Corona-Impfung für Kinder? Warum ein Haßfurter Kinderarzt den neuen Vorstoß für unrealistisch hält

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Derzeit sind Corona-Impfungen bei Kindern und Jugendlichen (noch) nicht zugelassen. Symbolfoto: Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Derzeit sind Corona-Impfungen bei Kindern und Jugendlichen (noch) nicht zugelassen. Symbolfoto: Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Die Symptome einer Corona-Infektion fallen bei Erwachsenen und Kindern unterschiedlich stark aus. Grafik: Dagmar Klumb / Quelle: RKI, NHS, Johns Hopkins University, Patel (2020), Tian et al. (2020)
Die Symptome einer Corona-Infektion fallen bei Erwachsenen und Kindern unterschiedlich stark aus. Grafik: Dagmar Klumb / Quelle: RKI, NHS, Johns Hopkins University, Patel (2020), Tian et al. (2020)
 
Dr. Arman Behdjati-Lindner ist Facharzt am Haßfurter Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin. Foto: privat
Dr. Arman Behdjati-Lindner ist Facharzt am Haßfurter Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin. Foto: privat
 

Die Reihenfolge der Corona-Impfungen ist klar geregelt. Kinder und Jugendliche werden davon aber komplett ausgeschlossen. Eine neue Forderung, auch die Jüngsten gegen das Virus impfen zu lassen, stößt im Kreis Haßberge auf Bedenken.

Keine Spritzen für die Kleinsten: Kinder und Jugendliche sind von den Corona-Impfungen ausgeschlossen. Zumindest aktuell. Das Robert Koch-Institut führt dafür gesundheitliche und ethische Gründe an. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte möchte das nun schnellstmöglich ändern. Ein Wunsch, der sich wohl derzeit nicht umsetzen lassen wird, befürchtet der Haßfurter Kinderarzt Dr. Arman Behdjati-Lindner.

Höchstens 30 Corona-Infizierte wurden seit Beginn der Pandemie im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin behandelt, rechnet Behdjati-Lindner zurück. "In der Regel waren sie nicht schwerer krank als im Vergleich zu anderen Erkrankungen", erklärt der Facharzt. Die Covid-Symptome würden bei Kindern denen einer richtigen Grippe oder einer Bronchieninfektion gleichen. Die jungen Patienten leiden vor allem an Fieber und Atemwegsbeschwerden.

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Während des ersten Lockdowns stieß das Haßfurter Ärzteteam auch auf Zufallspatienten: Zwei Kinder mussten sich nach ihrer Rückkehr aus dem Südtirol-Urlaub vorsorglich testen lassen. Bei ihnen konnte so eine Infektion nachgewiesen werden, obwohl sie keine Covid-typischen Symptome zeigten.

Grippe und Corona schwer zu unterscheiden

Die Behandlung von Covid-infizierten Kindern ähnle generell der von Influenza-Patienten, sagt der Haßfurter Facharzt. Auch bei der Medikation bestehen zwischen Kindern und "normal" erkrankten Erwachsenen keine auffälligen Unterschiede. Fiebersenker, Hustensaft und Mittel zum Inhalieren kommen daher als Erstes zum Einsatz. "Klinisch ist zunächst nicht zu unterscheiden, ob es sich um das Corona-Virus oder das Grippe-Virus handelt", führt Behdjati-Lindner weiter aus. "Außer es tritt ein Geschmacks- oder Geruchsverlust auf."

Sollten Kinder und Jugendliche bei einer Infektion jedoch unter so starken Beschwerden leiden, dass eine stationäre Behandlung erforderlich ist, müssen Familien auf die Kinderstationen in den umliegenden Landkreisen ausweichen. Die Haßberg-Kliniken verfügen selbst nämlich über keine Pädiatrie, wie Karin Kramer, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit an den Haßberg-Kliniken, erläutert. Wo die Kinder dann jeweils aufgenommen werden, hängt von der Entfernung zwischen Krankenhaus und Wohnort ab: Wer aus dem Raum Ebern stammt, orientiert sich beispielsweise eher nach Coburg, Ebelsbacher fahren nach Bamberg und Gädheimer nach Schweinfurt.

Kinder weniger stark von Corona betroffen

Bisher konnte jedoch festgestellt werden, dass Kinder bei einer Infektion mit dem Corona-Virus weniger stark erkranken als Erwachsene. Der Krankheitsverlauf sei in der Regel nicht lebensbedrohlich und Kinder seien auch sehr selten auf künstliche Sauerstoffzufuhr angewiesen, so Behdjati-Lindner. Der Grund dafür sei Medizinern bisher aber nicht bekannt. "Kinder haben wahrscheinlich einfach ein gesünderes Immunsystem. Fest steht, dass das Virus Kinder weniger stark krank macht. Ob die Mutation das ändern könnte, weiß man noch nicht. Das wäre reine Spekulation."

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Das Robert Koch-Institut erklärt, warum Kinder und Jugendliche derzeit nicht zu den Corona-Impfungen zugelassen werden: Bisher konnte noch nicht ausreichend geprüft werden, wie wirksam und verträglich der neue Impfstoff für jüngere Patienten ist.

Impfen oder nicht? Ethische Gründe überwiegen

Dass der Fokus bei der Entwicklung von solchen Impfstoffen auf Erwachsenen liegt, hat mehrere Gründe: "Bei den Versuchsreihen für Covid-19 oder ähnliche Krankheiten werden Kinder aus ethischen Gründen nicht eingeschlossen. Und Erwachsene erkranken viel schlimmer als Kinder", erklärt Behdjati-Lindner. Bei den "klassischen" lebensbedrohlichen Krankheiten im Kindesalter sehe das anders aus: Dort werden die Studien explizit mit Kindern gemacht.

Vor der Anwendung bei Kindern muss zunächst sichergestellt werden, dass der Impfstoff in den Studien mit erwachsenen Teilnehmern keine Nebenwirkungen hervorruft. Ausnahmen gelten für Medikamente, die ausschließlich für Kinder hergestellt werden. Der Impfstoff muss zunächst mehrere Produktionsstufen durchlaufen, bevor er zugelassen wird.

Zudem gilt es zu Beginn der Corona-Impfungen, diejenigen Personen zu behandeln, bei denen der Krankheitsverlauf besonders schwer ist, also ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Weiterhin geht das Robert Koch-Institut davon aus, dass die Impfungen für Erwachsene das Virus mit der Zeit so weit eingrenzen werden, dass dadurch wiederum auch Kinder und Jugendliche geschützt werden.

"Kita- und Grundschulkinder scheinen nach allem, was bisher bekannt ist, das Infektionsgeschehen nicht in besonderer Weise anzutreiben und erkranken weniger häufig und stark als Erwachsene", schreibt das RKI. Ob es zukünftig eine Impfempfehlung für Kinder geben soll, sei derzeit noch nicht absehbar. Studien dazu seien jedoch geplant und haben "in kleinem Rahmen auch schon begonnen", heißt es seitens des Instituts. Eine Impfempfehlung für enge Kontaktpersonen von Kindern mit Vorerkrankungen sei ebenfalls denkbar.

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Um Kitas und Schulen wieder öffnen zu können, fordert der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte nun aber, die Impfungen nicht nur für Erwachsene zuzulassen. Kinder und Jugendliche hätten unter der Pandemie besonders gelitten. "Dass sie nun auch noch beim Impfen hintenanstehen - und die Schulen deswegen weiter dicht bleiben - ist daher doppelt bitter", äußerte sich Verbandspräsident Dr. Thomas Fischbach. "Daher erwarten wir, dass beim Impfen für Kinder mehr Tempo gemacht wird, um endlich die Situation an Schulen und Kitas dauerhaft zu entspannen."

Auch Jugendliche werden nicht geimpft

Fischbach kritisiert zudem, dass die Entwicklung eines Impfstoffs für Kinder deutlich weniger Beachtung finde als die Impfstoffreserven für Erwachsene. Auch sei es unverständlich, warum Gesundheitsminister Jens Spahn die Gruppe der 16- und 17-Jährigen von den Impfungen ausschließe, obwohl die Impfstoffe von Biontech und Moderna bereits ab 16 Jahren zugelassen sind.

Als sinnvoll, aber nicht der Realität entsprechend, bewertet der Haßfurter Kinderarzt die Forderung seines Kollegen Fischbach. Solange die Impfung bei Kindern und Jugendlichen nicht erlaubt ist, müsse auf eine Behandlung mit konventionellen Medikamenten zurückgegriffen werden. "Kinder sind außerdem nicht die infektionstreibende Kraft. Es ist nicht wie bei einer richtigen Influenza, wo die Krankheit vor allem in Schulen und Kindergärten verbreitet wird", betont Behdjati. Er könne sich nicht vorstellen, dass Fischbachs Vorstoß Erfolg hat. "Das müsste die Politik schon zwingend bei den Pharmafirmen fordern."

Corona-Impfung bei Schwangeren

Obwohl Schwangere zur Personengruppe mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf im Falle einer Covid-19-Infektion zählen, sind sie derzeit von den Corona-Impfungen ausgeschlossen. Enge Kontaktpersonen von Schwangeren, insbesondere deren Partner, stehen bei der Impfreihenfolge dagegen an zweiter Stelle (hohe Priorität).