Abschiebung einer syrischen Familie empört Hofheimer

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Khaula Abbas hat sich als Muslima in der katholischen Kirche für die Gastfreundschaft der Hofheimer bedankt. Ludwig Klarmann half bei der Übersetzung. Foto: Johanna Eckert
Khaula Abbas hat sich als Muslima in der katholischen Kirche für die Gastfreundschaft der Hofheimer bedankt. Ludwig Klarmann half bei der Übersetzung.  Foto: Johanna Eckert
Die Schwestern Zeynep und Nailla besuchen die Mittelschule in Hofheim. Sie fühlen sie wohl und haben sehr schnell die deutsche Sprache gelernt. Foto: Johanna Eckert
Die Schwestern Zeynep und Nailla besuchen die Mittelschule in Hofheim. Sie fühlen sie wohl und haben sehr schnell die deutsche Sprache gelernt.  Foto: Johanna Eckert
 
Im Juni 2014 ist die Familie Abbas mit ein paar Müllsäcken in Hofheim angekommen. Von den Nachbarn in der Landgerichtstraß werden sie vollkommen akzeptiert. Foto: Johanna Eckert
Im Juni 2014 ist die Familie Abbas mit ein paar Müllsäcken in Hofheim angekommen. Von den Nachbarn in der Landgerichtstraß werden sie vollkommen akzeptiert.  Foto: Johanna Eckert
 
Familie Abbas führte ein Leben in Frieden in Hofheim. Seit wenigen Tagen schlafen sie nicht mehr, weinen und essen kaum noch. Ihnen droht die Abschiebung nach Bulgarien. Foto: Johanna Eckert
Familie Abbas führte ein Leben in Frieden in Hofheim. Seit wenigen Tagen schlafen sie nicht mehr, weinen und essen kaum noch. Ihnen droht die Abschiebung nach Bulgarien. Foto: Johanna Eckert
 
Die Familie Abbas fühlt sich von den Hofheimer sehr gut aufgenommen. "Sie sind integriert. Sie sind Hofheimer", sagt Eike Uhlich. Mit im Bild ist Ludwig Klarmann, der sich ehrenamtlich um die Familie kümmert. Foto: Johanna Eckert
Die Familie Abbas fühlt sich von den Hofheimer sehr gut aufgenommen. "Sie sind integriert. Sie sind Hofheimer", sagt Eike Uhlich. Mit im Bild ist Ludwig Klarmann, der sich ehrenamtlich um die Familie kümmert. Foto: Johanna Eckert
 

Die syrische Familie Abbas soll am Freitag nach Bulgarien abgeschoben werden. Dabei gelten die Flüchtlinge als vorbildlich integriert. Der Asylkreis Hofheim will alles versuchen, um die Ausweisung zu verhindern.

In Hofheim herrscht Krisenstimmung: Asylbewerber aus Syrien mit ihren fünf Kindern sollen morgen nach Bulgarien abgeschoben werden. Sie befürchten dort konkret Ausländerfeindlichkeit und, kein Dach über dem Kopf zu haben. Die Aktiven des Asylkreises Hofheim sind nicht nur deswegen empört: Denn die Familie gilt als integriert und wurde deshalb auch schon von Staatsministerin Emilia Müller besucht. Im Freundeskreis Asyl machte die Nachricht von der drohenden Abschiebung als willkürliche Behördentat jetzt wie ein Feuer die Runde.

Schreckliche Erinnerungen

Der Brief eines Anwaltes war vor wenigen Tagen in der Landgerichtsstraße im Briefkasten der Familie Abbas aus Syrien gelandet. Seit Juni 2014 wohnt die siebenköpfige Flüchtlingsfamilie in der Stadt. Der Inhalt des Briefes versetzte die Abbas in Katastrophenstimmung: Am morgigen Freitag, 13. Februar, sollen die Eltern mit ihren Kinder aufgrund eines positiven Dublin-Verfahrens (siehe Infobox) nach Bulgarien abgeschoben werden. Und gerade Bulgarien weckt bei Familie Abbas schreckliche Erinnerungen. Hier hatten sie gedacht, als Flüchtlinge des Bürgerkriegs in Syrien Zuflucht finden zu können, doch dann erlebten sie hier nach ihrer Darstellung die grausamsten Monate ihres Lebens.

Vater Mazhar Abbas und sein Sohn haben gesehen, wie Polizisten oder Militär, jedenfalls Männer in Uniform, die Männer in der Schlange der Asyl-Antragsteller einfach getreten haben. Sie mussten Fingerabdrücke abgeben, sich für eine Leibesvisitation mit anderen zusammen komplett ausziehen.

Mazhar und Khaula Abbas haben mit dem damals 15-jährigem Sohn, den Mädchen Zeynep und Nailla sowie den Kleinkindern Nosin und Menhel im September 2013 die Heimat verlassen. Über die Türkei kamen sie zu Fuß nach Bulgarien.

"Wir dachten, wir sind in Bulgarien in Sicherheit", erzählte die Mutter Khaula einer Mitarbeiterin des Hofheimer Asylkreises. Bulgarien war für sie Europa. Aber alles war anders. Sie bekamen zwar eine Aufenthaltserlaubnis, erlebten aber große Unsicherheit und Hunger. Ihre Erinnerungen an diese ersten Tagedort peinigen sie: Die kleine Nosin schrie vor Hunger, und obwohl Vater Mazhar hat nach Essen fragte, bekam die Familie nichts; die Mutter wollte Menhel stillen, wurde aber sehr barsch behandelt. Über viele Stunden, in denen die Namen aufgerufen wurden, gab es weder zu essen noch zu trinken, niemand durfte sich hinsetzen.

Im Sportverein

Im Juni kam die Familie Abbas nach Hofheim und atmete auf. "Die sind integriert. Die sind Hofheimer", urteilt der Mediziner Eike Uhlich, der den Freundeskreis Asyl in Hofheim leitet. "Mit Energie und Freude haben sie sich auf die deutsche Sprache gestürzt", meint Uhlich, "so etwas habe ich noch nicht gesehen." Die Mädchen Zeynep und Nailla (12 und 13 Jahre) besuchen die Mittelschule. Der 15-jährige Sohn geht in die Berufsschule in Haßfurt. Sie sind beim Sportverein und grüßen höflich auf der Straße. Die Mutter hat als Muslima in der katholischen Kirche in Hofheim ihre Stimme erhoben und sich für alle Spenden bei den Hofheimern bedankt. "Wir wollten die ja erst nicht als Nachbarn. Aber jetzt sind sie besser als deutsche Nachbarn", meint ein Anwohner der Landgerichtsstraße, der namentlich nicht genannt werden will.

Angesichts der gewachsenen Wurzeln der Familie in Hofheim fallen Eike Uhlich zu der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die Familie nach Bulgarien abzuschieben, nur harsche Worte ein: "Paradox, schizophren, skurril!" Uhlich schimpft: Wenn es um Asylbewerber geht, reden alle besonders von Integration. Dort, wo diese aber stattfindet, in Hofheim, werden die Menschen wieder herausgerissen.
Besonders bitter ist: Die bayerische Staatsministerin Emilia Müller, der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel und Landrat Wilhelm Schneider saßen vor wenigen Monaten erst mit Familie Abbas an einem Tisch. Die Rede war von "Vorzeigeasylbewerbern". Denn eine Kommunikation auf Deutsch war bereits nach Kurzem möglich und die Familie fühlte sich sehr gut aufgenommen.

Keine Akteneinsicht

Die Ehrenamtlichen des Asylkreises in Hofheim wussten von Beginn an, dass das Asylverfahren der Familie Abbas aufgrund des vorherigen Aufenthalts in Bulgarien nicht leicht werden würde. "Deshalb haben wir ja auch schon sehr früh nach einem guten Anwalt gesucht", berichtet Eike Uhlich. Diesem ist vom Bundesamt auf mehrmalige Nachfrage nie die Akte der Familie übermittelt worden. Erst der Abschiebungsbescheid kam an. Dann musste er schnellstens handeln, um noch rechtzeitig eine Aussetzung der für morgen angekündigten Abschiebung der Familie zu bewirken. Seitdem sind auch die Hofheimer mehr denn je aktiv, denn für sie steht fest: "Wir lassen uns die Familie nicht einfach so wegnehmen", so Eike Uhlich.

Nach den Erlebnissen in Bulgarien sind die Kleinkinder Menhel und Nosin schwer traumatisiert. "Das erkennt sogar jemand, der kein Psychologe ist", sagt Uhlich. Sie haben heute noch furchtbare Angst, wenn sie Polizisten sehen. So waren die Kleinen beispielsweise nach drei Tagen in dem bulgarischen Lager krank.

Wer das bulgarische Flüchtlingslager verließ, setzte sich großer Gefahr aus: In den Straßenbahnen und Bussen Sofias drohten Angriffe der Einheimischen. Die jungen Abbas haben sich Hoffnung auf ein gutes Leben gemacht. Bulgarien? "Dort werden wir nicht wie Menschen behandelt", sagt der Vater, "wenn wir nach Bulgarien zurückgeschickt werden, dann gehen wir zurück nach Syrien. Das ist dann ein schnellerer Tod. In Bulgarien sterben wir jeden Tag ein bißchen."

"Wir werden hier aber alle nur denkbaren Möglichkeiten einsetzen, um genau dies zu verhindern", formuliert Eike Uhlich. Die Hofheimer Helfer vernetzen sich, recherchieren zu Mitteln und Maßnahmen und wollen es den Behörden nicht einfach machen. Immerhin wissen sie, dass nach einem Bericht des UN-Flüchtlingskommissariats Asylsuchenden in Bulgarien schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen.

Dublin-Verfahren

Im Dublin-Verfahren wird der für die Prüfung eines Asylantrags zuständige Staat festgestellt. Zumeist erfolgt das per Fingerabdruck und Interview. Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass ein Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat zu bearbeiten ist, stellt er ein Übernahmeersuchen/Wiederaufnahmeersuchen an den betreffenden Mitgliedstaat. Stimmt dieser zu, erhält der Antragsteller hierüber Mitteilung in Form eines Bescheides. Reist der Asylbewerber nicht freiwillig in den zuständigen Mitgliedsstaat aus, droht ihm die Abschiebung(Quelle: Bundesamt für Flüchtlinge und Migration).