Der Grundstein für die Raiffeisenbank Kitzinger Land eG wurde vor 135 Jahren in Großlangheim gelegt. Inzwischen ist die Zahl der Mitglieder auf 3680 Mitglieder angewachsen. Ein Ehrenabend gab Anlass für einen Blick zurück.
Die Entwicklung der Raiffeisenbanken im Landkreis Kitzingen hat Erich Schmitt hautnah miterlebt. Als er 1972 zum Vorstandvorsitzenden gewählt wurde, waren die bis dahin selbstständigen Raiffeiseneinrichtungen in Rödelsee und Kleinlangheim schon mit Großlangheim vereinigt. Einen Neubau sollte es in Großlangheim nicht sein, die Bank entschied sich für den Teilneubau der ehemaligen Zehntscheune. Es war die Zeit, als der bis dahin noch vorhandene Warenbetrieb wegen der Konkurrenz aufgegeben wurde. Auf diese und viele weitere Geschichten blickte die Raiffeisenbank Kitzinger Land beim großen Festabend zum 135-jährigen Bestehen zurück, der am Freitagabend in Großlangheim begangen wurde.
"Ausschüttungen gab es erst ab der Fusion mit Obernbreit", erinnert sich Erich Schmitt und nennt auch den Grund: das ausgeschüttete Geld sollte in den Dörfern bleiben.
Zunächst war die große Frage, mit welcher Raiffeisenbank Großlangheim verschmelzen sollte: Wiesentheid oder Kitzingen. Die Wahl fiel jedoch auf Obernbreit, das sich ähnlich gut aufgestellt präsentierte. Die Verhandlungen zur Vereinigung führte Erich Schmitt noch, dann trat er 1999 nach 27 Jahren Vorstandsvorsitz nicht mehr an. "Wichtig war für mich, dass es weiter geht. Ich war durch und durch Genossenschaftler."
Damit war für Schmitt das jetzt fast abgelaufene Jahr sicher ein wichtiges - wie Bankdirektor Albrecht Hack bei der Feier erklärte, war es das internationale Jahr der Genossenschaften. Für die Bank war das auch ein Grund, das ungewöhnliche 135-jährige Gründungsjubiläum zu begehen. "Die Wurzeln liegen in Großlangheim, als 85 Männer und Frauen am 15.
Dezember 1877 dem damaligen Geist neuer Bewegungen gerecht wurden", skizzierte Hack den Grundgedanken von damals: was einer nicht schafft, schaffen viele. Heute hat die Raiffeisenbank Kitzinger Land 3680 Mitglieder.
Der Wert der Genossenschaften liegt für Alexander Büchel im immateriellen Bereich - als Festredner nannte das Vorstandsmitglied des Genossenschaftsverbandes Bayern Solidarität, Regionalität und Genossenschaftsgeist als die wichtigsten Bausteine. 1877 sei bei wirtschaftlicher Stagnation sicher keine einfach Zeit gewesen, denn die sozialen Absicherungssysteme seien erst später eingeführt worden. Einige Bürger folgten dem Gedanken Friedrich Wilhelm Raiffeisens und gründeten den Kreditverein, da von außen keine Hilfe zu erwarten war.
"Die Genossenschaftsform wurde nicht ohne Grund gewählt, denn so konnten konkrete Probleme gemeinsam gelindert werden." Gegangen sei es meist um Kleinkredite.
Mit dieser Entscheidung sei die Bank 135 Jahre lang gut gefahren, habe zwei Weltkriege, zwei Währungsreformen, mehrere Regierungsformen und die deutsche Teilung sehr gut bewältigt. Dabei sei die Bank stets mit der Zeit gegangen und habe sich mit anderen Raiffeisendarlehenskassen zusammengetan - aber nie zulasten der Regionalität. Dank der Genossenschaftsbanken als Partner der Wirtschaft habe die Volkswirtschaft Krisen weit besser bewältigt, als das in anderen Ländern der Fall sei, obwohl auch ihre Unternehmer in Schwierigkeiten gerieten.
Büchel warf die Frage auf, ob bei den vermehrt aus Berlin und Brüssel kommenden Rahmenbedingungen Banken, überhaupt noch erwünscht seien, denn Großbanken und Raiffeisenbanken würden gleich behandelt.
Dies belastete die vor allem regional tätigen Mittelstandsbanken, obwohl sie in der Vergangenheit für Stabilität sorgten.
Armut aktiv entgegentreten Hinter dem Vorhaben, einen Darlehenskassenverein zu gründen, stand der Gedanke, Armut durch Bildung von Solidargenossenschaften entgegen zu treten, berichtete Bankdirektor Reinhold Weber. Besonders bemerkenswert sei, dass sieben Frauen zu den Gründungsmitgliedern zählten, obwohl sie damals noch gar kein Wahlrecht besaßen. Die als "Verein" bezeichnete Kasse wurde 1919 in das Genossenschaftssystem eingegliedert. Sie vergab Kredite zwischen 30 und 2000 Reichsmark, um Anschaffungen und Reparaturen bezahlen zu können. "Das ist bis heute so geblieben - nur die Beträge sind höher", merkte Weber an.
Im 1909 gegründeten Darlehenskassenverein Kleinlangheim habe es höhere Kredite gegeben, da dort etwas mehr Wohlstand herrschte. Nach den Verschmelzungen lag das Geschäftsvolumen bei zwölf Millionen Mark und erreichte bis 2001 einen Wert von 87 Millionen Mark. Als 2003 die Verschmelzung zur Raiffeisenbank Kitzinger Land stattfand, lag das Geschäftsvolumen bereits bei 140 Millionen Mark. Webers Rückblick verdeutlichte den Mut der Gründer, wirtschaftlicher Not in solidarischer Gemeinschaft zu begegnen.
Bei dieser beeindruckenden Erfolgsgeschichte fand Landrätin Tamara Bischof, dass 135 Jahre Grund genug seien, zu feiern. "Nach zeitweiligem Zweifeln ist das Genossenschaftsmodell heute wieder in, denn es zeigt, dass Genossenschaften funktionieren können." Gerade Sparkassen und Genossenschaftsbanken seien anders als Großbanken noch im ländlichen Raum verwurzelt als Partner von Kommunen und Unternehmen.
Hack und Weber hatten bereits 72 Mitglieder für 25, 50 und 60 Jahre Mitgliedschaft ausgezeichnet. Im Rahmen der Feierstunde erhielten die Bürgermeister von Rödelsee, Burkhard Klein, und Obernbreit, Bernhard Brückner, Urkunden für langjährige Treue. Rödelsee gehört seit 80 Jahren zur heutigen Bank, Obernbreit schon seit 90 Jahren. "Beide Dörfer erkannten schon damals, dass gemeinsames Vorwärtsstreben die Zukunft ist", merkte Hack an.
Die Feier wurde vom Kaffeehausensemble Eitel mit der Sopranistin Eva Hajkova Endres musikalisch umrahmt.