Flüchtlinge lernen in Haßfurt, was Recht ist

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Alle Berufsintegrationsschüler an der Heinrich-Thein-Schule lernen fleißig Deutsch. Weil die Materie schwierig ist, wurde der Rechtskundeunterricht durch die Staatsanwaltschaft von einem Dolmetscher begleitet. Foto: Sabine Weinbeer
Alle Berufsintegrationsschüler an der Heinrich-Thein-Schule lernen fleißig Deutsch. Weil die Materie schwierig ist, wurde der Rechtskundeunterricht durch die Staatsanwaltschaft von einem Dolmetscher begleitet.  Foto: Sabine Weinbeer
Staatsanwalt Christian Lang in einer eher ungewohnten Rolle: an der Heinrich-Thein-Berufsschule gab er gestern Rechtskunde für Flüchtlinge. Begleitet wurde er vom Geschäftsführer des Landgerichts Bamberg, Rainer Sauer, und dem Justizsicherheitssekretär Dietmar Schuler (von rechts).
Staatsanwalt Christian Lang in einer eher ungewohnten Rolle: an der Heinrich-Thein-Berufsschule gab er gestern Rechtskunde für Flüchtlinge. Begleitet wurde er vom Geschäftsführer des Landgerichts Bamberg, Rainer Sauer, und dem Justizsicherheitssekretär Dietmar Schuler (von rechts).
 
Sehr aufmerksam waren die Flüchtlinge bei der Sache, als Staatsanwalt Christian Lang Rechtskundeunterricht an der Heinrich-Thein-Berufsschule gab.
Sehr aufmerksam waren die Flüchtlinge bei der Sache, als Staatsanwalt Christian Lang Rechtskundeunterricht an der Heinrich-Thein-Berufsschule gab.
 
Staatsanwalt Christian Lang gab den Rechtskunde für Flüchtlinge.
Staatsanwalt Christian Lang gab den Rechtskunde für Flüchtlinge.
 

Die Berufsschule in Haßfurt startete den Justiz-Unterricht für Migranten. Sie sollen erfahren, auf welcher Basis der deutsche Staat funktioniert.

"Und wie beweise ich einen mündlichen Vertrag?", fragt Yasir. "Genau das ist das Problem; deshalb ist es besser, Verträge schriftlich zu schließen", erklärt Christian Lang. Der Staatsanwalt am Landgericht Bamberg fand sich am Mittwoch in einer ganz neuen Rolle, nämlich als Lehrer, und dann gleich vor einer "Riesenklasse", nämlich rund 100 Flüchtlingen, die derzeit die Berufsschule Haßfurt besuchen. "Rechtskunde für Flüchtlinge" stand auf dem Programm. Die Heinrich-Thein-Berufsschule ist im Rechtskunde-Programm von Bayerns Justizminister Winfried Bausback ganz vorne dabei. Flüchtlinge sollen erfahren, was Rechtsstaat ist und bedeutet.

Erst eine weitere Veranstaltung hat Rainer Sauer bisher in dieser Art organisiert. Das Programm des Ministeriums ist noch taufrisch.
Sauer ist der Geschäftsführer des Landgerichts Bamberg und er hat sich über die Heinrich-Thein-Schule gefreut.

"Wir haben das gelesen und uns gleich mal angemeldet", erklärte Heidrun Görtler, denn schließlich gibt es mehrere Berufsintegrationsklassen an der Heinrich-Thein-Schule. Aus 16 Nationen kommen die jungen Leute, die sich gestern in der Aula versammelt haben. "Ihr habt euch entschieden, hier in Deutschland zu leben, aber hier ist vieles ganz anders als in euren Heimatländern", erklärte die Schulleiterin.

Die erhielt Lob von Landrat Wilhelm Schneider, denn das engagierte Team an der Berufsschule sorge dafür, dass im Kreis Haßberge junge Flüchtlinge nicht nur weisungsgemäß untergebracht werden, sondern dass sie auch Unterstützung finden auf dem Weg zu einem eigenständigen Leben. Die Vermittlung von Sprache, Kultur und Werten helfe den Flüchtlingen, irgendwann auch ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können. Der Unterricht durch die Justiz werde den Schülern sicher helfen, sich im deutschen System besser zurechtzufinden, was auch zum Wohlfühlen beitrage, sagte der Landrat.

Die meisten Schüler kennen den Begriff "Rechtsstaat" bereits - aber was bedeutet der eigentlich? Das vermittelte Staatsanwalt Christian Lang. Er ermutigte seine Zuhörer von Beginn an, Fragen zu stellen und Vergleiche zu ziehen, denn auch er sei daran interessiert, wie bestimmte rechtliche Fragen in den Herkunftsländern geregelt werden.

Dass im Rechtsstaat Gewaltenteilung herrscht, dass Polizei und Justiz wie auch die öffentliche Verwaltung den Bürger schützen, dass sie unbestechlich sind, dass man sich vertrauensvoll an die Polizei wendet - das alles sind Dinge, die in den Heimatländern der Geflüchteten nicht unbedingt gelten. Der Unterricht der Justiz zielt darauf ab, einerseits Vertrauen in die Organe des Staates zu vermitteln, aber auch deren Autorität zu unterstreichen.

Unmissverständlich machte Lang deutlich, dass Selbstjustiz oder selbst ernannte Richter in Deutschland keinen Raum haben. Zentrales Thema war auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit - vor allem auch gegenüber Frauen und innerhalb der Familie. Dass auch Eltern ihre Kinder nicht schlagen dürfen, ist ebenfalls in vielen Ländern dieser Welt nicht die Regel. Gleichberechtigung sowohl von Mann und Frau als auch von Religionen und sexueller Ausrichtung ist ein weiteres Schwerpunktthema der Schulung.

Bianca Olerich und ihre Kolleginnen haben bisher noch keinen Schüler erlebt, der sie als Autorität nicht anerkannt hätte. Dennoch schauen einige der jungen Männer etwas ungläubig, als Christian Lang erklärt, dass in Deutschland Frauen ausschließlich selbst entscheiden, mit wem sie reden und mit wem nicht, ob sie arbeiten wollen, ob sie ausgehen und wie sie sich kleiden. Er betont, dass gültige Ehen nur vor dem Standesamt geschlossen werden können, erklärt aber auch, wie Verträge zustande kommen und welche versteckten Gefahren hinter beispielsweise Handy-Verträgen stehen können. Er zeigte auf, wohin man sich wendet, wenn man betrogen oder bestohlen wurde, indem er gemeinsam mit seinen Schülern einen Fahrraddiebstahl aufklärte.

Da das Ganze von einem Dolmetscher, kleinen Filmen und schriftlichen Ausführungen begleitet wurde, waren sich die Haßfurter Lehrkräfte sicher, dass der Unterricht durch den Staatsanwalt Eindruck gemacht und bleibendes Wissen vermittelt hat. Schließlich war alles, was in Sachen demokratische Grundrechte, Zivilrecht, Strafrecht und Familienrecht angesprochen war, wichtig für ein gelingendes Zusammenleben.

"Ich bin der Berufsschule Haßfurt sehr dankbar für ihre Arbeit und dafür, dass sie sich so frühzeitig bereit erklärte, diesen Unterricht zu organisieren", sagte Rainer Sauer, der sich viele Nachahmer wünscht.