Gymnasiasten aus Haßfurt arbeiten mit Schülern aus Rumänien, Polen, Portugal und Griechenland zusammen. Jetzt ging es für das Projekt in die Ägäis.
"Neben den Forschungen zu den jüdischen Spuren bekommen wir zunehmend tiefe Einblicke in die Besonderheiten und das Alltagsleben anderer europäischer Länder", erklärt Katrin Hiernickel. Die Studienrätin ist eben mit fünf ihrer Oberstufen-Schüler aus Griechenland zurückgekommen - Halbzeit im Erasmus-Projekt, an dem der Kurs im Rahmen seiner Seminararbeiten teilnimmt. Gemeinsam mit Schülern aus Rumänien, Polen, Portugal und Griechenland erforschen sie in allen fünf Ländern die Spuren des Judentums.
Immer fünf Schüler machen sich auf den Weg, diesmal waren es Annika Bühl, Isabell Schneider, Valentin Feulner, Marius Werner und Leon Müllem, die nach Ioanina reisten. "Weil man möglichst billig fliegen wollte, war die Anreise "schon ein rechtes Abenteuer", so Katrin Hiernickel, die mit Harry Riegel und Alexandra Weber das Projekt begleitet.
Am ersten Tag steht immer die Vorstellung an und die Gruppen aus den fünf Ländern berichten, was sie bisher zusammengetragen haben.
Vielseitig in Deutschland
Die Haßfurter hatten zusammengetragen, wie sich jüdische Spuren in den Medien und den Lehrplänen der fünf Länder finden lassen - je nach Geschichte des Landes ist das sehr unterschiedlich. So fanden die Haßfurter Schüler in deutschen Lehrbüchern 300 Buchseiten, in Griechenland geht es auf maximal fünf Seiten ausschließlich um den Holocaust, in Portugal ist fast gar nichts zu finden.
Marius Werner zeigte sich sehr beeindruckt davon, dass sich alle Schüler des Lyceum Ioanina morgens mit dem Rektor zum Gebet treffen, bevor der Unterricht beginnt. Die Stadtrundfahrt war beeindruckend, der jüdische Friedhof sehr groß, aber auch ungepflegt.
Das ist auf die jüdische Tradition zurückzuführen, erfuhren die Schüler. Regelmäßiger Grabbesuch oder auch Grabpflege gehören hier nicht zum Totengedenken.
Flucht nach Griechenland
In der Synagoge erklärte Alegra Mazza den Schülern aus Haßfurt und ihren Mit-Forschern aus Polen, Rumänien, Portugal und Griechenland selbst, dass während der Inquisition viele Juden von der Iberischen Halbinsel nach Griechenland flohen und deshalb auch Ioanina eine große jüdische Gemeinde bekam.
Die hatte es schon während der osmanischen Besatzung nicht leicht. 1944 wurden fast 2000 Menschen von den deutschen Besatzungstruppen deportiert und bis auf 150 Überlebende in Konzentrationslagern ermordet.
Rabbi Josef Elissaf erklärte, wie die kleine jüdische Gemeinde heute lebt, den Sabbat feiert und sich eigentlich wenig von den christlich-orthodoxen Griechen unterscheidet.
Die griechischen Gastgeber entwickeln in dem Projekt eine Stadt-Führung für das Handy. Die Gäste durften den ersten Entwurf testen. So fanden die Gäste bauliche Zeugnisse jüdischer Geschichte und erfuhren beispielsweise, dass die Balkon-Verzierungen und die Höhe der Häuser Aufschluss über den Reichtum der jeweiligen Familie geben. Eindrucksvoll waren auch die Zeugnisse des türkischen Erbes wie die Alte Moschee oder der Palast des Pascha.
Eindrucksvolles Schauspiel
Unvergessen bleibt allen sicherlich das Theaterstück im alten Amphitheater mit einer Kurzfassung von "Die Perser" von Aischylos. Presse und sogar Fernsehen haben davon berichtet, wie auch mehrfach über das gesamte Projekt.
Leon Müllem konnte den Aufenthalt in Griechenland nutzen, um für seine Seminararbeit die anderen Teilnehmer des Projekts zu interviewen, nachdem alle gemeinsam den Film "Kisses to the children" gesehen hatten, in dem griechische Juden über ihre Kindheit und Jugend berichteten. Das Thema von Leon lautet "Überlebenschancen im Dritten Reich - Gegenüberstellung von Realität und Fiktion im Film". Bei den Interviews in englischer Sprache merkte er, wie leicht bei einem so heiklen Thema Missverständnisse auftreten, wenn sich zwei Nationalitäten in einer dritten Sprache unterhalten.
Vorurteile widerlegt
Natürlich ist auch das gegenseitige Kennenlernen ein wesentlicher Bestandteil dieses Projekts, bei dem schon viele Klischees oder Vorurteile widerlegt wurden. "Die Griechen sind auf jeden Fall sehr deutsch-freundlich", findet Katrin Hiernickel.
Erschrocken ist sie über die vielen jungen Leute, die keine berufliche Zukunft in ihrem Land sehen. "Wir wurden gemästet", erzählen etliche Teilnehmer. Annikas Gastvater hatte eigens Bier besorgt, um anzustoßen, "weil alle Deutschen Bier trinken". Dass die 16-Jährige dankend ablehnte, überraschte ihn etwas. Die Begegnungen zeigten deutlich, welche Probleme, aber auch welche Chancen Europa bietet, so Katrin Hiernickel nach ihrer jetzt dritten Reise.
Die nächste Gruppe ist bereits in Vorbereitung für die Reise nach Portugal Mitte Dezember. Im April 2016 sind dann alle Nationen in Haßfurt versammelt, um das Projekt abzuschließen. Die Ergebnisse werden bei einem großen Abschlussabend am 21. April präsentiert.