Die beiden Geschwister Omima und Adnan sind zwei von etwa 600 Flüchtlingen, die derzeit im Landkreis leben. Sie haben eine lebensgefährliche Überfahrt auf dem Mittelmeer hinter sich. Aber sie schauen nach vorne.
Omima wohnt seit einigen Monaten in einem Haus am Marktplatz in Ebern. Das Mädchen, ihre zwei Geschwister und ihre Eltern kommen aus Syrien. "Dort war so viel Bum Bum", erklärt das zwölfjährige Mädchen und wirbelt mit seinen Armen vor dem Kopf herum. "Krieg meint sie", ergänzt ihr Bruder Adnan. Die Bomben flogen, die Häuser liegen immer noch in Schutt und Asche. Deshalb haben Omima und ihre Familie, kurz nachdem im Jahr 2011 der Krieg in Syrien losging, die Heimat verlassen.
Sie sind eine Handvoll der 60 Millionen Menschen, die derzeit weltweit auf der Flucht sind. Am Samstag, 20. Juni, war der Weltflüchtlingstag, der ihr Schicksal in den Mittelpunkt stellt.
Die Zahl der Menschen, die vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehen, war noch nie so hoch wie heute. Es sind Rekordzahlen, aber traurige Rekorde.
Etwa 600 Frauen, Männer und Kinder von ihnen haben eine vorübergehende Heimat im Landkreis Haßberge gefunden. Doch um im Frieden anzukommen, mussten fast alle Todesängste erleiden. "Von Syrien sind wir nach Ägypten", erzählt Omima, "dort sind wir drei Jahre geblieben. Dort gibt es viele, viele Menschen, aber keinen Platz für uns." In der Schule saß Omima mit 50 anderen Kindern in einem Raum. Viel lernen konnte sie dabei nicht. Eines Tages hat ihr Vater dann gesagt: "Wir gehen nach Europa."
Es war nachts, 3 Uhr, als ein Lastwagen vor der Tür stand. Omima und ihre Familie haben ein paar Klamotten in zwei Taschen gepackt. Durch sämtliche Straßen der ägyptischen Stadt Alexandria sind sie gefahren, bis sie am Strand abgeladen wurden. "Ein bisschen großes Schiff hat auf uns gewartet", erinnert sich das Mädchen an den Anfang der Fahrt, die auch das Ende des Lebens hätte sein können. Dabei berührt ihr ausgestreckter Zeigefinger knapp den Daumen. Eine Geste, mit der Omima sagt, dass das Boot für die 350 Menschen zu klein war.
"Wir sind durch das Wasser zum Boot gelaufen. Mir ging das bis zur Nase", berichtet Omima. Dass weder sie noch ihr Bruder zu diesem Zeitpunkt schwimmen konnten, macht die Mutter der beiden mit ihren fortschreitenden Deutschkenntnissen deutlich. Dann saß die Familie sieben Tage auf dem Boot gen Italien. "Der Chef vom Schiff hat uns zu essen gegeben. Aber wir haben nicht gegessen, weil uns nur schlecht war", sagt Omima. Sie zieht ihre angewinkelten Beine eng an sich und umschließt sie mit ihren Armen: "So waren wir die ganze Zeit gesessen. Es gab sehr wenig Platz."
Omima und ihr Bruder Adnan hatten Angst. Das Schiff hat geschaukelt, sie konnte nicht stehen, nicht laufen. Von allzu hohen Wellen, die auf dem Boot ausliefen, blieben sie verschont. Und wenn das Boot umgekippt wäre? Omima ist noch unklar, was das Wort "umkippen" bedeutet. "Ah so", sagt sie anschließend mit großen Augen und dreht ihre Hand, dass der Handrücken zum Boden schaut. "Dann fertig", fällt ihr der Bruder ins Wort, "tot!" Omima starrt einige Sekunden auf die weiße Zimmerdecke.
Mitten auf dem Meer wurde die Familie von einem italienischen Schiff gerettet. Das kleine Schleuserboot wurde an Ort und Stelle mit Feuer vernichtet.
"Fast wie tot" Dass Omima nach der Bootsfahrt "fast wie tot" war, sitzt fest in ihren Erinnerungen. Doch ihr Drang zum fröhlichen Leben lässt das junge Mädchen nach vorne blicken. "Mir gefällt die Schule in Ebern. Vor allem die Lehrerin vom Deutschkurs, Mareike Fuchs", verrät Omima, "und die Menschen sind sehr gut. Auch der Bürgermeister ist sehr gut, er hilft den Menschen." Was sie noch sagt: "Die Eisdiele in Ebern. Das Cookies-Eis schmeckt am besten."
Auf der Flucht hat die Familie fast alles verloren. Welchen Schmerz das bei ihnen auslöst, ist von außen kaum zu erkennen. Wie oft sie darunter leiden, kaum zu dokumentieren.
Aber sie haben Augen, um in der vorübergehenden Heimat neue Dinge für ihr Leben zu entdecken: "In Deutschland habe ich zum ersten Mal Schnee gesehen", schildert der zehnjährige Adnan, "und Deutsch zu sprechen, das ist auch neu." Der Bruder von Omima besucht derzeit noch die vierte Klasse in der Eberner Grundschule und hat ein Übertrittszeugnis auf das Gymnasium bekommen. Er freute sich, denn das ist ein guter Weg zu seinem Traumberuf: Adnan will Arzt werden.
Der Familie von Omima geht es in Ebern gut, sie haben all die notwendigen Dinge, die sie zum Leben brauchen. Ob sie irgendwann zurück nach Syrien wollen? "Ja natürlich", entgegnet Omima, ohne groß zu überlegen. "Wenn Syrien wieder gut ist." Dann dürfte es Staatspräsident Baschar Hafiz al-Assad aber nicht mehr geben, es müsste Frieden sein und es sollten Häuser gebaut werden: "Dann können wir wieder dort leben."
Zur Situation im Kreis Haßberge Es sind nur noch wenige Ort im Kreis Haßberge, in denen derzeit noch keine Asylbewerber und Flüchtlinge untergebracht sind. Überall funktioniert das Zusammenleben der deutschen und der fremden Kulturen ohne Probleme: "Bisher hat die Unterbringung der Flüchtlinge im Landkreis reibungslos geklappt", lautet das Zwischenfazit von Landrat Wilhelm Schneider (CSU). Etwa 600 Menschen sind in drei Gemeinschaftsunterkünften der Regierung von Unterfranken sowie in 32 Unterkünften des Landkreises untergebracht.
Ein gutes Miteinander "Die Bereitstellung von Wohnplätzen für Asylbewerber gestaltet sich im Kreis Haßberge relativ unproblematisch. Es sind ausreichend Leerstände vorhanden, die kurzfristig beziehbar sind", ergänzt Dieter Sauer vom Sozialamt am Landratsamt Haßberge. "In Kürze ist die Anmietung weiterer Häuser beziehungsweise Wohnungen geplant." Weiter informiert er: "Die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern ist im Gange, insbesondere von Personen aus den Balkanstaaten, so dass in den nächsten Monaten Wohnplätze für Neuankömmlinge frei werden."
Der Landrat würdigt alle, die sich bei der Integration und Betreuung der Flüchtlinge engagieren. "Hervorheben möchte ich die gute Zusammenarbeit zwischen Sozialamt und Ehrenamtlichen, kirchlichen und sozialen Einrichtungen." Er bittet: "Wir müssen alle dafür Sorge tragen, dass das Klima in der Bevölkerung so bleibt, und darauf acht geben, dass keine Überforderung erfolgt."