenschaft, in denen Absatzmengen festgelegt werden, sei nie kommuniziert worden, dass seine Gurken in der gewohnten Form nicht mehr erwünscht sind. Sonst hätte er mit der Produktion vielleicht reagieren können, sagt Hagn.