Zwei flexible Schulen im Profilversuch

3 Min
Schüler mehrerer Klassen lernen in der "flexiblen Klasse" zusammen und das Vorrücken entscheidet sich nach dem individuellen Erfolg. Ein pädagogisches Modell, das an den Grundschulen in Oberaurach und Kirchlauter erprobt wird. Foto: Symbolbild/Frank Leonhardt dpa/lby
Schüler mehrerer Klassen lernen in der "flexiblen Klasse" zusammen und das Vorrücken entscheidet sich nach dem individuellen Erfolg. Ein pädagogisches Modell, das an den Grundschulen in Oberaurach und Kirchlauter erprobt wird.  Foto: Symbolbild/Frank Leonhardt dpa/lby

Die Grundschulen Oberaurach und Kirchlauter nehmen an einem bayernweiten Test teil, in dem das Vorrücken bis zur dritten Klasse für jeden Schüler individuell gehandhabt wird.

Im Bereich des Schulamtes Haßberge begann am Dienstag für 4 247 Schüler in 207 Klassen das neue Schuljahr und in einer durchschnittlichen Klasse sitzen damit 20 Schüler. Allerdings werden diese schon seit einiger Zeit nicht mehr ausschließlich in einer reinen Jahrgangsklasse unterrichtet, sondern zunehmend spricht man auch von "jahrgangsgemischten Klassen" , von "Kombi-Klassen", und auch von der "flexiblen Grundschule" ist die Rede. An diesem Modellversuch "flexible Grundschule" beteiligen sich derzeit die Grundschulen in Oberaurach und Kirchlauter.
Dieser Modellversuch startete in Bayern ab dem Schuljahr 2010/11 an 20 Schulen. Im letzten Schuljahr waren es schon 151, und ab diesem Schuljahr 2015/16 kommen noch einmal 37 Schulen dazu, sodass nun an 188 bayerischen Grundschulen nach diesem Modell unterrichtet wird, in dem die ersten beiden Jahrgangsstufen in ein, zwei oder drei Jahren durchlaufen werden können.


Alle in einer Klasse

Natürlich ist dieses Modell nicht ganz neu, denn früher waren ungegliederte, jahrgangsgemischte Klassen, also Klassen mit mehreren Jahrgängen in einer Klasse unter Führung einer Lehrkraft üblich. Die älteren Bürger erinnern sich noch gut daran, dass sie in einer Schule mit einer Klasse 1 bis 4 unterrichtet wurden und vereinzelt gab es sogar die Klassenbildung 1 bis 8. Eine wohnortnahe Beschulung, so ist das Fachwort für das Angebot von Schulbildung, bei der man auch noch größere Strecken zu Fuß gehen musste und es keinen Schulbusverkehr gab, wäre besonders in ländlichen Regionen sonst überhaupt nicht möglich gewesen.
Seit der Schulreform in den 1960er-Jahren wurde die altershomogene Jahrgangsklasse in Bayern die Regel, und man feierte dies auch als großen Fortschritt. Dennoch kam es in der Vergangenheit dann wieder zu "Kombi-Klassen", um die Schule am Ort aufrecht zu erhalten oder auch um einen pädagogischen Sonderweg zu gehen. In der "Mittelschule" hat man jedoch durch die Bildung von "Mittelschulverbünden" wieder eine andere Richtung eingeschlagen, während in der Grundschule das Schlagwort "kurze Wege für kurze Beine" die Runde machte. Auch deswegen tendiert man dort zu anderen Lösungen.
So werden in diesem Schuljahr neun "jahrgangsgemischte Klassen" in den beiden ersten Jahrgängen beschult: in Oberaurach und Kirchlauter je zwei sowie in Ebelsbach, Ebern, Knetzgau, Untermerzbach und Burgpreppach je eine. Dazu kommen sogar zwei "jahrgangsgemischte Klassen" für die Jahrgangsstufe 3 und 4 in der Grundschule Untermerzbach und in der Grundschule Ebern (Außenstelle Rentweinsdorf).


Individuelle Erfolge

Für einen besonderen "Profilversuch" haben sich dabei die Grundschulen in Kirchlauter und Oberaurach beworben, nämlich als "flexible Grundschule". Hier können oder dürfen die Grundschüler ein, zwei oder drei Jahre brauchen, bis sie in die dritte Klasse kommen und sie können in die dritte Klasse, ohne vorher "durchgefallen" zu sein. Auswirkungen hat dies auch schon bei der Einschulung, denn die Zurückstellungsquote sinkt. Dahinter steht das Konzept oder Ziel, das schulische Angebot der ersten und zweiten Jahrgangsstufe verstärkt an die individuelle Entwicklung des einzelnen Kindes anzupassen.
Manche Kinder lernen schnell, andere brauchen in der Grundschule etwas länger. Ältere Schüler können den "Neulingen" helfen, gute Schulanfänger dürfen schon mal bei den "Zweitklässern" mitmachen. Die neue Struktur soll dies stärker berücksichtigen.
Dennoch gibt es auch "gemischte Gefühle" unter den Beteiligten, die nicht einfach von der Hand zu weisen sind.
Ohne Zweifel kommt die "flexible Grundschule" den Kindern entgegen, die etwas länger brauchen. Positiv ist deswegen die vorgesehene bessere individuelle Förderung der Schüler, die sich auch besser an die Entwicklung der Kinder anpasst. Aber was ist mit den "schnelleren Schülern"? Die so genannten "Zweitklässer" empfinden dann vielleicht die Kleinen als "Bremse". Genährt wird auch die Meinung, dass Schüler der 1. Klasse schneller lernen, aber in der 2. Klasse, wenn die Abc-Schützen dazu kommen, wieder zurückfallen. Untersuchungen haben gezeigt, dass in einer solchen Klasse die Streuung in der Leistungsentwicklung recht groß und unterschiedlich ist. Auf der anderen Seite würden Schüler ein positives Selbstkonzept und einen guten Zusammenhalt in der Klasse entwickeln.


Der Lehrplan steht fest

Ein anderer Zwiespalt ist die Tatsache, dass das Wissen für jeden Schüler nun im angemessenen Tempo erarbeitet wird, aber am Ende doch der Lehrplan erfüllt werden muss. Manche Eltern beklagen sich deswegen über zu viele Hausaufgaben oder darüber, dass grundlegende Fertigkeiten wie das Einmaleins zu kurz oder zu knapp kommen. Auch geht der Blick vieler Eltern in Richtung Übertritt. Sie fordern zu Recht eine gute Vorbereitung auf die Übertrittsphase.
Einer "jahrgangsgemischten Klasse" in der 3. und 4. Klasse stehen die Eltern also noch weit kritischer gegenüber. Schließlich sei die 4. Klasse die "Gelenkstelle" im Bildungssystem in den meisten Bundesländern. Dies stellt sowieso besondere Aufgaben an Lehrkräfte, Schüler und Eltern.
Auch für die Lehrkräfte ist das Unterrichten in einer solchen "flexiblen Grundschule" oder "jahrgangsgemischten Klasse" eine besondere Herausforderung und führt zu zusätzlichen Arbeitsbelastungen. Hier erwarten die Lehrer eine noch bessere Unterstützung für solche Klassen, vor allem personell.
Der Erfolg dieses Modells stehe und falle somit mit der Motivation der Lehrer, ist eine Meinung, und Lehrer müssten auch entsprechend dafür ausgebildet sein.
Am Rande spielt nicht selten auch der Wunsch der Gemeinde oder auch der Bürger nach dem Erhalt "ihrer Schule" eine besondere Rolle. Ohne "jahrgangsgemischte Klassen" stünden so kleine Grundschulen wie die in Untermerzbach oder Burgpreppach schon vor besonderen Problemen.
Ob allerdings auch "jahrgangsgemischte Klassen" ohne besondere Not wegen Erhalt der Schule oder aus anderen organisatorischen Gründen gebildet werden sollen, muss pädagogisch sehr sorgsam mit allen Beteiligten vor Ort erörtert werden. Auf jeden Fall sollten die Schüler und ihre Förderung stets im Mittelpunkt stehen. Bei den Grundschulen Untermerzbach und Burgpreppach sieht man deutlich, dass solche Modelle der Zahl der Schüler geschuldet sind. Befürworter meinen, dass bei entsprechender Personalausstattung solche "Kombi- oder Flexi-Klassen" auch nicht schlechter seien. Ob sie besser sind, stehe auf einem anderen Blatt.