Stettfelder Kinder spielen im Asthaus und in der Tablet-Ecke

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"Schau mal", sagt Leo und eilt mit seinen kleinen Beinchen schneller den Berg hinauf, als man schauen kann: "Das ist mein Haus." Luisa glättet mit einem Ast die "Fassade" und Lena lässt sich immer wieder auf das weiche Laub fallen. Fotos: Sarah Dann
"Schau mal", sagt Leo und eilt mit seinen kleinen Beinchen schneller den Berg hinauf, als man schauen kann: "Das ist mein Haus." Luisa glättet mit einem Ast die "Fassade" und Lena lässt sich immer wieder auf das weiche Laub fallen. Fotos: Sarah Dann
Das Öko-Kids-Zertifikat hängt normalerweise im Kindergarten. Für das Foto wurde es in den Wald entführt. Foto: Sarah Dann
Das Öko-Kids-Zertifikat hängt normalerweise im Kindergarten. Für das Foto wurde es in den Wald entführt. Foto: Sarah Dann
 
Die Kindergartenkinder des St. Johannes Kindergarten in Stettfeld haben sogar einen eigenen Container am Waldrand stehen. Foto: Sarah Dann
Die Kindergartenkinder des St. Johannes Kindergarten in Stettfeld haben sogar einen eigenen Container am Waldrand stehen. Foto: Sarah Dann
 
Leo ist besonders stolz auf sein Asthaus, das er mit einer Freundin gebaut hat.Foto: Sarah Dann
Leo ist besonders stolz auf sein Asthaus, das er mit einer Freundin gebaut hat.Foto: Sarah Dann
 
Bei der Übergabe der Schlaumäuse wurde den Kindern gezeigt, wie die Tablets funktionieren.Foto: Sarah Dann
Bei der Übergabe der Schlaumäuse wurde den Kindern gezeigt, wie die Tablets funktionieren.Foto: Sarah Dann
 
Wer klickt zuerst richtig?Foto: Sarah Dann
Wer klickt zuerst richtig?Foto: Sarah Dann
 
"Ich", "nein, ich" - fleißig drücken die Kinder auf den einzelnen Symbolen auf dem Tablet herum. Das Spiel ist bekannt und wird nicht nur auf dem Computer gespielt: Memory. Fotos: Sarah Dann
"Ich", "nein, ich" - fleißig drücken die Kinder auf den einzelnen Symbolen auf dem Tablet herum. Das Spiel ist bekannt und wird nicht nur auf dem Computer gespielt: Memory. Fotos: Sarah Dann
 

Von Waldtagen und Tablet-Ecken im Kindergarten im Landkreis Haßberge. Oder: Wie sich in den letzten Jahren die Arbeit der Erzieher in den pädagogischen Einrichtungen weiterentwickelt hat. Und das nicht nur in in Stettfeld.

Luisa, Lena und Leo muten ihren Klamotten einiges zu. Schon um fünf nach neun am Mittwochmorgen haben ihre Buddelhosen einen braunen Schleier, denn es ist wieder mal "Waldtag" im Kindergarten St. Johannes in Stettfeld. Szenenwechsel, ein anderer Tag, ein anderer Ort: Eine Dreijährige sitzt mit ihrer Familie in einem Restaurant und wartet auf ihre Portion Pommes. Solange wischt sie mit ihrem kleinen Zeigefinger über das Smartphone ihrer Mutter. Kinder, die souverän das Smartphone oder Tablet von Mama und Papa bedienen, sind bei weitem keine Seltenheit mehr.

Und weil schon die Kleinen so fit in Sachen Technik sind, gibt es mittlerweile sogar Tablet-Ecken in einigen Kindertagesstätten - so wie in Stettfeld. Doch "im Kindergarten sind Tablets nicht zum Spielen, sondern zur Umsetzung von Lernprogrammen da", sagt Katharina Tschischka. Sie ist Sozialpädagogin und für das Kreisjugendamt die Kindergartenfachaufsicht.
Es geht darum, "Kindern einen bewussten und verantwortlichen Umgang mit den Medien" beizubringen. Mobile Lernprogramme wie die "Schlaumäuse" (wir berichteten am 24. Oktober) auf der einen Seite, Waldtage und Stichworte wie Nachhaltigkeit, die schon an die Kleinsten herangetragen werden, auf der anderen. Denn Kinder, die bei einem Spaziergang am Sonntag lernen, was für Bäume im Wald stehen, gibt es offenbar immer weniger.

Ein Spaziergang mit den Eltern

Irmgard Markert, von allen nur Irmi genannt, ist seit vielen Jahren Erzieherin. Eines habe sich in dieser Zeit geändert: "Wer geht denn noch mit seinen Kindern in den Wald?" Dass der St.-Johannes-Kindergarten aus Stettfeld also alle zwei Wochen einen Vormittag im Wald verbringt, hat weniger etwas damit zu tun, dass die Erzieherinnen so gerne an der frischen Luft sind, sondern viel mehr damit, dass es "Aufgabe der Pädagogen ist, den Kindern Naturerfahrungen zu ermöglichen", sagt Tschischka.

"Ganz automatisch werden hier draußen die grobmotorischen Fähigkeiten gefördert", während die Erzieherin Irmi Markert ihren Satz beendet, kämpft sich der nächste Zwerg im Michelin-Männchen-Anzug den Berg hinauf. "Die Dreijährigen haben schon manchmal zu kämpfen", sagt die Erzieherin, "gerade wenn es so kalt ist, da darf man selbst nicht frieren." Anfangs musste sie den Eltern schon sagen, dass es ohne die richtige Kleidung - wie zum Beispiel die Buddelhandschuhe - nicht geht. Mit vier Aufsichtspersonen sind die Kindergartenkinder von drei bis sechs Jahren draußen - auch wenn das Wetter mal nicht so schön ist. Und zur Not steht da immer noch ein dunkelgrüner Container, in den sich die Gruppe drängen könnte.

Eines Tages hörten die Kinder am Waldtag Motorsägen aufheulen. Schnell war klar: Da werden Bäume gefällt. "Die Kinder wollten von uns wissen, warum das passiert", sagt Markert. Ihre Kollegin Maria Schreiner bereitete den Kahlschlag am Stettfelder Waldrand so auf, dass die Frage im Vordergrund stand: "Von welcher Bedeutung ist der Wald für uns Menschen?" Die Kinder sollten mit Aktionen die Aufgaben und Nutzen eines Waldes begreifen. "Für unsere Waldkinder war eindeutig, dass dringend neuer Wald aufgebaut und geschützt werden muss", sagt Markert. Also war die Gruppe bei der Aufforstung mit dabei. Wer von dem Kahlschlag nichts weiß, sieht davon heute nichts mehr.

Natur, Inklusion, Betreuungszeit

Nicht nur in Stettfeld wird im Kindergarten mehr als gespielt. Beispielsweise der Kindergarten "Pfiffikus" in Pfarrweisach erhielt 2011 die Öko-Kids-Auszeichnung, und auch in Memmelsdorf, Limbach oder Ebern dreht sich im Kindergartenalltag viel um das Thema Natur. Doch nicht nur inhaltlich hat sich in der Betreuungsarbeit einiges verändert, erklärt Tschiscka.

Die Kindertageseinrichtungen müssen verstärkt auf die Bedürfnisse der Familien nach erweiterten Öffnungszeiten reagieren - "was aber im Prinzip schon jetzt erfolgt", so Tschischka. Dass Familie und Beruf besser vereinbar sein müssen, ist eine gesellschaftliche Entwicklung. "Einen großen Stellenwert nimmt heute auch die Dokumentation der Entwicklung des einzelnen Kindes ein, (...) um dem Kind eine bestmögliche Teilhabe zu ermöglichen", sagt Tschischka. Ein anderer Schwerpunkt ist die "Inklusion". Aufgabe ist es, Hindernisse und Barrieren aufzulösen und eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen.
Ganz aktuell fordert die Kindergärten in der Region, dass bis zum Jahresende mit mehr als einer Verdoppelung der Asylbewerberzahlen im Vergleich zum Vorjahr gerechnet wird. Darunter auch viele Kinder, die kaum oder gar nicht deutsch sprechen, wie die Regierung für Unterfranken mitteilte. Derzeit werden in zehn Einrichtungen im Landkreis Kinder von Asylbewerbern betreut. "Dies ist gerade für die Kindergärten, die bislang keine oder nur wenig Erfahrungen mit ausländischen Kindern hatten, eine große Herausforderung", sagt Tschischka.

Spielen verbindet

Im November veranstaltete die Regierung einen Fachtag, bei dem Referenten aus den Bereichen Kindheitspädagogik sowie Sprachwissenschaft und Trauma-Therapie Informationen an die Erzieher, die oft schwer traumatisierte Flüchtlingskinder betreuen müssen, weitergaben. Obwohl eine gemeinsame Sprache mit die wichtigste Verbindung zwischen zwei Menschen ist: Um kichernd Buddelhosen einzusauen, braucht es keine Worte, in diesem Fall auch keine elektronischen Geräte, sondern Aktionen wie Waldtage mit selber gebauten Häusern, Dreckgesichtern an Baumstämmen und umgefallenen Bäumen, die in Kinderaugen Schiffe sind.