Markus Häggberg Mein Lichtenfels hat mich zu allen Zeiten verwundert. Das begann schon in der Kindheit, als ich mich darüber zu wundern begann, wie es nur Menschen geben kann, die von hier wegziehen. ...
Markus Häggberg Mein Lichtenfels hat mich zu allen Zeiten verwundert. Das begann schon in der Kindheit, als ich mich darüber zu wundern begann, wie es nur Menschen geben kann, die von hier wegziehen.
Dann kam die Pubertät und ich begann mich zu wundern, wie man hierher ziehen kann. Und um diese Zeit hatten wir hier einen Bürgermeister, der doch allen Ernstes diese Liedzeile auf die A-Seite einer Single-LP brachte: "Lichtenfels ist die Stadt, die so viele schöne Mädchen hat." Was er auf der B-Seite sang, habe ich verdrängt.
Pubertätsbedingt ließ sich das mit dem Liedtext aber nicht verdrängen und so wunderte ich mich, wo genau in Lichtenfels dieser Bürgermeister diese vielen schönen Mädchen gesehen haben wollte. Jahrzehnte später habe ich mal mitbekommen, dass Neuensee einen ähnlichen Ruf für sich in Anspruch nahm. Ob begründet oder nicht, habe ich nicht mehr hinterfragt. Vermutlich war ich desillusioniert und wunderte mich zu der Zeit über gar nichts mehr.
Erst später begann ich mich wieder zu wundern. Beispielsweise darüber, warum ich meine erste Lichtenfelser Freundin Nena doof fand, obwohl ich Nena doch toll fand. Später fand ich Kim Basinger toll, aber die fand meine dritte Lichtenfelser Freundin auch doof. Das fand ich irgendwie unangebracht, doch später dann, als ich Scarlett Johansson mal toll fand, durfte ich mich wundern, warum meine Freundin die jetzt auch wieder doof fand. Und das, obwohl sie der Johansson gar nicht mal so unähnlich sah.
Was mich auch immer verwunderte, ist der Umstand, wonach man sich in Lichtenfels immer so an den Coburgern reibt, und das auch noch der nächsten Generation vererbt. Aber wen wundert's, das machen die Nürnberger mit den Fürthern ja schließlich auch. Dass man in Lichtenfels mit dem Dümpfelschöpfer so Werbung macht, wundert mich ehrlich gesagt auch schon immer, denn eigentlich ist der Typ ja nicht gerade helle gewesen. Im Grunde müsste man ihn eher verschweigen.
Und neulich stand ich an einem späten Mittwochnachmittag neben jemandem auf dem Marktplatz, der so vor sich hin bemerkte, dass dieser doch recht wenig belebt sei. Da wunderte ich mich, was dieser Mensch auf 130 Metern Strecke um diese Uhrzeit für Menschenaufläufe erwartet. Aber Hauptsache was gesagt.
Immer wieder kommt es auch vor, dass man Menschen hier begegnet, die man vorher noch nie gesehen hat, die aber davon sprechen, schon immer hiesig gewesen zu sein. Man möchte meinen, 48 Jahre sollten genügen, um sich 20 000 Gesichter einzuprägen. Okay, zugegeben, manchmal treten natürlich welche ab und andere wachsen nach - aber trotzdem!