Wo beginnt Bedürftigkeit? Das ist nicht pauschal zu beantworten. Dennoch müssen die gemeinnützigen Tafeln - auch die in Kitzingen - Grenzen setzen, um denen helfen zu können, die es am nötigsten haben.
Helmut Gärtner ist Rentner. Er hat nicht viel zum Leben, obwohl er in der Vergangenheit fast immer in Lohn und Brot stand. Der 68-Jährige, dessen Namen wir geändert haben, stockt seine Rente mit der Grundsicherung auf und verdient sich manchmal etwas dazu. Trotzdem wird es immer wieder knapp. Nach den Einkommensgrenzen der Ochsenfurter Tafel ist er aber kein Bedürftiger - dafür verdient er noch zu viel. "Ich habe einmal was bekommen, aber dann haben sie mich wieder weggeschickt."
Fälle wie die von Helmut Gärtner gibt es öfter. Menschen haben wenig, aber immer noch 10, 20, 50 Euro zu viel, um von der Tafel etwas zu bekommen.
"Aber irgendwo muss man eben eine Grenze ziehen", sagt Luise Zitzmann von der Ochsenfurter Tafel. In Notfällen würden natürlich Ausnahmen gemacht. "Aber wir legen großen Wert darauf, dass der von der Bundestafel vorgegebene Rahmen eingehalten wird - schließlich soll das, was wir ausgeben können, für die reichen, die wirklich knabbern müssen."
Die Ermittlung der Bedürftigkeit orientiert sich an einer Abgabenordnung, wobei die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Die Verdienstobergrenze legt damit jede Tafel individuell fest. Gärtner lag laut Zitzmann über der Ochsenfurter Obergrenze für einen alleinstehenden Menschen. Außerdem hätte er wegen seines Wohnortes ohnehin zur Kitzinger Tafel gehört.
Weil er aber nun schon einmal da war, durfte er sich eine Tüte voll Lebensmittel mitnehmen. "Damit war er dann auch zufrieden."
Wenn Gärtner in Ochsenfurt nichts bekommen hat, wird er es in Kitzingen auch schwer haben - hier liegt die Grenze nämlich niedriger, weil es mehr Menschen gibt, die versorgt werden wollen. Ansonsten wird aber alles gleich gehandhabt. "Wer zum ersten Mal kommt, bekommt etwas und macht einen Termin aus, bei dem er seine Unterlagen mitbringt", erklärt Manfred Seigner von der Kitzinger Tafel. Dann werden die Bescheide von Jobcenter und Einwohnermeldeamt sowie die Lohneinkünfte geprüft. "Wer Anspruch auf Hilfe hat, bekommt einen Tafelausweis, auf dem alles vermerkt ist, auch für wie viele Familienmitglieder man sich versorgen darf." Liegt jemand über diesem Satz, wird geprüft, ob die persönlichen Umstände eine Ausnahme möglich machen. "Das sind aber Einzelfallentscheidungen. Wenn wir zu viele Ausnahmen machen, kommt irgendwann jeder und die wirklich Bedürftigen kriegen nichts mehr ab."
Seigner würde am liebsten nur auf Vertrauensbasis arbeiten, da es die Menschen ohnehin schon Überwindung kostet, zur Tafel zu gehen. "Wir haben das probiert, aber es funktioniert nicht, weil es doch immer welche gibt, die das ausnutzen." Darum muss es eine Grenze und die Kontrolle durch die Ausweise geben, die für ein Jahr gültig sind.
"Wenn sich unter dem Jahr etwas ändert, müssen die Leute das selbst melden - wie bei Behörden auch." Ist jemand unehrlich und es fliegt auf, geht die Tafel rigoros vor: "Der bekommt seinen Ausweis abgenommen und kriegt auch keinen mehr."
Auch Zitzmann greift in solchen Fällen hart durch. Denn da die Tafeln ehrenamtlich arbeiten und auf Geld- und Lebensmittelspenden angewiesen sind, wiegt ein Missbrauch besonders schwer. Zumal die Lebensmittel immer nur eine Ergänzung sind, die nie den wöchentlichen Bedarf decken können. "Die meisten Menschen sind aber schon dafür unendlich dankbar - das motiviert einen, weiterzumachen", sagt Seigner. Genauso freut ihn die große Unterstützung der örtlichen Wirtschaft, die, wie er betont, immer ein offenes Ohr für die Tafel habe. "Das wiegt den Ärger auf, den man natürlich auch immer wieder mal hat."
Damit meint der Vorsitzende jedoch weniger die Betrugsversuche Einzelner, sondern die staatlichen Auflagen, die den Tafeln das Leben manchmal schwer machen. "Der Staat müsste flexibler sein, wenn wir mit der Versorgung Bedürftiger schon seine Aufgabe erfüllen." Denn so gern er sein Ehrenamt ausübt, eines steht für Seigner fest: "Es ist schön, dass es uns gibt, aber traurig, dass man uns braucht."
Wer bekommt was? Studie Jeder zweite Vollzeitbeschäftigte verdiente 2010 im Landkreis Kitzingen unter 2524 Euro brutto im Monat.
Das berichtet der DGB. Die Schere zwischen gut und schlecht Ausgebildeten sowie zwischen Männern und Frauen ist groß - aber alle verdienen deutlich weniger als im übrigen Bayern oder den alten Bundesländern insgesamt.
Altersarmut Die Angst vor Altersarmut ist laut DGB nicht unbegründet. Durch die geplante Senkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent müssen Beschäftigte mit einem Einkommen von 2500 Euro 35 Jahre in die Rentenkasse einzahlen, um mehr als die Grundsicherung im Alter zu bekommen. Bei 2200 Euro droht Sozialhilfebedürftigkeit, selbst wenn man 40 Jahre eingezahlt hat.
Zukunft 2010 verdienten im Landkreis Kitzingen mehr als die Hälfte aller vollzeitbeschäftigten Frauen sowie gut 50 Prozent der Arbeitnehmer ohne Berufsschulabschluss weniger als 2200 Euro brutto. Die Folgen der Absenkung des Rentenniveaus werden für viele Beschäftigte in der Region gravierend sein.