Der Zeiler Freddy Fierus sucht einen Parkplatz

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Freddy Fierus zeigt auf den Ort in der Straße, an dem er sich seinen Stellplatz gewünscht hätte. Das ist nicht mehr möglich, weil an dem Privatgrundstück bauliche Veränderungen vorgenommen worden sind. Eine Zufahrt wurde geschaffen, die einen Parkplatz nicht mehr zulässt. Foto: ks
Freddy Fierus zeigt auf den Ort in der Straße, an dem er sich seinen Stellplatz gewünscht hätte. Das ist nicht mehr möglich, weil an dem Privatgrundstück bauliche Veränderungen vorgenommen worden sind. Eine Zufahrt wurde geschaffen, die einen Parkplatz nicht mehr zulässt.  Foto: ks

Der 56-jährige Zeiler ist "außergewöhnlich gehbehindert" und fordert einen Stellplatz für sein Auto auf öffentlichem Grund. Das hat die Stadt abgelehnt.

Welche Rechte haben Behinderte und wie kann man sie umsetzen? Mit dieser Frage sieht sich derzeit die Stadt Zeil konfrontiert. Eine Lösung scheint alles andere als leicht zu sein, weil viele Faktoren zu beachten sind.
Das ist der konkrete Anlass: Der 56-jährige Freddy Fierus lebt in einem Mehrfamilienhaus an der Krumer Straße in Zeil. Er ist behindert und kann nur schwer laufen. Um ihm die "Teilhabe am öffentlichen Leben" zu ermöglichen, wie es offiziell heißt, hat ihm der Bezirk Unterfranken ein Auto zur Verfügung gestellt, in das ein Elek-trorollstuhl verladen werden kann.

Das Auto hat der Rentner, nun fehlt ihm noch der Parkplatz möglichst nahe an seiner Wohnung. Einen privaten Stellplatz oder eine Garage hat der 56-Jährige nicht. Deshalb wandte er sich an die Stadt, um einen personengebundenen Behindertenparkplatz zu bekommen. Der Rentner schlug einen Standort in einer kleinen Stichstraße vor, die nahe seiner Wohnung liegt.

Die Stadt hat den Wunsch von Freddy Fierus abgelehnt. Sie beruft sich auf die Straßenverkehrsordnung, die solche Parkplätze zwar für möglich hält. Allerdings verlangt der Gesetzgeber eine Prüfung, in der vor allem zwei Fragen beantwortet werden müssen: Hat der Antragsteller die Möglichkeit auf einen privaten Stellplatz oder eine Garage? Das ist bei Freddy Fierus nicht der Fall. Zweitens: Besteht in der Nähe, das heißt, in zumutbarer Nähe, ausreichend Parkraum? Das hat die Stadt in ihrem Bescheid an Freddy Fierus bejaht und folglich den Antrag des Zeilers abgelehnt.

Ein Vertreter der Stadt schaute sich dazu sogar mehrfach in den Straßen um und erkannte, dass "stets ausreichender Parkraum vorhanden" sei. "Dementsprechend ist die Einrichtung Ihres gewünschten Behindertenparkplatzes nicht erforderlich", schreibt die Stadt in ihrem Bescheid an Freddy Fierus. Anders ausgedrückt: Da es nach Ansicht der Stadt genug Parkmöglichkeiten in der Nähe von Freddy Fierus' Wohnung gibt, muss ihm die Stadt keinen Sonderparkplatz ausweisen.

Der 56-Jährige ist damit nicht einverstanden und legte Widerspruch ein. Er beruft sich auf die Rechtsprechung (Sozialgerichte, Verwaltungsgericht), die Behinderten mit dem Status AG (außergewöhnlich gehbehindert) eine besondere Privilegierung einräumt.

Die rechtliche Frage ist die eine Seite, es gibt auch noch eine andere Seite. Der Standort, den sich Freddy Fierus in der Stichstraße vor seiner Wohnung ausgeguckt hatte, lässt sich inzwischen nicht mehr für seine Zwecke in einen Behindertenparkplatz verwandeln. Der Nachbar spielte nicht mit. Der wollte diesen Sonderparkplatz nicht vor seinem Grundstück und hat deshalb seine Gartenmauer zur Stichstraße hin abgebrochen, um auf diese Weise eine neue Zufahrt zu seinem Grundstück zu schaffen. Und direkt vor einer Zufahrt zu seinem Grundstück kann kein Parkplatz angelegt werden. Diese laut Stadt genehmigungsfreie bauliche Änderung schafft Fakten. "Jetzt habe ich meine Ruhe", sagt der Nachbar, der mit Freddy Fierus im Streit liegt. "Ich habe die Lösung geschaffen", meint der Nachbar. Für Freddy Fierus ist der neue bauliche Zustand allerdings keine Lösung.

Was tun? Mittlerweile hat ein Gespräch mit der Stadt stattgefunden. Allerdings ohne Ergebnis. Freddy Fierus wirft der Stadt vor, dass sie sich nicht richtig auskenne und auch nicht genügend bemühe, die Rechte von Behinderten umzusetzen. Ihm geht es, wie er unserer Zeitung versichert, nicht nur um ihn selbst, sondern auch um die Rechte Behinderter allgemein. Sie gäben oft zu schnell auf, bedauert er. Mit seinem Vorgehen in seinem eigenen Fall wolle er anderen Behinderten Mut machen, auf ihre Rechte zu pochen. Behinderte "sollen keine Angst haben", wenn sie für sich Rechte einfordern, sagt er. Sie sollten das verlangen, "was das Gesetz vorsieht. Behinderte haben es mehr als schwer." Er meint: So wie die Stadt Zeil könne man nicht mit Behinderten umgehen.

Ist das so? Bürgermeister Thomas Stadelmann (SPD) versichert, dass die Stadt ihren ablehnenden Bescheid "nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt" habe. Er räumt aber auch ein, dass es keine einfache Angelegenheit sei. "In meiner Amtszeit kenne ich einen solchen Fall nicht."
Stadelmann verspricht im Gespräch mit unserer Zeitung, dass sich die Stadt um eine Lösung bemüht. "Ich möchte das klären. Man muss versuchen, den Behinderten gerecht zu werden", betont er. "Wir müssen eine Lösung finden."
Deshalb hat die Stadt den Bayerischen Gemeindetag eingeschaltet; das ist die Vertretung der Städte und Gemeinden im Freistaat. Der Gemeindetag soll die rechtliche Seite abklopfen, denn die Stadt Zeil möchte neben einer Lösung für Freddy Fierus' Problem vor allem auch eines haben: Rechtssicherheit.


Urteil in Kassel

In die rechtliche Bewertung fließt möglicherweise auch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel ein. Dort hatten die Richter im Jahr 2008 in einem ähnlichen Fall in einer hessischen Kommune einem Behinderten Recht gegeben mit seinem Antrag auf einen solchen Parkplatz. Das Gericht hat die Privilegierung des Behinderten unterstrichen und die Ansicht der Kommune verworfen, die ähnlich wie Zeil argumentiert hatte, dass meistens am Tag genügend Parkraum zur Verfügung stehe. Das Kasseler Gericht verlangte bei der Bewertung der Situation von der Kommune, dass genügend Parkraum durchgängig bereitstehen müsse, also 24 Stunden am Tag. Das Kasseler Urteil zitierend, meint Freddy Fierus, dass die Stadt Zeil gar nicht anders könne, als seinem Antrag zu entsprechen.

Ist das so? Die Stadt ist dagegen der Ansicht, dass genug öffentliche Parkflächen zur Verfügung stehen und ein Sonderparkplatz für Fierus daher nicht nötig ist. Tatsächlich? In der Nähe liegt der Caritas-Kindergarten, und mindestens zweimal am Tag kann es eng werden auf den Straßen, wenn die Eltern ihre Kinder bringen oder abholen.

Mathias Ullrich, der Leiter der Verkehrsbehörde am Landratsamt Haßberge, betont: Um einen Antrag wie den von Freddy Fierus zu genehmigen und umzusetzen, müsse der Parkraummangel bejaht werden.
Es bleiben noch weitere Fragen: Welche Wegstrecke zu Fuß oder mit einem Rollstuhl (Barrieren?) kann einem Behinderten wie Freddy Fierus zugemutet werden, um zu seinem Auto zu kommen? Parkraummangel, Wegstrecke - das sind auch Fragen, die mit Ermessen zu tun haben. Und dann geht es noch um DIN-Normen für Behindertenparkplätze oder Restbreiten für Straßen neben solchen Stellflächen. Was ist baulich möglich?