Busunglück bei Münchberg: Notfallseelsorger spricht über Trauernde, Retter und Gaffer

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Das Wrack des ausgebrannten Reisebusses an der Unglücksstelle auf der Autobahn 9 bei Münchberg. Foto: Nicolas Armer/dpa
Das Wrack des ausgebrannten Reisebusses an der Unglücksstelle auf der Autobahn 9 bei Münchberg. Foto: Nicolas Armer/dpa
Andreas Stahl, Notfallseelsorger. Foto: pr
Andreas Stahl,  Notfallseelsorger. Foto: pr
 

"Die Menschen reagieren immer gleich", sagt Notfallseelsorger Andreas Stahl. Er unterstützte die Überlebenden an der Unfallstelle und betete für die Toten.

Das Leid trifft die Menschen einzeln. Auch bei einem großen Unglück mit vielen Toten spürt jeder Betroffene einen anderen Verlust: seinen Verlust. "Man muss das Leid der Menschen, das jeder Familie, einzeln sehen", sagt Andreas Stahl. Der Diakon aus Nürnberg ist in der Evangelischen Landeskirche der Stellvertretende Beauftragte für die Notfallseelsorge. Er kümmert sich um die Fort- und Weiterbildung seiner Kollegen in Nordbayern. Aber er kennt auch die Praxis. Am Montag Morgen war er noch bei einer Sitzung in München. Am Mittag ist er auf dem Weg zur Unfallstelle bei Münchberg.


Kurz nach Hause: neue Klamotten

Ob er die Sitzung abgebrochen hat? "Ja", sagt der 47-Jährige am Telefon, "so ein Einsatz hat Priorität vor jeder Sitzung." Er wolle nur kurz nach Hause: Klamotten wechseln. Seine Kollegen in Münchberg brauchen schnell Unterstützung. Es ist einer dieser Unfälle, bei denen die Überlebenden eine psychisch traumatisierende Situation erfahren. Bei der Notfallseelsorge geht es um solche akuten Krisensituationen. Darum, zu begreifen, wie zerbrechlich das Leben ist, und dass sich in einem Moment alles verändern kann. "Die Menschen reagieren immer gleich. Trauer und Verlust sind die normale Reaktion der Angehörigen."


Zusammenarbeit der Helfer

Auch der Ablauf ist immer gleich. "Dafür sind alle Beteiligten ausgebildet." Die Einsatzkräfte am Unfallort alarmieren die Notfallseelsorge der Kirchen und die Krisenintervention der Hilfsorganisationen. Sie sind genau wie Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste Teil des Einsatzteams. "Einige kümmern sich direkt an der Unfallstelle um die Menschen. Die Krankenhausseelsorge unterstützt dann vor allem die Verletzten", erklärt Stahl. Obwohl er selbst erst Stunden nach dem Busunfall als Unterstützung am Unglücksort eintrifft, wird er dringend benötigt. Es sind viele Menschen zu betreuen. "Mit ein oder zwei Seelsorgern ist es da nicht getan." Andreas Stahl wird am Telefon langsam unruhig. Er muss weiter, er weiß nicht, was ihn erwartet.

Später am Abend erklärt er in einem erneuten Telefonat, dass die Einsatzstelle nun zurückgebaut wird. Für die Retter, aber auch für die 25 Notfallseelsorger und zwei Helfer des Kriseninterventionsteams der Bergwacht ist der Einsatz fast zu Ende. "Feuerwehr und Rettungsorganisationen bekommen aber noch eine Nachsorge."
Oft wird auch denjenigen geholfen, die als Augenzeuge mit so einem Erlebnis fertig werden müssen. "So weit es machbar ist", sagt Andreas Stahl. "Bei größeren Notfällen ist das schwierig." Mit dem Busunfall hatten viele Menschen in irgendeiner Weise zu tun. Das allgemeine Interesse war groß.


Decken schirmen vor Blicken ab

Genau wie über das Verhalten der Angehörigen sagt Stahl über Schaulustige: "Die Menschen reagieren immer gleich". Es ist normal, dass wir uns für solche Unglücke interessieren. Relativ neu ist, dass Gaffer am Unglücksort Fotos schießen und ins Internet stellen. "Für Angehörige ist es manchmal schlimm, wenn Menschen gucken." Wenn die Notfallseelsorger das bemerken, bitten sie die Einsatzkräfte um Hilfe. "Sie halten dann eine Decke hoch und schirmen die Betroffenen vor neugierigen Blicken ab."


Gaffer und Gebete

Stahl sieht die Schaulustigen manchmal als Belastung - vor allem, wenn sie Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit behindern. Im Mai hatten Horden von Neugierigen, die einen Unfall auf der A 6 mit dem Handy fotografierten, Empörung verursacht und eine Diskussion über härtere Strafen für Gaffer verursacht. Andreas Stahl kennt das Problem aus der Praxis, denn er ist seit 25 Jahren ehrenamtlicher Rettungssanitäter. Bei diesem Einsatz war er aber als Notfallseelsorger unterwegs. Er hat mit Überlebenden gebetet. In einer kurzen Andacht am Unfallort. "Das ist so üblich." Und mit denen, die es wollten, auch alleine, denn das Leid trifft jeden Menschen einzeln. Auch bei einem Massenunfall.