Minderjährige Flüchtlinge stellen die Landkreise vor neue Herausforderungen. Familienanschluss statt Heim, das wünscht sich der 15-jährige Ahmed. Arbeit hat er in Seßlach bereits gefunden.
"Ich möchte gern in einer Familie leben." Ahmed (Name von der Redaktion geändert*) ist mit 15 Jahren in einem Alter, in dem Kinder normalerweise noch zuhause gemeinsam mit ihren Geschwistern bei den Eltern aufwachsen. Stattdessen hält sich der junge Ägypter als sogenannter minderjähriger Flüchtling seit Sommer allein in Deutschland auf.
Seinen Heimatort im Nildelta, rund hundert Kilometer nördlich von Kairo, hat Ahmed vor einem Jahr verlassen, um sicher in Europa zu leben. Übers Mittelmeer und Italien gelangte der Jugendliche nach Deutschland, allein sieben Tage habe er auf einem Boot zugebracht, erzählt er. In Ägypten zurück blieben seine Mutter und vier Geschwister. "Mein Vater ist tot", berichtet Ahmed traurig.
Über München gelangte der Flüchtling in die Region, die Jugendhilfe-Einrichtung "Pro.Ju" in Hafenpreppach bietet ihm seit einem Jahr ein temporäres Zuhause. Leiter Holger Hörner fragte bei der Suche nach Praktika für seine Schützlinge bei der Seßlacher Bäckerei Schoder nach. Deren Chefin, die sozial engagierte Unternehmerin Ursula Schoder, zögerte nicht lang und bot dem schlaksigen jungen Mann einen Ausbildungsplatz als Bäcker an.
Arbeitsbeginn um 6 Uhr Nun steht Ahmed seit Anfang August von montags bis freitags frühmorgens um sechs Uhr in der Backstube und lernt, wie man Körnerbrötchen, Brezeln und Vollkornbrot zubereitet. Nein, das einfache ägyptische Landbrot, aisch baladi genannt, vermisse er nicht, schüttelt der sympathische junge Mann auf Nachfrage seinen Kopf, und fügt hinzu: "Ich mag deutsches Brot." Auch das frühe Aufstehen bereite ihm keine Probleme.
Da der junge Mann in der Wohngruppe in Hafenpreppach untergebracht ist, wird er vom Landratsamt Haßberge betreut. Sein Vormund Sebastian Stretz versucht "eine engagierte Pflegefamilie in Seßlach" für Ahmed zu finden, um ihm ein neues Zuhause zu bieten. "Es wäre schön, wenn dieser freundliche, hilfsbereite junge Mensch die Chance hätte, in einer festen Familienstruktur mit gesellschaftlichem Anschluss aufzuwachsen", sagt Stretz.
Auch beim Landratsamt Coburg ist der junge Ägypter bereits bekannt. Angelika Sachtleben, Leiterin des Amts für Jugend und Familie des Landkreises Coburg, unterscheidet zwei Gruppen der minderjährigen Flüchtlinge: "Während diejenigen, die aus Kriegsgebieten kommen, schwer traumatisiert sind und erst einmal Hilfe brauchen, haben die anderen in jungem Alter tausende von Kilometern auf merkwürdige Weise zurückgelegt und dabei Selbstständigkeit entwickelt", schildert Sachtleben.
Einer der "Willigen" Achmed zählt sie zu dieser zweiten Gruppe der "Willigen": "Die wollen Deutsch lernen, sich Kenntnisse aneignen und eine Ausbildung machen."
Erste beachtliche Deutschkenntnisse hat Ahmed über "Pro.Ju" erworben, wo seit anderthalb Jahren alleinstehende minderjährige Flüchtlinge betreut werden, momentan sind es fünf.
"Er kam zu uns als Analphabet", schildert Hörner. Über einen Dolmetscher habe der Jugendliche parallel zur Fremdsprache Deutsch erst einmal Arabisch lesen und schreiben lernen müssen.
Nun besucht er die Berufsschule in Kronach. Großes Engagement bescheinigt ihm der "Pro.Ju"-Leiter, in Anbetracht seines jungen Alters habe sich der 15-Jährige sehr gut entwickelt: "Wir sind alle sehr zufrieden mit ihm." Anders als seine beiden Mit-Ankömmlinge, die inzwischen als Volljährige allein wohnen können und nur noch ambulant betreut werden, brauche Ahmed weiterhin Betreuung.
Ursula Schoder unterstützt ihren Lehrling in seiner Entwicklung. "Man muss ihn fordern", sagt sie. Unter der Woche stellt ihm die Unternehmerin ein Zimmer über der Bäckerei in Seßlach zur Verfügung, Familienanschluss kann und möchte sie ihm aber keinen bieten: "Ich habe als seine Chefin schon ein anderes Verhältnis zu ihm", gibt Schoder zu bedenken, deren Bäckerei auch im Landkreis Haßberge mit Verkaufsstellen vertreten ist.
Einstweilig untergekommen Vorerst hat der Halbwaise einen Platz in der Jugendhilfeeinrichtung in Hafenpreppach, in der er jetzt noch seine Wochenenden verbringt.
"Ich will nicht allein bleiben", bekräftigt Ahmed erneut, einsam fühle er sich in seinem Zimmer in Seßlach. Nach gut einem Jahr fern der Heimat merkt man dem 15-Jährigen sein Heimweh an. Gern würde er seine Mutter besuchen, erzählt der Auszubildende. Doch vorerst beschränkt sich sein Kontakt zur Heimat aufs Telefon: Einmal in der Woche telefoniert der Flüchtling ausgiebig mit seiner Familie im ägyptischen Abo Shlaby.
Vielleicht findet sich ja doch eine Ersatz-Familie in Seßlach oder Umgebung?
Jugendliche suchen familiären Anschluss Derzeit leben drei minderjährige unbegleitete Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten im Landkreis Coburg und zwölf im Landkreis Haßberge. In Coburg konnten alle dezentral in Pflegefamilien untergebracht werden, in Haßfurt sind Einrichtungen wie "Pro.Ju" erste Anlaufstelle.
Die Kinder und Jugendlichen kommen überwiegend aus Syrien, auch aus Somalia, Afghanistan und der Ukraine.
Wer vor einem Bürgerkrieg geflohen ist, zeigt starke Anzeichen einer Traumatisierung. Nicht selten haben diese Kinder und Jugendlichen ihre Eltern auf der Flucht verloren, oder sie wurden gezielt von ihren Familien ins sichere Ausland geschickt.
Für Januar werden in Coburg weitere zehn bis 15 junge Menschen erwartet. "Wir müssen abwarten, in welcher Verfassung sie sein werden", sagt die Leiterin des Amts für Jugend und Familie des Landkreises, Angelika Sachtleben. "Die Art des Ballasts, den die Neuankömmlinge mitbringen, müssen wir bei der Art der Unterbringung berücksichtigen."
Betreute Gruppe geplant In Rossach soll eine pädagogisch betreute Wohngruppe für Jugendliche eingerichtet werden. Da weibliche Flüchtlinge ohne Begleitung von Sorgeberechtigten wegen ihrer Erlebnisse auf der Flucht in der Regel der besonderen Betreuung und Fürsorge bedürfen, sind sie in einer speziellen Einrichtung in München untergebracht.
Auch minderjährige Alleinstehende, die kein Asyl beantragen können, genießen zumindest den sogenannten. "subsidiären Schutz", durch den sie nicht abgeschoben werden dürfen, weil ihnen in ihrer Heimat Gefahren an Leib und Leben drohen könnten.
Wer Interesse hat, Ahmed aufzunehmen, kann sich an Reiner Barfuß vom Jugendamt des Landkreises Haßberge wenden (Telefonnummer 09521/27-107, E-Mail: reiner.barfuss@landratsamt-hassberge.de).
... damit das mit der Familiengründung und Nachwuchsplanung auf eine solide Grundlage gestellt werden kann"
Dumm gelaufen. Das interessiert die Systemmedien nicht.
Das mit der "Ausländerfreundlichkeit" würde um Vieles besser laufen, wenn diese penetrante Inländerfeindlichkeit nicht wäre.
Das ist doch ein ganz anderes Thema!
Was soll denn das zweifelnde Geunke um die Aufenthaltsberechtigung des Jungen? Er darf ja wohl offensichtlich in Deutschland bleiben ... und arbeiten darf er ja auch schon. Dann hat ja wohl auch alles seine Ordnung. Eine bayerische Behörde wird wohl bei einer Entscheidung über eine Aufenthaltsberechtigung und eine Arbeitserlaubnis sich sicher nicht über Gebühr liberal gebährden. Und übrigens: Koptische Christen haben es in Ägypten zum Beispiel auch nicht leicht. Zum Beispiel!
Sagen Sie mal, wo Sie gelesen haben, dass die Aufenthaltsberechtigung dieses jungen Mannes angezweifelt wird? Ich kann hier nichts davon entdecken. Dass aber Dublin III massenhaft gebrochen wird, steht außer Frage.
Wie genau das geht, dass ein Flüchtling in Italien ankommt und in Deutschland einen Asylantrag stellt und dieser genehmigt wird, das wüsste ich auch zu gerne. Nur leider äußert sich dazu niemand. Weder die Regierung noch die Presse. Auf Dublin-III-Grundlage kann es jedenfalls nicht passieren.
Ihre Rhetorik und die Rhetorik anderer Beiträge beinhaltet ... wenn man die Botschaft zwischen den Zeilen lesen und verstehen kann .... schon den Zweifel an sich. Der junge Mann ist da, er halt wohl seine Aufenthaltsberechtigung und arbeiten darf er auch. Also hat ja wohl alles seine Ordnung. Schließlich sind wir ja auch in Bayern, wo ich sowieso eine eher etwas strengere, oder soll ich sagen aufmerksamere Handhabung der der geltenden Vorschriften, vermute. Der junge Mann muss ja auch nicht seine komplette Lebensgeschichte und diskrete Details seiner Flucht in einem Zeitungsartikel veröffentlichen. Dublin eins oder zwei oder drei oder vier? Der junge Mann hat von bayerischen Behörden die Erlaubnis bekommen in Bayern zu sein und zu bleibe. Ich zweifle nicht an der Kompetenz bayerischer Behörden.