Heute erhalten die bayerischen Schüler die Zwischenzeugnisse. Doch nicht überall: An vielen Grundschulen gehören Zwischenzeugnisse der Vergangenheit an.
Da ist er wieder. Der Zeugnistag. Manchen Schülern ist er schnuppe, haben sie doch nichts zu befürchten. Doch bei anderen. Da geht es schon seit Tagen um jede Kommastelle. Wie bewertet der Lehrer das Mündliche? Reicht es noch für die Vier?
Und hat man endlich den Giftzettel in der Hand, muss man ihn noch den Eltern vorlegen. In der Hoffnung, sie reagieren gelassen. So wie es immer empfohlen wird. Auch die Regierung von Unterfranken hat wieder eine Mitteilung an die Presse verschickt, in der betont wird: "An erster Stelle sollten Zwischenzeugnisse Anlass zum Gespräch sein zwischen Eltern und Kindern und folglich auch mit den Lehrkräften." Man solle besonnen bleiben, sich nicht zu unangemessenen Reaktionen hinreißen lassen, heißt es da.
Gespräche statt Noten
Die Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, weiß, dass Kinder bei schlechten Noten Verständnis und Zuwendung brauchen - statt Druck seitens der Lehrer und Eltern. Die persönliche Frustration aufgrund der schlechten Noten tut nicht gut. Daher fordere der BLLV, die Vergabe von Schulnoten zu überdenken und stattdessen eine "differenzierte und individuellere Leistungsbewertung" beispielsweise in Form von sogenannten Lernentwicklungsgesprächen anzubieten.
Genau diese werden seit dem Schuljahr 2014/1015 bayernweit an Grundschulen in den ersten bis dritten Klassen angeboten. Sofern denn sowohl Lehrer wie Eltern sich für die Lernentwicklungsgespräche und damit gegen das Zwischenzeugnis entschieden. "Wir müssen jedes Jahr wieder für jede Jahrgangsstufe bei der Konferenz darüber entscheiden", erklärt Gudrun Schnitzer, Rektorin der Grundschule Ebern. Die Entscheidung in Ebern war schnell getroffen, das Kollegium entschied sich auch dieses Jahr für die Lernentwicklungsgespräche. "Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dieser Form der Bewertung gemacht", sagt Schnitzer.
Der Ablauf eines solchen Gesprächs ist immer gleich: Der Lehrer bespricht gemeinsam mit dem Schüler in Anwesenheit der Erziehungsberechtigten die Stärken und Schwächen und das jeweilige Entwicklungspotenzial. Dabei wird der Schüler auch in die Verantwortung genommen: Sowohl er als auch der Lehrer füllen vor dem Gespräch einen Dokumentationsbogen aus. "Dabei ist es immer wieder toll festzustellen, wie gut sich schon Erstklässler selbst einschätzen können", sagt Schnitzer. Im weiteren Verlauf des Gesprächs definiert der Lehrer mit dem Schüler bestimmte Ziele, die der Schüler im Laufe des Schuljahres noch erreichen möchte. "Zum Schluss unterschreiben der Lehrer, der Schüler und die Eltern diese Zielvereinbarung", erklärt Schnitzer.
Die Rektorin sagt, ihre Kollegen würden bei den Gesprächen vor allem den engen Kontakt zu den Schülern schätzen. "Wann sonst hat ein Lehrer schon mal Zeit, sich 30 Minuten mit einem Schüler alleine zu unterhalten?", fragt Schnitzer.
Dass sich die Lernentwicklungsgespräche großer Beliebtheit erfreuen, zeigt auch die Statistik. "Im vergangenen Schuljahr haben 70 Prozent der Grundschulen, statt ein Zwischenzeugnis zu verteilen, Lernentwicklungsgespräche geführt", erklärt Jeannette Mathy, Mitarbeiterin in der Presseabteilung der Regierung von Unterfranken. In diesem Schuljahr sind es sogar schon 79 Prozent. Auch Claudia Gigglberger, Konrektorin der Grundschule Zeil-Sand, ist vom positiven Nutzen dieser Gespräche überzeugt. "Die Entwicklungsgespräche fördern den Kontakt zwischen Schüler und Lehrer und sind sehr viel persönlicher, als es ein Zeugnis sein kann." Da das Kollegium an der Grundschule Zeil-Sand solch gute Erfahrung damit gemacht hat, biete die Schule nun auch in den vierten Klassen ein persönliches Orientierungsgespräch für Schüler und Eltern an. "Denn in einem persönlichen Gespräch können wir Lehrer viel besser auf das Kind eingehen", erklärt Gigglberger.
Gespräche für alle Schularten
Die bayerische SPD schlägt aufgrund der guten Erfahrungen, die man in der Grundschule gemacht habe, vor, an allen Schularten Lernentwicklungsgespräche einzuführen. Der Vorsitzende des Bildungsausschusses, Martin Güll, sagt in einer Mitteilung dazu: "Für viele Kinder und Jugendliche ist der Zeugnistag oft beschämend, wenn sie schwarz auf weiß durch wenige Noten bestätigt bekommen, den Anforderungen der Schule nicht zu genügen."
So sei, heißt es in der Mitteilung weiter, ein Gespräch ein gutes pädagogisches Mittel zum Wohle der Schüler. Denn statt auf Beratungsdienste hinzuweisen, müssten laut SPD "Hilfe und Unterstützung im Klassenzimmer stattfinden".