"Ich muss zeigen, dass ich die Chefin bin"

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Eine gesunde Hund-Mensch-Beziehung funktioniert nur dann, wenn Frauchen und Herrchen auch die Bedürfnisse des Vierbeiners versteht und diese im Alltag beachtet werden. Auch die Rangordnung muss geregelt sein. Fotos: Johanna Eckert
Eine gesunde Hund-Mensch-Beziehung funktioniert nur dann, wenn Frauchen und Herrchen auch die Bedürfnisse des Vierbeiners versteht und diese im Alltag beachtet werden. Auch die Rangordnung muss geregelt sein.  Fotos: Johanna Eckert
Bei der Erziehungsphilosophie nach Jan Nijboer braucht ein Hund keinen Futternapf mehr. Denn durch das tägliche Jagen frisst er seine Beute da, wo er sie erlegt. Futterbeutel aus Leinen dienen als Beuteersatz.
Bei der Erziehungsphilosophie nach Jan Nijboer braucht ein Hund keinen Futternapf mehr. Denn durch das tägliche Jagen frisst er seine Beute da, wo er sie erlegt. Futterbeutel aus Leinen dienen als Beuteersatz.
 
Maren Engelhardt setzt mit ihrer Arbeit als Hundeerziehungsberaterin genau da an, wo die Erziehung beginnt: Nämlich in den eigenen vier Wänden des Hundes und seiner Familie.
Maren Engelhardt setzt mit ihrer Arbeit als Hundeerziehungsberaterin genau da an, wo die Erziehung beginnt: Nämlich in den eigenen vier Wänden des Hundes und seiner Familie.
 
Viele Hundeschulen und -vereine hat Nadine Götz mit ihrer Hündin Leilani ausprobiert. Bei Maren Engelhardt kam sie der Natur ihres Hundes auf die Spur und arbeitet nun an einer vertrauensvollen Beziehung.
Viele Hundeschulen und -vereine hat Nadine Götz mit ihrer Hündin Leilani ausprobiert. Bei Maren Engelhardt kam sie der Natur ihres Hundes auf die Spur und arbeitet nun an einer vertrauensvollen Beziehung.
 

Viele lieben ihren Hund. So wie Nadine Götz. Dennoch kam sie bei der Erziehung ihres Australian Shepherds nicht voran. Bis sie sich an Maren Engelhardt aus Haßfurt wandte, die in ihrer Hundeschule weithin unbekannte Methoden nutzt.

Mit acht Wochen, klitzeklein und kuschelig weich, zog eine Hündin namens Leilani bei Nadine Götz und ihrem Mann in Untereuerheim ein. Der kleine Welpe stammt aus der Rasse der Australian Shepherds und soll eigentlich Schafe hüten. Vom ersten Tag an verzauberte das Haustier seine neuen Besitzer. Immer mehr Spielzeug schaffte sich Familie Götz an. "Ihr soll es ja gut gehen", dachte sich die 27-Jährige bei dem ganzen verwöhnenden Aktionismus.

Sie wusste aber auch, dass sie mit der kleinen Hündin etwas machen musste. Denn allein mit Bellen und Gassi gehen ist so ein Hundeleben nicht getan. Erziehung braucht der Vierbeiner und Begegnungen mit Menschen sollen ihn nicht stressen.

Weil sie zum erste Mal einen Hund besaß, war Nadine Götz ziemlich überfragt, welche Erziehungsmethode denn die beste sei. Sie meldete sich bei einer Hundeschule an. Absolvierte zusätzliche Trainings.
Wechselte zu einem anderen Hundeverein. Bis eine Trainerin das unerwünschte Verhalten des Hundes mit einer ganz einfachen Antwort erklären wollte: "Das verwächst sich schon wieder." Nadine Götz war frustriert und ihre Hündin weiterhin gestresst.


Die Sprache des Hundes vertehen

Nun leben Nadine Götz und Leilani schon ein Jahr zusammen und das Frauchen kennt die wahre Natur des Australian Shepherds. Sie weiß, wie sie dem Hund in Stresssituationen helfen kann: "Ich bin der Boss und ich beschütze sie. Nicht umgekehrt." Dazu machen die beiden ein Training bei Hundeerziehungsberaterin Maren Engelhardt in Haßfurt. Es ist eine respektvolle, klare und wechselseitige Erziehung, bei der der Mensch die Sprache des Hundes verstehen lernt. Ganz authentisch entsteht so eine gesunde Mensch-Hund-Beziehung.

"Wir haben den Blick für die Natur des Hundes verloren", sagt die Expertin Maren Engelhardt: "Unserem heutigen Anspruch nach soll der Hund funktionieren, soll brav sein, nicht bellen, ordentlich an der Leine laufen, Pfötchen geben und das Näpfchen leer fressen. Diese Ansprüche hinterfragen aber nicht, welche Erwartungen der Hund eigentlich an den Menschen hat." Denn: "In der freien Natur lebt der Hund im Rudel. Und dieses Miteinander bedarf einer sehr hohen sozialen Intelligenz." Diese wird von den Menschen oft unterschätzt.

Die 29-jährige Frau aus Haßfurt arbeitet nach der Erziehungsphilosophie Natural Dogmanship® von Jan Nijboer. Damit ist sie zwar die Zweite, die diese alternative Denkweise in Sachen Hundeerziehung in den Haßbergen praktiziert. Die konventionellen Hundevereine und -schulen, die sich regelmäßig auf den Hundeplätzen mit dem Verhalten ihrer Vierbeiner beschäftigen, sind jedoch damit noch in der Mehrzahl.
Jan Nijboer war ursprünglich im sozialpädagogischen Bereich im Umgang mit schwer erziehbaren Menschen tätig, bevor er sich ab 1984 immer stärker den Hunden widmete. Neben ihrem Soziologie-Studium an der Universität Bamberg vor mehreren Jahren versuchte Maren Engelhardt ihre Hündin Lara zu erziehen. Nach unzähligen Fehltritten landete sie bei Nijboer und absolvierte dort eine berufliche Ausbildung: "Die Arbeit nach dieser Philosophie ist so logisch und nachvollziehbar", sagt die Hundeerziehungsberaterin heute.


Weder Spielzeug noch Leckerli

Die Coachingarbeit von Maren Engelhardt findet im Alltag der Hunde und ihrer Besitzer statt. Auch einen Hausbesuch der Hundeflüstererin gibt es. "Denn die Erziehung beginnt in den eigenen vier Wänden. Das ist wie bei einer Eltern-Kind-Beziehung." Seitdem Maren Engelhardt bei Nadine Götz und der Hündin Leilani zu Hause war, hat sich einiges geändert. Es gibt kaum noch Spielzeug, Leckerli wurden vom Speiseplan gestrichen, Leilani braucht keinen Futternapf mehr und schlafen tut sie ganz ungestört im hintersten Eck des Zimmers.

Durch die Erziehungsberaterin hat Nadine Götz gelernt, dass es nicht in der Natur des Hundes liegt, dreimal täglich Gassi zu gehen. Die beiden Damen gehen nun auf die Jagd. "Jeder Hund hat einen Jagdinstinkt", so Maren Engelhardt, "er bewegt sich mit einem Ziel. Wir Menschen unterstellen den Hunden aber, dass sie sich einfach so bewegen wollen. Jagen dürfen unsere Hunde kaum noch." Wenn es nach Draußen geht, bepackt das Frauchen die sogenannten Dummys, also Futterbeutel, die als Beuteersatz dienen.


Erstaunte Reaktionen

Nebeneinander her trotten ist nicht Inhalt der täglichen Jagd. Leilani sucht die Beute, bringt sie und darf sie vor Ort noch verzehren. "Das Futter in den Dummys ist das Einzige was Leilani am Tag frisst. Mehr braucht sie nicht", hat Nadine Götz aus Erfahrung gelernt. Die Reaktionen, die sie von anderen Frauchen und Herrchen erntet, sind Erstaunen und eher negativ: "Wie könnt ihr nur? Was macht ihr denn da? Euer Hund bekommt überhaupt kein Leckerli?" Sie merkt aber, wie gut die Lebensumstellung ihrem und ihrem Hund tut: "Leilani wird immer ruhiger und ausgeglichener. Veränderungen sind zwar manchmal unbequem, aber das lohnt sich."

Nadine Götz trainiert weiter bei Maren Engelhardt, bis ihre Hündin nur noch Augen für sie hat: "Oft bin ich draußen noch nicht die Chefin. Ich muss ihr einfach zeigen, dass ich sie führen und sie mir vertrauen kann." Die Hundesprache steht auch noch auf dem Lehrplan. Denn für ein "Aus!" knurrt Maren Engelhardt einfach kurz den Hund an: "Das ist die natürliche Sprache unserer Vierbeiner. Dann sind alle Worte gesagt." Der Hund muss nichts hinterfragen und die Kompetenz von Frauchen und Herrchen auf die Probe stellen.