"Wir dürfen nicht nur zuschauen"

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Psychotherapeut Roland Härtel-Petri und der Drogenpräventionsbeauftragte Peter Stenglein zeigen die "schönen bunten Beutelchen": Die Vermarktungsstrategie setzt auf Verharmlosung. Fotos: Sonja Adam
Psychotherapeut Roland Härtel-Petri und der Drogenpräventionsbeauftragte Peter Stenglein zeigen die "schönen bunten Beutelchen": Die Vermarktungsstrategie setzt auf Verharmlosung.  Fotos: Sonja Adam
 

Drogen  Der Landkreis Kulmbach will beim Kampf gegen "Legal Highs" und "Kräutermischungen" eine Vorreiterrolle übernehmen. Gestern hat der Kreistag eine Resolution gegen die gefährlichen Stoffe auf den Weg gebracht.

von unserer Mitarbeiterin Sonja Adam

Kulmbach — "Entspannen, loslassen und die Wirkung genießen. Kommt mit uns auf eine chillige Reise" - so werben die Internetversandhändler für die sogenannten "Kräutermischungen". Die legalen Drogen, denn um nichts anderes handelt es sich dabei, werden in bunten Tütchen verkauft. Oft sind sie als Badesalze oder Reiniger deklariert, manchmal steht sogar aufgedruckt, dass der Tütcheninhalt nicht geraucht werden sollte. Doch genau dazu sind die "Kräutermischungen" da: zum Rauchen.
Wer zwei Päckchen kauft, bekommt drei oder wer drei kauft, bekommt vier. Und das Schlimme an den neuen Drogen ist, dass Verkauf und Besitz völlig legal sind. Denn die Hersteller dieser "Kräutermischungen"; die übrigens gar nichts mit natürlichen Kräutern gemein haben, verwenden immer wieder neue Stoffe. Und wenn ein Stoff verboten ist, wird er leicht modifiziert - und ist wieder legal.
"Wir dürfen nicht nur zuschauen, wir müssen handeln", sagte Landrat Klaus Peter Söllner bei einem Vortrag im Jugendzentrum Alte Spinnerei. "Die Jugendlichen oder Erwachsenen lassen sich durch hippe Verpackungen täuschen, der Inhalt ist hochgefährlich", so der Landrat.
Deshalb unterstützt Söllner eine Resolution gegen diese "Kräutermischungen". Der Kreistag Kulmbach wird eine Resolution verfassen, die fordert, dass ganze Stoffgruppen verboten werden sollen. Auch die Vizepräsidentin des Bayerischen Landtages, Inge Aures (SPD), hat schon ihre Unterstützung zugesagt.
Peter Stenglein, vom K4-Dezernat der Kriminalpolizei plauderte beim Treffen mit Vertretern aus Schulen, Vereinen und dem öffentlichen Leben. 2006 wurde erstmals "Spice" verkauft. Dabei handelt es sich um ein - zugegebenermaßen - wohlriechendes Kräuterprodukt. "Aber die Wirkung kommt nicht von den Kräutern, sondern die Drogen werden mit Aceton und einem Gemisch aus neuen psychoaktiven Substanzen gemischt. "Die Produkte haben eine stark neurotoxische Wirkung, manchmal sind sie um das fünf- oder hundertfache stärker als Cannabis", so Stenglein. Die Inhaltsstoffe sind jedoch nicht klar verzeichnet, und die Konzentration der Drogen variiert - auch innerhalb verschiedener Beutelchen.
Das Schwierige für die Polizei ist, dass jedes Jahr zwischen zwanzig und fünfzig neue Substanzen verwendet werden - sie ähneln anderen einer Stoffgruppe, aber sind eben doch wieder anders. Jetzt gibt es eine Initiative, ganze Stoffgruppen zu verbieten. "Aber es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, gegen die Drogen vorzugehen", so Stenglein. Denn allein mit restriktiven Maßnahmen habe die Polizei keine Chance, sondern es müsse gelingen, die Menschen dazu zu bewegen, die Dinge gar nicht erst auszuprobieren.
"Zuneigung, Zeit und Zärtlichkeit" sind die wichtigsten Mittel, um Jugendliche abzuhalten, überhaupt solche Mittelchen auszuprobieren. Und noch eins machte Stenglein klar: Jede Sucht und jede Lust aufs Ausprobieren fängt erst mit normalen Zigaretten und mit Alkohol an. Dann kommen weitere Substanzen hinzu.
Genau das konnte auch Psychotherapeut Roland Härtel-Petri bestätigen. Er erzählte von Todesfällen, aber auch von epileptischen Anfällen, von Bluthochdruck, von Herzinfarkten, von Schlaganfällen. Das Fatale an den neuen Wirkstoffen ist, dass es keinerlei Langzeitfolge-Untersuchungen gibt.
Härtel-Petri erzählte von einem Patienten, der sich nach dem Konsum einer Dosis "Black diamond" versucht hat, beide Arme abzuschneiden - und sich so schwer verletzt hat, dass die Arme nicht gerettet werden konnten. Er erzählt von Halluzinationen der schlimmsten Art. Ein 15-Jähriger aus Bayreuth hat nach dem Konsum sein ganzes Zimmer kurz und klein geschlagen. Er hat Feuer gesehen. "Es hat fünf Tage gedauert bis der Junge von seinem Trip runtergeholt werden konnte", erzählt Härtel-Petri aus der Praxis. Die neuen Drogen sind gefährlicher als alle bisherigen Produkte, denn sie sind unberechenbar - auch wenn sie im Internet als "harmlos" und "ungefährlich" deklariert sind.
Auch der Jugendkontaktbeamte der Polizei, Jürgen Jakob, berichtete von psychischen Auffälligkeiten, von Halluzinationen. Doch ein weiteres Problem gibt es bei den "Legal Highs". Denn wenn Konsumenten mit den Tütchen aufgegriffen werden, hat die Polizei quasi keine Handhabe. "Wir erleben die Jugendlichen völlig aufgedreht, total von der Rolle, sie sind gewaltbereit - auch gegenüber der Polizei, manche kriegen einen Lachflash", erzählte der Praktiker. Tatsächlich gibt es immer wieder Todesfälle durch die "Designerdrogen", "Kräutermischungen", "Research Chemicals" oder wie sie auch immer genannt werden.
Deshalb macht sich der Kreisjugendring für ein Verbot von kompletten Stoffgruppen stark. Der Kreistag will dies in seiner Resolution unterstützen. Zudem möchte der Kreisjugendring ein Präventionskonzept in Kulmbach voranbringen - auch mit den nötigen finanziellen Mitteln, betonten Susanne Knobloch und Jürgen Ziegler.