Beim Bau neuer Leitungen läuft offenbar alles auf einen Kompromiss hinaus, mit dem Horst Seehofer sein Gesicht wahren kann. In Unterfranken wird er sich damit keine Freunde machen: Dort muss man wohl mit einem "Südlink XL" leben. Vorerst heißt es aber: abwarten.
Die Bürger in Mittel- und Oberfranken können aufatmen: Die umstrittene Gleichstrompassage Südost ist mindestens vom Tisch, wenn nicht für immer gestorben. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat sich beim Energiegipfel am Donnerstag in Berlin durchgesetzt; der Netzausbau wird neu geplant. Die gute Nachricht für die einen ist eine schlechte Nachricht für die anderen Franken: An der Stromautobahn namens Südlink durch Unterfranken wird wohl nicht gerüttelt. Und nicht nur das: Sie wird sogar noch größer.
Handfeste Beschlüsse gab es am Donnerstagabend nicht, als sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit Seehofer und der bayerischen Energieministerin Ilse Aigner (CSU) traf. Schon im Vorfeld der Dreierrunde war klar, dass keiner der Beteiligten wegen der Energiewende den Koalitionsfrieden aufs Spiel setzen will. Klar war aber auch, dass eine Lösung im Streit um die Stromtrassen gefunden werden muss, mit der jeder sein Gesicht wahrt.
Seehofer hatte zuletzt beide Trassen in Frage gestellt, die Windstrom aus dem Norden der Republik in den Süden transportieren sollen. Südlink führt von Hamburg bis nach Grafenrheinfeld in den Netzknoten am Kernkraftwerk, das 2015 abgeschaltet wird; in einem zweiten Schritt soll die Leitung bis Baden-Württemberg verlängert werden. Die Gleichstrompassage Südost beginnt bei Halle in Sachen-Anhalt und endet in Meitingen bei Augsburg.
Gegen die beiden Höchstspannungsleitungen haben sich in Unter- sowie in Ober- und Mittelfranken Bürgerinitiativen gebildet; Seehofer hatte sich zu deren Fürsprecher gemacht und wiederholt angezweifelt, dass diese Trassen überhaupt gebraucht werden. Bayern wolle den fehlenden Atomstrom durch Reservekraftwerke und den Bau neuer Gaskraftwerke ersetzen.
Gabriels Zorn Damit hatte er sich nicht nur Gabriels Zorn zugezogen; auch die bayerische Wirtschaft, die sonst alles andere als Seehofer-kritisch ist, hatte den Kurs des Ministerpräsidenten in der Energiepolitik kritisiert und wegen drohender Stromengpässe und Preissteigerungen den Untergang des Industriestandortes Bayern heraufbeschworen.
Wie immer, wenn Meinungen öffentlich so hart aufeinander prallen, fällt die Suche nach dem Kompromiss erst einmal schwer, die Einigung im kleinen Kreis dann aber erstaunlich leicht. Wenngleich das, was gestern in Berlin herauskam, sich dadurch auszeichnet, dass vieles offen bleibt. Und Entscheidungen erst einmal aufgeschoben werden.
Die Teilnehmer beschworen einen Grundsatz der Energiewende, der nicht neu erfunden werden musste, sondern schon immer ein Pfeiler des Konzeptes war: Die Energiepolitik ist ein dynamischer Prozess, und ihre Bestandteile wie der Ausbau der Stromnetze werden nicht zementiert, sondern müssen stetig fortgeschrieben werden.
Diese Schritt-für-Schritt-Methode kommt Seehofer entgegen. Er kann den aufgebrachten Bürgern im Osten des Freistaates nun verkünden, dass er sein Versprechen hält und die Südost-Passage verhindert. Zunächst einmal. Wie er allerdings in Unterfranken, wo der Widerstand nicht kleiner ist, eine Trasse "Südlink XL" verkaufen wird, ist sein Geheimnis.
Wie nach dem Energiegipfel verlautet, soll die "Hauptschlagader" der Energiewende gebaut werden, und zwar in zwei Schritten auf einmal: "Die neue Trasse würde von Hamburg über den Raum Würzburg bis an die Donau führen und im wesentlichen der Autobahn A7 folgen", sagt der fränkische CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel aus Ansbach, der unter anderem auch beim Thema Windenergie offen ganz anderer Meinung ist als Seehofer und als einer der Protagonisten der Energiewende in der CSU gilt.
"Südlink" soll nach Seehofers Vorschlag einen oder sogar zwei "Ostlinks" bekommen: Eine Abzweigung soll den Strom aus Baden-Württemberg nach Bayern führen, eine mögliche zweite aus dem Raum Halle Windstrom zur Trasse leiten und die Südost-Leitung überflüssig machen.
Technische Hürden Ob das so funktioniert, ist offen; beim Netzbetreiber Tennet schlägt man ob solcher Planspiele die Hände über dem Kopf zusammen, denn "Abzweigdosen" wie im Eigenheim sind bei einer Gleichstromleitung technisch kaum machbar. An den Knotenpunkten müssten gigantische und teure Konverterstationen gebaut werden. Davon abgesehen: Ein "Ostlink" von Halle zu "Südlink" würde durch Thüringen und Unterfranken führen und dort ganz sicher keine Begeisterungsstürme auslösen.
Kommentar von Günter Flegel: Die Stimme der Vernunft Über die Energiewende lässt sich trefflich streiten, umso trefflicher, als irgendwie alle Recht haben. Beim Blick auf Windräder und Solaranlagen und Stromleitungen findet man ebenso viele wohl begründete Pros wie Contras und für jede Meinung einen Experten.
So könnte sich die Republik noch jahrelang im Kreis drehen, wenn sie nicht endlich mit dem Klein-Klein aufhört. Energiewende heißt nicht Windräder oder Solaranlagen oder Stromleitungen ... Die Energiewende ist ein Gesamtkomplex, die Veränderung eines Systems, quasi eine Operation am offenen Herzen. Da kommt man mit Meinungen und Stimmungen nicht weiter, am allerwenigsten mit Stimmungsmache. Die Verantwortlichen, allen voran Seehofer, Aigner und Gabriel, müssen zurück zur Vernunft.
Deutschland schaltete seine Atomkraftwerke ab und will seine Abhängigkeit von Energieexporten verringern, nicht nur beim Strom. Das ist vernünftig, und in diesen Punkten gibt es in diesem Land einen großen Konsens, parteiübergreifend und zwischen Politik und Bürgern.
Der Bürger darf und muss sich aber darauf verlassen, dass die Politik einen vernünftigen Weg geht, um diese großen Ziele zu erreichen: Die Versorgung muss gesichert sein, Energie muss bezahlbar bleiben. Politiker aber sind weder Physiker noch Techniker, sie brauchen Experten. Oder hat man schon einmal von einem Gesundheitsminister hört, der einem Patienten einen Herzkatheter legt?
Staatliches Stromnetz? Auf Experten muss man aber auch hören, auch wenn sie im Fall der Stromtrassen sehr wohl im Ruch stehen, den Interessen der großen Stromkonzerne zu dienen. Die haben eher Interesse an großer und geballter Technik als an einer genossenschaftlichen Stromversorgung, die aber auch nur kleinräumig funktioniert. Physik und Technik setzen da die Grenzen.
Wollte der Staat die Macht der Konzerne brechen, müsste er das Höchstspannungsnetz verstaatlichen. Deswegen würde es aber wohl nicht mehr und schon gar nicht weniger Leitungen geben. Sondern noch mehr Debatten und noch längere Verfahren.
Die Politik darf die Energiewende und ihre Akzeptanz nicht durch planloses Taktieren torpedieren. Die Bürger erwarten Entscheidungen, die von der Vernunft gesteuert werden. Und dann kann man auch mal emotional werden: Die Energiewende ist eine Riesenchance für dieses Land! Und längst alternativlos.
Im Artikel wird u.a. gesagt: 'Über die Energiewende lässt sich trefflich streiten, umso trefflicher, als irgendwie alle Recht haben'. das ist jedoch nur richtig, so lange Pro- und Kontra lediglich durch MEINUNGEN ohne technische Begründungen diskutiert werden. Im selben Moment, in dem es klar wird, dass wir in Deutschland nur in ca. 10 Prozent der 365 Tage genügend Wind und klare Sonne für genügend Wind/Sonnenenergie ohne großflächige Speichermöglichkeiten haben zeigt sich, mit welch gutgemeinten Illusionen die Bevölkerung hier irre geführt wird. Zu 90 Prozent fehlt uns eine wetterunabhängige kontinuierliche Stromversorgung nach Abschaltung der Kernkraftwerke. Öl-, Gas- und Braunkohle-Kraftwerke müssen dann eine kontinuierliche Stromversorgung für ein Hightech Industrieland sicherstellen, Für das bisschen Windstrom brauchen wir die großen Stromautobahnen nur sporadisch, hauptsächlich aber für den Transport von Braunkohestrom in den Süden.
O du blöder, so leicht verarschbarer, Deutscher Michel!
.... mir auffällt: Bei der Diskussion um die Stromversorgung und den umstrittenen Leitungsbau wird nicht einmal die Position der örtlichen Abgeordneten von SPD,Grünen und Freien Wählern hinterfragt. Die Sozis hocken doch auch in der Bundesregierung. Haben die keine Meinung, oder ist dies dem Herrn Flegel egal. Hauptsache gegen Seehofer und die CSU. Das ist aber billig.
"Deutschland schaltete seine Atomkraftwerke ab und will seine Abhängigkeit von Energieexporten verringern"
sollen wir etwa verar... werden? Wer schreibt denn solch einen Schwachsinn?
"Wollte der Staat die Macht der Konzerne brechen, müsste er das Höchstspannungsnetz verstaatlichen. Deswegen würde es aber wohl nicht mehr und schon gar nicht weniger Leitungen geben. Sondern noch mehr Debatten und noch längere Verfahren." Dies zeigt den Intelligenzgrad unserer Politiker auf!
Ich denke, HORSTI Schmandhoff (https://www.youtube.com/watch?v=OdPi6MIO-W0) will das meiste aussitzen.
m.f.G.
"Deutschland schaltete seine Atomkraftwerke ab und will seine Abhängigkeit von Energieexporten verringern":Sollte wohl heißen "Energieimporte"