Mark Werner ist ein "bisschen Lokalpatriot". Er interessiert sich für alte Scherben, Karten oder Holzskulpturen. Anders: Er brennt für die Sander Vergangenheit.
Mark Werner ist kein "Privat-Archäologe". Denn, das weiß er gut, ein Archäologe buddelt nach Überbleibseln aus längst vergangenen Tagen. Und in der Erde graben, das macht Mark Werner eigentlich nie, das überlässt der Freizeithistoriker oder ehrenamtliche Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege, wie er sich selbst nennt, lieber den Fachleuten mit den richtigen Maschinen. Außerdem ist privates Ausgraben von vermeintlichen Relikten verboten. "Es sei denn, es ist Gefahr im Verzug", sagt er, so wie bei dem Fund im Maintal bei Sand im vergangenen Jahr, als Mark Werner mit seinem Sohn am Ufer 2500 Jahre alte Keramikscherben entdeckte.
Genug Forscher-Potential Selbst wer anfangs ungläubig dreinblickt: In Sand am Main, wie in anderen Dörfern, die am Fluss liegen auch, gibt es zahlreiche Entdeckungen zu machen.
"Man sieht überall Möglichkeiten, wo man nachforschen kann", sagt Werner. Denn wo es früher Fische gab, siedelten schon damals Menschen. Man muss wohl nur ein Auge - und vor allem eine Leidenschaft - dafür entwickeln, mit Vorwissen von "damals" wieder Bezüge zum Hier und Jetzt herzustellen.
Unter den hiesigen Heimatforschern ist Werner das "Nesthäkchen", wie er selbst sagt. Erst vor zwei Jahren hat sich der gelernte Groß- und Einzelhandelskaufmann, der als Selbstständiger arbeitet, zum Stammtisch seiner "Hobby-Historiker-Kollegen" getraut. Mittlerweile muss der 41-Jährige aufpassen, dass er sich "nicht verzettelt in zu vielen Baustellen". Mit der Familienzeit kollidieren seine ehrenamtlichen Abendstunden über Karten und Geschichtsbüchern eher selten. Im Gegenteil: In "ein paar hundert Stunden" hat Werner zur Kommunion seines Sohnes ein Info-Heft zusammengestellt.
Statt Danke-Kuchen bekamen die Gratulanten aus der Nachbarschaft ein Stück Sander Vergangenheit.
Sein bislang spannendstes Projekt ist die Lokalisierung der "Aschwinge" (wir berichteten im März 2014). Hier hofft Werner, einen "bayernweit erstmaligen Sensations-Fund" gemacht zu haben. Doch noch ist die Existenz der "Kultstätte" nicht spruchreif. Bevor der ehrenamtliche "Dorf-Archäologen" als Spinner gilt, weil sich seine Vermutungen nicht belegen lassen, gilt für ihn lieber: Ruhe bewahren, woanders forschen und "Wissen schaffen".
Von erfundenen Bergen und gelochten LandschaftenDer Historische Verein des Landkreises Haßberge betreibt seit Jahren ein "Flurnamenprojekt", das die Erfassung und Erforschung aller Flurnamen des Landkreises zum Ziel hat. Auch Mark Werner ist dabei.
Die Freizeithistoriker entlarven immer wieder Besonderheiten der Kartographie.
Nicht vor Ort dabei Bei Betrachtung von Karten der Uraufnahme (Zeitraum 1808 bis 1864) muss man sich bewusst machen, dass die Vermessung des Landes aus Gründen der Besteuerung in Auftrag gegeben und vom Militär fortgeführt worden ist. Von den Flurnamen mussten nur die wichtigsten in den Karten eingetragen werden. Ohne es zu wissen, legte der Kartograf also die von da an gültige "hochdeutsche" Schreibweise vieler Fluren, Äcker und Gewässer fest. Dabei hatte er meist keine Ahnung von örtlichen Verhältnissen, Traditionen und Dialekten, da das Gebiet des heutigen Kreises Haßberge erst seit 1814 zum Königreich Bayern gehört und die Landesvermesser meist aus Altbayern kamen.
Falsch kopiert Diese Umstände führten oft nicht
nur zu einer sinnhaften Verfälschung von Flurnamen, sondern auch zur falschen Lokalisierung. Viele Flurnamen enthalten beispielsweise ein "loch", wie Lochbach, Fuchsloch oder Lochwiesen. Die Haßberge-Heimat hat jedoch gar keine "Löcher", meist wurde hier nur die Mundart für ein längst vergangenes Weinanbaugebiet (Lage) oder ehemalige Wasserfläche (Lache) ins Schriftdeutsche übernommen. Oder: Auf modernen Karten findet man südwestlich von Zell am Ebersberg den Hollacher Berg, den es vor 200 Jahren noch gar nicht gab! Dieser Berg hieß damals noch Beilstein, wie in Karten des 16. Jahrhunderts dargestellt ist.
Wie kam es dazu? Direkt vor dem (ehemaligen) Beilstein befindet sich ein Hügel, den man "Ho Lach" (Hohe Lage) nennt. Wer vom Ort aus auf die hoch liegenden Weinberge schaut, begreift den Flurnamen sofort. Bei der Herstellung eines militärischen Kartenwerkes aus dem 19. Jahrhundert erfand irgendeiner den "Hollacher Berg". Später stülpte man den falschen Namen auch noch über den falschen Berg.