Der Großvater aus dem nördlichen Haßbergekreis, der sich an seinen Enkeln vergangen hat, will die lange Haftstrafe zu einer Therapie nutzen. Die Psychologen und Psychiater, die bei der Verhandlung am Bamberger Landgericht auftraten, sehen gute Chancen.
Am Ende gab's ein Urteil - sechs Jahre und drei Monate - und einen Scherbenhaufen. Im Verfahren gegen einen 57-jährigen Handwerksmeister aus einem Stadtteil in den Haßbergen ging es am Dienstag am Bamberger Landgericht nicht um die Frage, ob er die Taten, die ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legte, überhaupt begangen hatte. Er hat den Missbrauch seiner Enkel und eines Patenkindes unmittelbar nach seiner Festnahme am 2. August 2012 gestanden.
Es ging um die rechtliche Würdigung der "Vielzahl der Fälle und des groben Vertrauensverlustes", wie es Richter Manfred Schmidt in der Urteilsbegründung beschrieb. Staatsanwalt Kröner sprach von einem "Ausnutzen psychischer Abhängigkeiten". Besonders "skurril" fand Richter Schmidt, dass der Opa einem Enkel in die Hose griff, während die Eltern im Zimmer nebenan zusammen mit der Großmutter am Tisch saßen. Der Vorsitzende erkannte ein "Schlüsselereignis".
Das sah der Verteidiger Thomas Drehsen ähnlich, interpretierte die Intention aber anders: Eher als eine Art Hilferuf, weil sie total vom Verhaltensmuster bei früheren Übergriffen abwich, da der Angeklagte dabei stets mit den Kindern allein gewesen war. "Der letzte Fall war so gestrickt, dass es endlich herauskommt." Richter Schmidt hielt dieser Argumentation entgegen, dass "ihn die besonderen Umstände vielleicht auch besonders geil gemacht haben könnten". Der Verteidiger Drehsen: "Ihm war bewusst, dass er das Schlimmste getan hat, was man seinen Enkeln antun kann." Drehsen weiter: "Ich habe noch nie einen Fall verteidigt, in dem der Angeklagte die Vorwürfe so frühzeitig eingeräumt hat."
Der Angeklagte hatte dies gleich zu Beginn der Verhandlung so beteuert: "Sie müssen wissen, dass ich meinen Enkeln nie etwas Böses wollte, auch wenn ich Schlimmes getan habe. Es waren immer meine Kinder, ich habe sie nie geschlagen oder bedroht." Dies bestätigten auch die drei Mütter, wonach die Kinder immer gerne zum Opa gegangen seien. "Er hat immer geholfen, wo er konnte. Und die Kinder haben von ihm bekommen, was sie wollten."
Rat gesucht Den Psychologen aus dem Obermain-Klinikum wie auch in der Bamberger Haftanstalt gegenüber hatte der Angeklagte anklingen lassen, dass ihm sein Trieb selbst zur Last geworden war, weswegen er schon Rat beim Hausarzt suchen wollte. Jetzt sucht er jede Woche den Anstaltspsychologen zu Einzelgesprächen auf, der vor Gericht auch "gute Voraussetzungen für eine Therapie" attestierte.
Der Anstaltspsychologe: "Ich habe selten jemanden erlebt, der solche Reue- und Schuldgefühle gezeigt hat. Es ist eindeutig, dass er Schuld hat und sich seine pädophilen Neigungen allmählich eingestanden hat. Sexuelles Interesse an Kindern gestehen sich in dieser Gruppe die wenigsten ein." Gleichwohl sah der Gefängnispsychologe die Gefahr, dass "so etwas wieder passieren kann".
Die abnormen Triebe hielt der Leitende Diplom-Psychologe Jürgen Melzner vom Obermain-Klinikum in Kutzenberg anhand wissenschaftlicher Testmethoden für nachgewiesen: "Pädophile Neigungen mit besonderer Affinität zu präpubertären Mädchen." Auch sein Kollege Dr. Christoph Matern er- achtete den "pädophilen Trieb als nachgewiesen".
Matern stellte eine günstige Prognose für eine Therapie aus, wie sie Verteidiger Drehsen mehrfach ins Gespräch brachte, da der Angeklagte bereits im Gefängnis in Bayreuth angefragt hatte, wo eine therapeutische Begleitung bei einer längeren Haftstrafe angeboten wird. Matern weiter: "Er muss zunächst ein Empathie-Bewusstsein bekommen." Also ein Bewusstsein, was er seinen Opfern angetan hat. Denn viele der Aussagen des Handwerksmeisters waren noch sehr ich-bezogen: "Ich habe meine Höchststrafe schon bekommen, weil ich die Liebe meiner Kinder und Enkelkinder verloren habe. Meine Enkel waren für mich alles."