Der angehende Mediziner Lukas Pollmann aus Nordrhein-Westfalen arbeitet für 14 Tage in der Hausarztpraxis in Pfarrweisach. Er ist sehr angetan.
"Als er zur Tür reinkam, war er mir gleich sympathisch. Da hatte er noch kein Wort gesprochen." Gabi Pfa-denhauer, die in der Hausarztpraxis Dr. Schorscher/Dr. Schmidt-Hammer in
Pfarrweisach als Sprechstundenhilfe arbeitet, ist sehr angetan von Lukas Pollmann. Der 21-jährige Medizinstudent absolviert zwei Wochen lang seine Famulatur, das ist ein Praktikum, in der Pfarrweisacher Hausarztpraxis. Das Praktikum hat den Zweck, die Studierenden mit der ärztlichen Patientenversorgung in Einrichtungen der ambulanten und stationären Krankenversorgung vertraut zu machen.
Der junge Medizinstudent ist in Bad Driburg, einer Stadt mit knapp 19 000 Einwohnern im Kreis Höxter (Nordrhein-Westfalen) geboren.
Ganz neue Eindrücke
Im Behandlungszimmer der Hausarztpraxis begleitet er Diethelm Schorscher. Beiden gegenüber sitzt als Patient August Borzel aus Vorbach. Dieser zeigt sich von dem Projekt und den Bemühungen des Landkreises Haßberge, junge Ärzte in die Region zu holen, erfreut. "Klar es ist schon wichtig, dass uns die Hausärzte nicht aussterben", sagt der Vorbacher, der auch keinerlei Problem hat, dass ein "Doktorlehrling" bei seiner Behandlung dabei ist.
Widerspruch dagegen, dass der Famulus dabei ist, sagt Lukas Pollmann, habe bisher noch kein Patient angemeldet. "Die sind alle sehr aufgeschlossen und freuen sich teilweise, dass Nachwuchsmediziner in der Praxis schnuppern."
Auch Diethelm Schorscher begrüßt die Aktion. "Klar, mein Kollege Ingo Schmidt-Hammer und ich machen uns Gedanken um die Versorgung der Patienten auf dem flachen Land, deshalb unterstützen wir das Projekt des Landkreises sehr gerne." Das sei zumindest ein Ansatz, den angehenden jungen Kollegen den Gedanken näherzubringen, auf dem Land zu praktizieren, um dem Ärztemangel entgegenzuwirken, dort, wo schon kleine Krankenhäuser am Existenzminimum herumkrebsen."
Zu sehr städtisch geprägt
Schorscher vertritt die Meinung, dass viele Medizinstudenten und Jungmediziner nicht wissen, wie es auf dem Land zugeht, was nicht verwunderlich sei, da sie ihr Studium und eventuelle erste Erfahrungen als Mediziner in Städten erleben. "Meist sind die jungen Kolleginnen und Kollegen dann auch schon dort sozial gebunden, sodass sie in den Universitätsstädten hängenbleiben und sich einen Wechsel in eine Landarztpraxis wohl überlegen", so der Pfarrweisacher Arzt.
"Nach Pfarrweisach kam ich, weil ich eine Info am schwarzen Brett der Ruhruniversität Bochum gelesen habe, dass man im Landkreis Haßberge mit dem Hausarztprojekt ,Main Sommer 2017' Medizinstudenten sucht, um ihnen den Landarzt schmackhaft zu machen", sagt Lukas Pollmann. Er gesteht: "Von diesem Landkreis hatte ich bis dahin noch nichts gehört." Sein Abitur hat der 21-Jährige in seiner Geburtsstadt mit dem Notendurchschnitt von 1,3 abgelegt und somit den Numerus Clausus für das Studium der Medizin erfüllt.
Auch die Freundin ist hier
Für Pfarrweisach habe er sich nicht selbst entschieden, erläutert Lukas. Benjamin Herrmann, Geschäftsstellenleiter der "Gesundheitsregion plus", habe das koordiniert. "Im Übrigen, auch meine Freundin Nicola macht ein Praktikum in Maroldsweisach in der Hausarztpraxis von Dr. Eleonore Jahn und der gefällt es dort genauso wie mir hier in Pfarrweisach und sie könnte sich vorstellen einmal als Land- oder Hausärztin zu arbeiten", sagt Lukas.
Wie wäre es, wenn sie nach ihrem Studium beide in die Haßberge kämen? Lukas lacht: "Ich denke heute schon eine Entscheidung zu treffen, ist zu früh, auch wenn meine Freundin vom Landkreis und der Region begeistert ist."
Der angehende Mediziner wird zwei Wochen in der Praxis in Pfarrweisach sein, zwei weitere Wochen in einer anderen Praxis im Landkreis. "Ich sehe manchmal beim Lukas leuchtende Augen und denke, dass es ihm bei uns ganz gut gefällt", schmunzelt Diethelm Schorscher. und bekräftigt, dass das Prinzip der flächendeckenden ärztlichen Versorgung nicht aufgegeben werden sollte.
Trend geht zu Versorgungszentren
Die Entwicklung gehe in Richtung Medizinische Versorgungszentren (MVZ), wohin die Patienten dann mitunter viele Kilometer fahren müssen, um behandelt zu werden. "Unser Hausbesuchssystem finde ich im Übrigen extrem wichtig", so der Hausarzt aus Pfarrweisach.
Lukas Pollmann gesteht, dass er im Vorfeld durchaus skeptisch gewesen sei. "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass in einer solchen Praxis Diagnosen so präzise gestellt werden können, weil hier doch im Gegensatz zu großen medizinischen Zentren nicht die Medizintechnik vorhanden ist." Da musste er sich eines Besseren belehren lassen, gesteht der junge Medizinstudent. Auch war es für ihn neu, dass die Hausärzte mit Fachärzten und Krankenhäusern "eng verzahnt" sind. "Da läuft auch schon mal was schnell per Telefon, wenn notwendige kurzfristige Termine bei Fachärzten erforderlich sind", sagt Lukas.
Lob fürs Team
Sein Ziel ist es noch immer, in Richtung Chirurgie zu gehen. "Ich kann mir aber ganz gut vorstellen, dass ich auch einmal als Hausarzt arbeite, da ich aus dem Praktikum für mich positive Impulse mitnehme", sagt Lukas.
Eine neue Erfahrung war für Lukas auch der Hausbesuch. "Das hast du als Facharzt oder in Kliniken nicht und der Hausbesuch ist ein wichtiger Bestandteil hausärztlicher Versorgung."
Ein Lob hat Lukas auch für das Sprechstundenteam in der Hausarztpraxis Pfarrweisach. An diesem Tag kümmern sich Renate Och, Gabi Pfadenhauer und Verena Leidner darum, dass in der Praxis alles "rund" läuft. "Die sind alle total nett, ich wurde von ihnen gut aufgenommen und es macht mir Spaß mit ihnen zu arbeiten", sagt Lukas. Die drei Damen geben das Kompliment gerne zurück.
Als Gewinn sieht der junge Famulus seine Zeit hiert allemal: "Egal ob ich mal irgendwo, vielleicht ja auch hier im Haßbergkreis oder woanders, als Hausarzt lande, die Erfahrung die ich hier gemacht habe, kann mir niemand mehr nehmen." Und gewiss wird er seine Erfahrungen mit seiner Freundin oder auch mit anderen Medizinstudenten austauschen. Auch diese Mundpropaganda ist ein Ziel des Projektes.
BU zu: hw_Hausärztenachwuchs-080917-003