Gemeinsame Wege gehen

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Zwei Fliegen mit einer Klappe? Sollte sich bei der Bürgerbefragung ein breites Interesse für ein Nahwärmenetz in der Prichsenstädter Altstadt herauskristallisieren, könnte bei einer womöglich notwendigen offenen Sanierung der Kanäle gleich auch die Erschließung eines Nahwärmenetzes erfolgen. Fotos: Dominik Berthel
Zwei Fliegen mit einer Klappe? Sollte sich bei der Bürgerbefragung ein breites Interesse für ein Nahwärmenetz in der Prichsenstädter Altstadt herauskristallisieren, könnte bei einer womöglich notwendigen offenen Sanierung der Kanäle gleich auch die Erschließung eines Nahwärmenetzes erfolgen. Fotos: Dominik Berthel
Vielleicht geht die Energie der Münsterschwarzacher Klosteranlagen bald auch über die Klostermauern hinaus. Das vorgestellte Energiekonzept der Dorfschätze sieht hier zumindest eine Chance, Bürger mit Nahwärme zu versorgen.
Vielleicht geht die Energie der Münsterschwarzacher Klosteranlagen bald auch über die Klostermauern hinaus. Das vorgestellte Energiekonzept der Dorfschätze sieht hier zumindest eine Chance, Bürger mit Nahwärme zu versorgen.
 
Stephan Bruckner, Energieingenieur
Stephan Bruckner, Energieingenieur
 

Ein Institut für Energietechnik hat den aktuellen Energiebedarf in den Dorfschätze-Gemeinden ermittelt und zeigt nun auf, wo die Gemeinden künftig auf die Installation von Nahwärmenetzen setzen könnten.

Der Anfang ist gemacht, der Ist-Zustand ermittelt und die ersten Möglichkeiten sind angedacht, wie ein Energiekonzept für die neun Gemeinden der Arbeitsgemeinschaft Dorfschätze aussehen könnte. Jetzt kommen die einzelnen Gemeinden ins Spiel und vor allem die Bürger, die zusammen mit ihren Gemeinderäten und Bürgermeistern detaillierte Pläne erarbeiten müssen, wie die eigene Energieversorgung der Zukunft aussehen könnte.
Energieingenieur Stephan Bruckner vom Institut für Energietechnik im Amberg hat in den vergangen sechs Monaten in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden der Dorfschätze und den Energieversorgern vor Ort die energetische Ausgangsituation aller Gemeinden beleuchtet. Es wurde sowohl der Energiebedarf für die privaten Haushalte, als auch für die ansässigen Industriebetriebe ermittelt.
Was wird aktuell von den rund 18 000 Einwohnern einschließlich aller Unternehmen an elektrischer und thermischer Energie benötigt?

Ein großes Augenmerk wurde bei der gesamten Erhebung und Erstellung des Konzeptes auf die Wärmeversorgung gelegt. Wo wird besonders viel Wärme benötigt, wo gibt es viele Verbraucher auf relativ engem Raum, wo sind besonders "reizvolle" Straßen, Ecken, Plätze bei denen sich die Idee eines Nahwärmenetzes als positiv darstellt? Für jede Gemeinde wurde ein so genanntes Wärmekataster erstellt, bei dem jedem Gebäude ein plausibler Wärmebedarf zugeordnet wird. Auf diese Weise sollen Verbrauchsschwerpunkte erkennbar werden und es kann ermittelt werden, wo Nahwärmenetze besonders aussichtsreich wären.

Ein realistischer Grenzwert, ab dem es sich lohnt über eine solche Maßnahme nachzudenken sind 1500 kW/h pro Meter Straße pro Jahr. Dementsprechend legte der Energieexperte Bruckner für jede Gemeinde einen Lageplan vor, bei dem farbig visualisiert war, wo die wärmeintensiven Ecken sind. Besonders gut schnitten hier die größeren Gemeinden ab. In Schwarzenau und Schwarzach am Main sollte man ernsthaft darüber nachdenken, zusammen mit den Mainfränkischen Werkstätten, die im Moment über größere Mengen ungenutzter Abwärme verfügen, und den Anlagen des Klosters Münsterschwarzach Nahwärmenetze für einen Teil der Bevölkerung zu installieren. Bruckner stellte hier in Aussicht, dass hierzu in naher Zukunft von seinem Institut ein Detailprojekt in Angriff genommen wird.

Chancen gibt es viele

Auch Wiesentheid hat mit dem Landschulheim, dicht besiedelten Hauptstraßen, dem Siedlungsgebiet rund um die Seniorenresidenz und der Steiger-waldhalle wärmetechnisch sehr verheißungsvolle Gebiete.

Doch auch die kleineren Gemeinden sind keinesfalls raus aus dem Rennen. Kleinere Insellösungen und so genannte Mikro-Netze könnten selbst bei weniger Verbrauch wirtschaftlich sein. Einen hohen spezifischen Wärmebedarf gibt es auch in der Prichsenstädter Altstadt. Dichte Bebauung, Einzelhandel, Geschäfte und eine große Gastronomie benötigen stattliche Mengen an Wärme. Auch hier wird ein Detailprojekt angestoßen, was soviel bedeutet wie Befragung der Anwohner und Geschäftsinhaber nach ihrer prinzipiellen Haltung solchen Maßnahmen gegenüber.

Bürgermeister Falkenstein ist sich des Problems der zeitlichen Synchronisation bewusst. "Es wird nie einen Zeitpunkt geben, an dem jeder Bürger frei weg mitmachen würde". Dennoch sollten die Entscheidungsträger Weitblick zeigen und erkennen, wenn ein solcher Schritt sinnvoll wäre. Eine Wirtschaftlichkeit werde sicherlich oft erst nach längere Zeit erreicht, was aber nicht davor abschrecken soll, eine etwaige Finanzierung trotzdem zu stemmen zu versuchen, hieß es aus dem Prichsenstädter Rathaus.

Den direkten Zusammenhang mit der Debatte um die Kanalsanierung weist Falkenstein in erste Linie zurück, denn eine erfolgreiche Energiewende fordert nun mal solche Denkweisen. Auch ohne den Hintergrund der anstehenden Kanalsanierung hätte er die Überlegungen zu einem Nahwärmenetz auf den Weg gebracht. Dennoch wäre es höchst fahrlässig, die Straßen zu öffnen und wiederherzustellen, ohne die Frage zu einem eventuellen Wärmenetz geklärt zu haben, machte Falkenstein seinen Standpunkt deutlich.

Platz für mehr Photovoltaik

Im weiteren Verlauf der Vorstellung des Energiekonzeptes ging der Experte Bruckner auch auf die Potentiale der Erneuerbaren Energien im Betrachtungsgebiet der Dorfschätze ein. Besonders erfreut zeigte sich Bruckner, dass in den Dorschätzen bereits bilanziell rund zwei Drittel des gesamten Strombedarfs von den Dorfschätzen selbst hergestellt wird - hauptsächlich mittels Photovoltaik-Anlangen. Dennoch ist hier Luft nach oben, sprich es gibt noch freie Flächen. Bruckner, der die Örtlichkeiten in den letzten Monaten genau unter die Lupe genommen hat, sprach Dächer an, die für Solarstromgewinnung gut geeignet.

Rund die Hälfte der Arbeit für das Energiekonzept Dorfschätze ist mit der Erhebung des Ist-Zustandes erreicht, ließ Bruckner den rund 50 interessieren Gemeinderäten und Bürgermeistern im Prichsenstädter Schützenhaus wissen. Die zweite Hälfte muss nun in enger Zusammenarbeit mit den Bürgern erfolgen, "Wir brauchen jetzt das Engagement der Bürger und Gemeinden, denn wenn wir wissen, wo genau die Interessen liegen, dann können wir explizit und konkret handeln" so der Energieexperte.

Sämtliche Ergebnisse und Daten der Erhebung, die so genannten Gemeindesteckbriefe, sowie die ersten Ideen für ein Energiekonzept werden den Gemeinden der Dorfschätze in den nächsten Wochen vom Amberger Institut für Energietechnik übermittelt. Diese gilt es dann zu evaluieren und mit hoffentlich vielen interessierten Bürgern zu diskutieren. Daraus sollen konkrete Ideen wachsen können, die die Energieversorgung der Zukunft sichern und bezahlbar machen. Selbstverständlich bekomme auch jeder interessierte Bürger in seinem zuständigen Rathaus alle Informationen die bisher im Rahmen des Konzeptes gesammelt und evaluiert wurden.

Die Dorfschätze sind in Unterfranken die erste kommunale Allianz, die über die Möglichkeit eines gemeinsamen Energiekonzeptes nachdenkt. Durch die Aufnahme dieser Maßnahme in die integrierte Ländliche Entwicklung (ILE) wird die Erstellung dieses Konzeptes mit bis zu 75 Prozent Prozent gefördert.

Arbeitsgemeinschaft Dorfschätze
Mitgliedsgemeinden
Abtswind, Castell, Großlangheim, Kleinlangheim, Prichsenstadt, Rüdenhausen, Wiesenbronn und Wiesentheid.
Lenkungsgruppe
Die Lenkungsgruppe besteht aus den Bürgermeistern aller neun Gemeinden und trifft sich einmal monatlich.