500 Euro für den "Stinkefinger"

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Das Amtsgericht Haßfurt.
Das Amtsgericht Haßfurt.

Nach einem kleinen Konflikt auf der Maintalautobahn im Bereich Knetzgau landeten zwei Autofahrer in Haßfurt vor dem Amtsgericht. Das Verfahren wurde zwar eingestellt, doch die Geldauflage tut weh - wenn man nicht so flüssig ist.

Und wenn's einen noch so juckt: Den aus der Faust herausgestreckten Mittelfinger zeigt man seinem Gegenüber lieber nicht. Geht die Geschichte vor Gericht, so kann das ein paar Hunderter kosten.

Der so genannte Stinkefinger ist als strafbare Beleidigung bekannt, doch landete jetzt erneut ein hitziger Kandidat vor dem Richter. Es gab keine Verurteilung und auch keinen Freispruch, das Verfahren wurde eingestellt - allerdings gegen eine Geldauflage von 500 Euro.

Die normalen Bahnen der Kommunikation verlassen hatte offenbar ein 42-Jähriger, der im Juli vergangenen Jahres mit seinem Wagen auf der Maintalautobahn gen Bamberg "flog". Mit (erlaubten) 190 Sachen war er unterwegs, als kurz vor ihm ein Kleinwagen hinter einem Lkw ausscherte, um den Laster zu überholen.

Jedenfalls schilderte der Angeklagte den Vorgang so aus seiner Warte dem Richter Roland Wiltschka.
Er habe voll in die Eisen steigen müssen und sei "mit Händen und Füßen" mit dem Bremsen beschäftigt gewesen, um nicht in den langsamen Kleinwagen hineinzufahren. Und nein: "Stimmt nicht" - einen Stinkefinger habe er nicht gezeigt. Überhaupt tue er sich schwer, sich an die Sache zu erinnern, schon damals, als er nach acht Wochen die Anzeige in Händen gehalten habe.

Hintermann weit genug weg

Felsenfest bei seiner Darstellung blieb hingegen der beteiligte Kleinwagenfahrer, der nach der Attacke auf der Autobahn geschockt und verärgert war. Er habe in den Seitenspiegel gesehen, der Wagen hinter ihm sei auf der geraden Strecke gut erkennbar und seiner Meinung nach weit genug weg gewesen, und so habe er angesetzt zu überholen. 135 Stundenkilometer sind ja auch nicht langsam.

Da sei überraschend hinter ihm der Kühlergrill des anderen aufgetaucht. Der Hintermann zeigte laut dem Zeugen den Stinkefinger mit vor die Brust gehaltener Hand. Das erkannte der ebenfalls 42-jährige Vordermann, wie er dem Richter schilderte. Und nach dem Einscheren habe der hinten seine Geste mit der rechten Hand auf Halshöhe noch einmal bekräftigt.

Selbst nach intensiven Nachfragen des Richters ("Sind Sie sich absolut sicher, dass es der Mittelfinger war? Ohne Zweifel?") blieb der Zeuge unerschütterlich. Nach dem Vorfall sei er zur Arbeit gefahren, habe den Tag lang überlegt und am Abend dann Anzeige erstattet. Ja, er habe sich bedrängt und gefährdet gefühlt, und ja, er habe sich geärgert, unterstrich der Kleinwagenfahrer vor Gericht.

Klare Sache also. Die beiden Polizisten mussten als Zeugen nicht befragt werden. Der Anwalt des Angeklagten nahm einen Anlauf: Hat der doch im Grunde eine blütenreine Weste. Beruflich tausende Kilometer im Jahr unterwegs und schon als Zivildienstleistender damals im Lebenshilfe-Bus tadellos.

Ist der Ruf erst ruiniert...

Bedenken solle das Gericht: Käme es zu einer Verurteilung, so müsste der 42-Jährige mit beruflichen Konsequenzen rechnen und könne sich "schon mal nach einem neuen Job umsehen", wie ihm nahe gelegt worden sei.

Denn der Angeklagte arbeitet bei einer Firma, die penibel auf ihren guten Ruf bedacht ist. Immerhin sei er mit dem Firmenwagen unterwegs gewesen und somit offiziell Aushängeschild für das Unternehmen. Es wäre dann das Tüpfelchen auf dem i, denn der 42-Jährige musste seiner Firma auch schon die Lohnpfändung nach Privat-insolvenz erklären - Folgeerscheinung einer Scheidung.

"Also Einstellung des Verfahrens", kombinierte Richter Roland Wiltschka aus der Darstellung von Anwalt und Angeklagtem und erntete dankbare Blicke. Staatsanwältin Nora Reim musste zugeben, dass es sich ja letztlich um keine große Sache gehandelt habe und der Mann ein strafrechtlich unbeschriebenes Blatt sei. Einverstanden.

Wiltschka gab dem sichtlich erleichterten Angeklagten einen guten Rat mit auf den Weg: Er solle, meinte er, in Zukunft nicht das Recht in die eigene Hand nehmen und sich verständigen, wie es unter guten Mitteleuropäern üblich ist. Die 500 Euro Geldauflage gehen an die Lebenshilfe. Zahlt der Angeklagte die Summe, dann ist die Sache ein für allemal für ihn erledigt.