Der fränkische Eiswein als Auslaufmodell?

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Skeptischer Blick: Horst Sauer schaut sich den Zustand seiner Silvanertrauben ganz genau an. Bis Mitte Dezember will er auf die richtigen Temperaturen für Eiswein warten. Ansonsten verarbeitet er die Trauben zu Beerenauslesen.
Skeptischer Blick: Horst Sauer schaut sich den Zustand seiner Silvanertrauben ganz genau an. Bis Mitte Dezember will er auf die richtigen Temperaturen für Eiswein warten. Ansonsten verarbeitet er die Trauben zu Beerenauslesen.
Ungebetener Besucher: In Weinbergen am Untermain oder auch bei Thüngersheim kommen nachts die Wildschweine. Auch sie haben Gefallen an edelsüßen Trauben.
Ungebetener Besucher: In Weinbergen am Untermain oder auch bei Thüngersheim kommen nachts die Wildschweine. Auch sie haben Gefallen an edelsüßen Trauben.
 

Der Klimawandel macht auch vor den Weinbergen nicht Halt. Nicht die einzige Gefahr für die süßen Trauben.

Ein Jahr ohne Eiswein? Kaum vorstellbar. Und doch: 2013 wird es eng. Einige renommierte Betriebe verzichten ganz auf die Lese bei eisigen Temperaturen, andere müssen sich mit gefräßigen Störenfrieden herumschlagen. Und über allem steht die Frage, wie sich das Klima weiter entwickeln wird.

Etwa 350 Mitglieder hat der Fränkische Weinbauverband angeschrieben. Gerade einmal sieben haben gemeldet: Jawohl, wir planen auch 2013 mit Eiswein. "Im letzten Jahr waren es ungefähr doppelt so viele Betriebe", berichtet Geschäftsführer Herrmann Schmitt. Ein Argument für die Vorsicht der Weinbauern: der verregnete Herbst. Oder wie es Schmitt ausdrückt: "Das Jahr war hinten raus nicht so einfach für die Winzer."

Etwa drei Mal so viel wie üblich hat es in den Monaten August bis Oktober in Mainfranken geregnet. Die Folge: ein anspruchsvolles Lesegut und viel Arbeit für die Winzer.
Wer nicht im Vorfeld intensive Laubarbeit betrieben und dafür gesorgt hat, dass genug Luft an seine Trauben kommt, der hatte schon zur Hauptlesezeit entsprechend mit Fäulnis zu kämpfen.

Die Lust auf weitere Wochen mit Regen und die Unsicherheit mit dem Eiswein ist etlichen Betrieben vergangen. Zumal der durchschnittliche Ertrag mit 72 Hektoliter pro Hektar unter den Erwartungen lag. Nur die wenigsten Betriebe ließen Trauben für eine Eisweinlese hängen. Das Domänenamt in Castell und das Juliusspital in Würzburg sind nur zwei prominente Beispiele für Betriebe, die in 2013 auf Eiswein verzichten.

"Der Eiswein ist eher was fürs Renommee", sagt der Leiter des Juliusspitals, Otto Kolesch. In diesem Jahrgang müssen Trockenbeerenauslesen und Auslesen fürs Renommee reichen - nicht nur beim Juliusspital. Wie es 2014 aussieht kann natürlich auch Otto Kolesch nicht vorhersagen. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass die Fröste immer weniger werden und immer später kämen. Keine günstigen Voraussetzungen für Eiswein.

Auf lange Sicht sieht das Professor Dr. Heiko Paeth vom Geologischen Institut der Uni Würzburg genauso. "Wir erwarten bis ins Jahr 2100 weniger Fröste in Mainfranken", bestätigt er. Im Schnitt würde die Temperatur sowohl im Sommer als auch im Winter um vier bis fünf Grad steigen. Mit anderen Worten: Die Jahresmitteltemperatur in Mainfranken passt sich dem Wert von Bordeaux an. "Das wird natürlich auch den Rebsortenspiegel verändern", prophezeit der Professor. Eine Prophezeiung, die bereits eingetreten ist. Fränkische Winzer experimentieren längst mit Sorten wie Burgunder oder Cabernet Sauvignon.

Der fränkische Eiswein als Auslaufmodell? Horst Sauer schüttelt bedächtig den Kopf. "Das wäre sehr schade", sagt er. Der Eiswein ist auch typisch für eine Weinregion. Der Escherndorfer hat mit seinen edelsüßen Weinen etliche internationale Preise eingeheimst. Das ganze Jahr arbeitet er darauf hin, dass er seine Kunden auch mit Eiswein versorgen kann. Das fängt bei der Auswahl der Lage an: nicht in der prallen Sonne, lieber am Fuß des Hanges. Denn jedes Minusgrad mehr zählt bei der Lese. Minus sieben Grad sind dem Escherndorfer in der Regel zu wenig. Je kälter, desto höher die Oechslezahl. Im August, September geht er mit seinen Mitarbeitern durch die Weinberge und entfernt die Blätter rund um die Traubenzone. Eine Arbeit, die ihn bis in den Dezember begleitet.

Im letzten Jahr hat Sauer drei Mal Eiswein gelesen. Müller-Thurgau, Riesling, Silvaner. In diesem anspruchsvolleren Jahr hat er nur Silvaner-Trauben hängen gelassen, direkt oberhalb seines Weingutes. Wenn die Temperaturen stimmen, kann es ganz schnell gehen, die Wege sind äußerst kurz. Wenn es bis Mitte Dezember nicht kalt genug wird, verarbeitet Sauer das Lesegut zu Beeren- und Trockenbeerenauslesen.

Hoffnung hegen auch das Weingut Wirsching in Iphofen oder die Winzergemeinschaft Franken in Repperndorf. "Wir warten auf den ersten richtigen Frost", sagt Armin Huth, Verkaufsleiter bei Wirsching. Anfang Dezember, so seine Erfahrung, ist eine entscheidende Zeit. "Eine Wetterscheide", sagt Huth. Hängen die Riesling-Trauben bis Weihnachten, würde das Weingut sie auch ohne Frost einholen und zu Trockenbeerenauslesen verarbeiten. "Kommt der Frost zu spät, zersetzen sich die Trauben", erklärt Huth.

Für die GWF ist Eiswein nicht nur gut fürs Renommee. Er hat auch einen finanziellen Aspekt. "Gerade in Ländern wie Japan oder China knien die Menschen nieder vor Eiswein", sagt der geschäftsführende Vorstand, Michael Schweinberger. "Der Eiswein hat dort fast schon Kultstatus erreicht." Einen knappen Hektar hat die Genossenschaft noch in ihren Weinbergen hängen. Gesunde Bestände, wie Schweinberger versichert. Bestände, die nicht nur bei Japanern und Chinesen auf großes Interesse stoßen. In den heimischen Wäldern leben Eisweinliebhaber auf vier Pfoten.

Fränkische Wildschweine machten sich in den letzten Wintern vermehrt über Weinberge her. Die Gegend rund um Thüngersheim und der Untermain waren bislang besonders betroffen. Auch eine Anlage der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim war schon betroffen. Als hohes Risiko stuft Hermann Schmitt die Tiere deshalb für einige Weinlagen ein. "Die Wildschweine pflügen den Boden um und fressen die Trauben", berichtet Schmitt. "Die edelsüßen schmecken ihnen anscheinend besonders gut. "

Wenigstens diese Sorge hat Horst Sauer nicht. Wildschweine sind in Escherndorf kein Thema. Der Eiswein schon. "Und das hoffentlich noch lange", sagt er.