Einen Schulausflug der anderen Art erlebten die Schüler der Mittelschulen aus Haßfurt und Zeil. Sie hörten sich nicht nur an, was ein Altenpfleger leistet, sondern probierten sich auch selbst im Füttern und Blutdruckmessen.
Dilbers Augen leuchten. Sie sitzt im Gemeinschaftsraum des Seniorenwohnzentrums des "Bayernstift" in Haßfurt und plötzlich fängt einer der alten Männer an, "Tulpen aus Amsterdam" zu singen.
Die Pflegerin hatte ihn dazu nicht zwei Mal auffordern müssen. "Am Anfang war es schon komisch", sagt Dilber. Sie und ihre Freundin Barbara wussten erst gar nicht so recht, wie sie sich dazusetzen sollten. Doch die ersten Berührungsängste waren schnell abgelegt. "Es war total süß", sagt Dilber, "irgendwie nur schön - ganz normal."
Sie ist 14 und steht im nächsten Jahr vor der Entscheidung, wie es beruflich weitergeht. Altenpflegerin kam ihr öfters in den Sinn. Da dieser Wunschberuf bei Jugendlichen aber eher selten auftaucht, haben die Mitarbeiter des VHS-Projektes "Zukunftscoach" einen Vormittag in einer regionalen Pflegeeinrichtung organisiert - "Pflege on tour" nennt sich das Ganze.
Mit 14 Jahren eigentlich zu jung Dominik (21) und Nadine (18) haben sich bereits für die Altenpflege entschieden. Über Umwege, denn beide haben davor eine andere Ausbildung begonnen, bevor sie über Praktika zum "Bayernstift" kamen. "Ich habe gemerkt, hier lernst du Menschen wirklich kennen und hast eigentlich immer schöne Momente", sagt Dominik. Außerdem wird der Ausbildungsberuf, beispielsweise im Vergleich zum Kfz-Mechatroniker, besser bezahlt.
Und trotzdem ist in Politik und Wirtschaft immer wieder von einem "Pflegenotstand" die Rede.
Im Pflegeheim Klinger in Maroldsweisach macht sich der Personalmangel bereits spürbar. "Adäquate Leute, die eine Ausbildung gemacht haben, sind auf dem freien Arbeitsmarkt quasi nicht mehr verfügbar", sagt Christian Wokel, Leiter des Pflegeheims. Denn jede Einrichtung versucht nach den drei Jahren Ausbildung, die Fachkräfte zu übernehmen. Mittlerweile wird im Landkreis Haßberge "relativ viel ausgebildet", in Maroldsweisach wie in Haßfurt sind es pro Jahr zwei neue Azubis. Dass das nicht immer so war, weiß Yvonne Kurzeja, Pflegedienstleiterin beim "Bayernstift" in Haßfurt. Als die duale Ausbildung 2005 eingeführt wurde, haben sich ihrer Ansicht nach viele Einrichtungen erst einmal zurückgehalten, bis sie gemerkt haben, dass anders kein Nachwuchs rankommt. Heute sind die Berufsaussichten "optimal und es wird eigentlich noch besser", sagt Kurzeja.
Im Pflegeheim Klinger kommen noch "viele Anfragen auf eine Lehrstelle", sagt Wokel. Doch nicht jeder Bewerber bringt die richtigen Anforderungen mit, denn ein "Azubi macht auch Arbeit". Eines haben so gut wie alle Pflegeeinrichtungen gemeinsam: 15- bis 16-Jährige sind für den Beruf in der Alten- oder Krankenpflege zu jung. Und das, obwohl der qualifizierende Hauptschulabschluss grundsätzlich reichen würde.
Gewisse Reife ist nötig "Für uns ist 17 die magische Grenze", sagt Wokel. Nadine unterstreicht das aus Sicht der Auszubildenden: "Davor ist man einfach noch nicht reif genug." Yvonne Kurzeja hat einen Tipp für Schüler wie Dilber, die einen Pflegeberuf erlernen möchten: "Macht Praktika, nicht nur ein, zwei Tage, sondern so, dass ihr euch längere Zeit beweisen könnt."
Sich selbst ausprobieren müssen die Mittelschüler auch. Auf dem Tisch steht Joghurt. Das sollen die Jugendlichen so zu sich nehmen, als wären sie alt beziehungsweise in der Rolle einer Pflegekraft. Das bedeutet: Füttern. Statt dem "Fliegerle" kommt bei Felix "Batman", der in Form eines silbernen Kaffeelöffels in Darios Mund verschwindet. Sie lachen und Felix hat Glück, dass Dario ihn nicht mit der Ladung Joghurt im Mund anprustet. Sie nehmen die Aufgabe mit Humor, erfahren dabei aber auch, was es bedeutet, für einen anderen Menschen Verantwortung zu übernehmen.