Ein Iphöfer Weingut klagt in diesem Jahr über einen ungewöhnlichen Ernteausfall: Diebe klauten die Trauben von 250 Rebstöcken. Eine Belohnung soll den Täter überführen.
Der Ausblick hier oben ist wunderschön. Doch Andrea Wirschings Blick verdunkelt sich, wenn sie auf die Rebzeilen am Iphöfer Kronsberg schaut. Einer oder mehrere Diebe waren in den letzten Nächten oder Tagen unterwegs. Und das in großem Stil.
Zwei Wochen, bevor die Lese der Silvaner-Trauben starten sollte, fehlen an 250 Weinstöcken die Trauben. "Die sind ganz gezielt und punktuell geklaut worden", sagt Wirsching und staunt selbst über die Dreistigkeit der Diebe. Die haben sich nicht an den Wegrändern bedient, sondern sind mitten hinein in den Hang - dorthin, wo die besten Trauben reiften. Den Schaden schätzt Andrea Wirsching auf rund 5000 Euro.
40 Jahre alt ist die Anlage des renommierten Iphöfer Weingutes am Kronsberg. Die Trauben sollten für ein so genanntes "Großes Gewächs" verarbeitet werden. Die Flasche geht im VdP-Weingut für rund 25 Euro an die Kunden. Doch der finanzielle Schaden ist nur das eine Übel. "Uns geht auch jede Menge Reputation verloren", klagt Wirsching. Die Weine aus dieser Lage werden gerne bei nationalen und internationalen Wettbewerben angestellt - und das mit Erfolg.
Johannes Arnold war mit dabei, als der Diebstahl entdeckt wurde. Am Mittwoch ist eine Kommission des VdP (Verband der Prädikatsweingüter) durch den Weinberg gegangen, um die Trauben zu begutachten. Die Kommissionsmitglieder wollten ihren Augen nicht trauen. "So ein Fall ist in Iphofen noch nie vorgekommen", sagt Arnold. Touristen würden sich zwar immer mal ein paar Weintrauben am Wegesrand pflücken. "Aber das ist in der Regel kein Problem."
Kein vergleichbarer Fall
Auch an der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim ist ein Fall wie dieser nicht bekannt. "2011 ist mal ein ganzer Weinberg in der Pfalz von Dieben abgeerntet worden", erzählt Georg Bätz. In Thüngersheim sind im letzten Jahr auch ein Mal ein paar Zeilen geräubert worden. "Und es kann auch schon einmal vorkommen, dass ein Vollernter in die falsche Zeile fährt", sagt Bätz. Zustände wie in Rheinhessen seien im kleinteiligen Franken aber undenkbar. Dort, so weiß Johannes Arnold zu berichten, fahren manche Vollernter nicht aus Zufall, sondern mit voller Absicht durch fremde Weinberge. Nach seinen Kenntnissen werden in manchen Regionen schon Sicherheitsdienste eingesetzt, die durch die Weinberge fahren und aufpassen.
Zäume um die Weinberge
Vor 20, 30 Jahren hätten es die Diebe noch ein wenig schwieriger gehabt. Damals waren die Weinberge eingezäunt. "Jeder Winzer hatte einen Schlüssel für die Tore", erinnert sich Sommerachs Bürgermeister Elmar Henke, der damals Weinbauvereins-Vorsitzender war. "Mit Beginn der Traubenernte wurden die Weinberge hermetisch abgeriegelt. Ein Zustand, den weder die Sommeracher noch die Iphöfer wieder haben wollen. "Wir möchten doch, dass sich die Touristen in den Weinbergen frei bewegen können", sagt Henke.
Auch der Vorsitzende des Iphöfer Weinbauvereins, Johannes Arnold, denkt nicht daran, die Weinberge weder dem aktuellen Vorfall wieder einzuzäunen. Wie der groß angelegte Diebstahl inmitten der Weinberge passieren konnte, ist ihm ein Rätsel. Welche Umstände solche Diebeszüge erleichtern, ist ihm klar. Beispielsweise gibt es keine Rentner mehr, die durch die Weinberge ziehen und die Stare mit Gewehrschüssen vertreiben. Außerdem ist es in den Weinbergen dank dem vermehrten Einsatz von Vollerntern selbst während der Lese vergleichsweise einsam. "Früher war einfach viel mehr Betrieb in den Weinbergen", sagt er. "Ein Dieb wäre sicher aufgefallen."
Arnold kann sich sogar vorstellen, dass der Dieb tagsüber unterwegs war und immer wieder Eimer oder gar Butten gefüllt und in den Kofferraum eines Wagens geleert hat. Spuren gibt es jedenfalls keine. "Er muss vor dem großen Gewitter unterwegs gewesen sein", vermutet deshalb Andrea Wirsching. Sie will alles daran setzen, um den Diebstahl aufzuklären und setzt deshalb eine Belohung in Höhe von 1000 Euro aus. Vielleicht schnappt sie den Täter sogar auf eigene Faust. "Die Familie fährt ab sofort nachts Patrouille", sagt sie. Den Ausblick werden die Wirschings auch dann nicht genießen können.