Rainer Berthold, Präsident der Zinnfigurenvereinigung Klio, hat Vorschläge, wie man das Deutsche Zinnfigurenmuseum wieder zu einem Zugpferd machen könnte.
Wenn nicht alle Zeichen trügen, wird 2021 zum Jahr der Entscheidungen für die Plassenburg. Zwei Kernprobleme gilt es zu lösen: die Verkehrserschließung des Kulmbacher Wahrzeichens und die Attraktivierung der darin beheimateten Museen.
Bei der Verbesserung des Zugangs - ob Seilbahn, Buchwald-Trasse oder Verbesserung des Pendelbusverkehrs - prallen die Meinungen aufeinander, doch gleichwohl muss in absehbarer Zeit eine Lösung gefunden werden. Für Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD) hat das Nachdenken darüber Vorrang, wie man den städtischen Museumsbestand im Landschaftsmuseum Obermain und im Deutsche Zinnfigurenmuseum besser nutzen und zeitgemäßer präsentieren kann. Die vakante Stelle des Museumsleiters soll nach seinem Willen wieder besetzt werden. Für die Weichenstellung soll ein Burggipfel dienen, ein Treffen aller Beteiligten, das im ersten Quartal 2021 stattfinden soll.
Wir sprachen mit Rainer Berthold, dem frisch gewählten Präsidenten der Zinnfigurenvereinigung Klio.
Sie sind als Präsident der Zinnfigurenvereinigung erst seit kurzem im Amt. Eigentlich wollten Sie Ende 2020 die Präsidiumssitzung von Klio auf der Plassenburg halten. Dies ist an Corona gescheitert. Aber die Frage: Welche Rolle spielen Kulmbach, die Plassenburg und das Deutsche Zinnfigurenmuseum für Klio heute?
Rainer Berthold: Die Plassenburg ist für einen Zinnfigurensammler immer eine Reise wert. Das neue Präsidium hätte sich gerne mit dem im Amt relativ neuen Oberbürgermeister Lehmann getroffen, um mit ihm gemeinsam nach Möglichkeiten der Stärkung der Plassenburg zu suchen. Er hatte dies ja als eines seiner Ziele verkündet. Wir freuen uns über dieses Ansinnen, denn die Plassenburg ist ja für unsere Spezies an Sammlern etwas ganz Besonderes. Welche Kunst- oder Sammlergruppe kennt einen solchen Mittelpunkt?
Sie haben seit einigen Jahre kein Jahrestreffen mehr auf der Plassenburg gehalten. Was hätten Sie diesmal speziell auf der Burg besprochen?
Wir treffen uns nur üblicherweise einmal pro Jahr persönlich, ansonsten reichen die modernen Kommunikationstools. Natürlich ist das gesamte Präsidium immer bei den Zinnfigurenbörsen in Kulmbach anwesend. Die Stärkung der Plassenburg, die weitere Entwicklung der Börse und die Verbesserung der internationalen Wahrnehmung lägen uns am Herzen, was am Ende immer auch eine positive Wirkung für die Stadt Kulmbach an sich hätte, die auch eine Touristenstadt ist.
Zinnfiguren gelten, vor allem bei Jüngeren, als altmodisch, als aus der Zeit gefallen. Was halten Sie dem entgegen?
Ein Hobby sorgt für Ausgleich zu der beruflichen Belastung und trägt somit zum Wohlbefinden bei. Wenn dieses Hobby dann auch noch Fähigkeiten trainiert und vielseitig ist, dann ist es umso anregender. Man kann malen und gestalten, Quellenstudium betreiben, darf sich mit Geschichte beschäftigen, ist vom Altertum bis zur Fantasy auf keine Zeit und kein Thema festgelegt, man kann über Umfang und Intensität selbst entscheiden. Der Raumbedarf bleibt bescheiden, und das Portemonnaie wird nur überschaubar strapaziert. In jungen Jahren übt es Geduld und Fertigkeiten, in hohem Alter erhält es Geist und Fertigkeiten. In der Gemeinschaft kann man sich generationenübergreifend austauschen. Das fördert den Zusammenhalt.
In den nächsten Wochen findet ein Burggipfel statt, bei dem es auch über eine Neugestaltung der städtischen Museumslandschaft geht. Was könnten Sie sich vorstellen, wie man auch die die Zinnfigurensammlung modernisieren könnte? Mit mehr moderner Technik?
Man kann kleine Filme und Beleuchtungseffekte nutzen, aber am Ende lenkt das eher ab. Wichtig für den Betrachter ist es eher, dass die Dioramen massentauglich erläutert werden. Gegebenenfalls kann man bei größeren Darstellungen besondere Szenen mit Spot-Lights hervorheben. Staubige Dioramen mit abgeknickten Bäumen schrecken ab. Aufgereihte Massendarstellungen ohne Dynamik wirken langweilig.
Räume sollten thematisch gefüllt werden und so auch durch geschichtliche Hintergrundinformation das Bild abrunden - nur dann wird Geschichte lebendig. Keine unstrukturierte Ansammlung!
Und natürlich ist überall das gute Licht wichtig, schon das Erscheinungsbild des Raumes muss frisch wirken. Auch Übungsbereiche haben sich bewährt, in denen jedermann einmal selbst eine Figur seiner Wahl anmalen kann. Acrylfarben trocknen ja schnell.
Herr Berthold, Sie kennen den heftigen Streit um die Anbindung der Plassenburg?
Ja, natürlich. Nur soviel: Das A und O ist die gute Erreichbarkeit. Der Mensch ist bequem und wünscht den kurzen Fußweg, aber nicht den beschwerlichen Anstieg. Hier müssen Kompromisse zum achtenswerten Naturschutz gefunden werden.
Was halten Sie von der Idee, einzelne Exponate oder bestimmte Dioramen vorzustellen, etwa durch eine Sonderführung?
Exzellent. Ich habe schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass man mit einer Führung erst das wirkliche Interesse weckt. Dann kann man auf die Besonderheiten der Darstellung hinweisen. Es schärft auch die Wahrnehmung beim Besucher. Die Wirkung kann sich allerdings meist nur entfalten, wenn es eben ein Kenner ist. Die rezitierende "Ausstellungsschranze" verstört. Die Leidenschaft sollte man vermitteln.
Zum Potsdamer Verleger August Bonneß: Er war leidenschaftlicher Zinnfigurensammler und Vorsitzender von Klio in Potsdam. Bei der Verankerung des Zinnfigurenmuseums auf der Plassenburg hat er gewiss große Verdienste.
Man kann diese Tat nicht hoch genug würdigen. Es gibt sicher manchen herausragenden Kunstmäzen, der ähnliches tat. Der wird dann gerne mit dem Museumsnamen geehrt. Bonneß tat es aber nicht, um seine eigene Sammlung zu zeigen und sich damit zu brüsten, sondern es war sein Ansatz, der Sammlerschaft einen Platz zu schaffen. In diese Reihe kann sich kaum einer stellen.
Bonneß ist wegen seiner unbeugsamen Haltung in der NS-Zeit wenige Monate vor Kriegsende von Freislers Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Der Vorgang ist gern verschwiegen worden und in Kulmbach weitgehend unbekannt. Die Stadt Kulmbach möchte am Eingangsbereich des Zinnfigurenmuseum eine Gedenktafel anbringen, die an Bonneß' Verdienste erinnert und seinen Tod benennt. Wie finden Sie das Vorhaben?
Ich begrüße das außerordentlich. Einerseits ist es immer wert, daran zu erinnern, dass Zivilcourage und für die Grundrechte einer Verfassung einzutreten, Bürgerpflichten sind, und das nicht nur bei Schönwetter, sondern auch unter Risiko. Wer sogar so mutig ist, dafür sein Leben zu opfern, der verdient unsere Erinnerung umso mehr. Anderseits ist natürlich seiner besonderen Leistung für dieses Museum zu gedenken.