Wettbewerb um Talente nimmt zu

2 Min
Personalbindung ist ein wichtiges Thema für Unternehmen der Versicherungsbranche. Bei der HUK Coburg gibt es deshalb seit 2010 das Projekt "Bewerberbindung". Foto: Archiv/Jochen Berger
Personalbindung ist ein wichtiges Thema für Unternehmen der Versicherungsbranche. Bei der HUK Coburg gibt es deshalb seit 2010 das Projekt "Bewerberbindung". Foto: Archiv/Jochen Berger

Ausbildung  In der Versicherungsbranche versuchen immer mehr Unternehmen, Mitarbeiter langfristig an sich zu binden.

Coburg — Während viele Jugendliche in diesen Tagen noch ihre Sommerferien genießen, hat für andere ein neuer Lebensabschnitt begonnen: Sie starten ins Berufsleben. Schätzungsweise eine halbe Million Mädchen und Jungen nehmen in diesem Jahr eine berufliche Ausbildung auf. Bundesweit etwa 4300 von ihnen beginnen ihre Karriere in der Versicherungswirtschaft.
Die Branche setzt seit je her nach eigenen Angaben im großen Umfang auf Auszubildende. Sie machen rund sechs Prozent der bundesweit insgesamt 212 700 Beschäftigen in den Versicherungsunternehmen aus. Zählt man die Ausbildungsplätze in den Agenturen noch hinzu, die von den Versicherungsunternehmen mitfinanziert werden, beträgt die Quote gar mehr als sieben Prozent.

Viele Aspiranten

Zum Vergleich: Über alle Wirtschaftszweige hinweg lag die Ausbildungsquote 2012 nach Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung bei 5,6 Prozent.
Der mit großem Abstand häufigste Ausbildungsberuf in der Branche ist der Kaufmann beziehungsweise die Kauffrau für Versicherungen und Finanzen. "Etwa 95 Prozent der Auszubildenden erlernen diesen Beruf", sagt Michael Gold, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Versicherungsunternehmen (AGV). Und das Interesse ist groß. Rund 20 Bewerber kamen nach Angaben des AGV zuletzt auf jede Stelle, mehr als in den Jahren 2008 bis 2011.

70 Prozent Abiturienten

Gute Übernahmechancen, vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten und im Branchenvergleich überdurchschnittliche Verdienstmöglichkeiten locken die Jugendlichen an. Die Branche profitierte zuletzt aber auch davon, dass viele Bundesländer das Abitur von neun auf acht Jahre umgestellt haben - verbunden mit doppelten Jahrgängen. Immerhin bilden Abiturienten mit mehr als 70 Prozent die Hauptklientel der Auszubildenden in der Versicherungsbranche.
Doch die Lage ändert sich. "Langfristig erwarten die Unternehmen sinkende Bewerberzahlen", sagt Gold. Der Grund ist klar: die demographische Entwicklung. Seit 2006 ist die Zahl der jährlichen Schulabgänger um 100 000 gesunken. Ein Rückgang von zehn Prozent.
Und auch die Versicherer bekommen die Folgen der Entwicklung bereits zu spüren. Knapp sieben Prozent der angebotenen Lehrstellen blieben zuletzt unbesetzt. Das liege vor allem an der fehlenden Eignung einiger Bewerber, sagt Gold. Ein weiteres Problem seien die Abspringer, die vor Ausbildungsbeginn bei einem anderen Arbeitgeber anheuern. "In diesen Fällen fällt es Unternehmen schwerer als früher, die Lehrstellen kurzfristig nachzubesetzen", sagt Gold.
In Zukunft wird der Wettbewerb um junge Talente noch zunehmen. Laut aktuellem Bildungsbericht sinkt allein die Zahl der nichtstudienberechtigten Schulabgänger bis 2025 nochmals um rund 109 900 oder fast 20 Prozent. Das bedeutet, dass sich die Unternehmen noch intensiver mit der Nachwuchsgewinnung beschäftigen müssen. Gefragt sind innovative Konzepte, um Jugendliche für den Beruf zu begeistern und Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden.
Und die Branche ist durchaus erfinderisch, wie die Bewerbungen für den Bildungspreis InnoWard zeigen. Damit zeichnet das Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) seit 2005 innovative Konzepte der beruflichen Erstausbildung, Personalentwicklung und Qualifizierung aus. Darunter sind auch immer wieder solche, die sich mit der Personalbindung befassen - so wie in diesem Jahr.

Projekt "Bewerberbindung"

Die HUK Coburg geht mit dem 2010 ins Leben gerufenen Projekt "Bewerberbindung" ins Rennen. Es beinhaltet verschiedene Aktionen, mit denen die Phase zwischen Vertragsübergabe und Ausbildungsbeginn belebt wird. Organisiert werden sie von den erstjährigen Auszubildenden. Dazu zählen etwa die persönliche Vertragsübergabe an die Neulinge, der Versand von Geburtstagswünschen und Newslettern sowie Veranstaltungen mit den Eltern im Unternehmen. Erklärtes Ziel des Programms: die Abspringerquote vor Ausbildungsbeginn zu minimieren.
Die VGH Versicherungen in Hannover verfolgen eine ähnliche Strategie. Lange vor Ausbildungsbeginn lädt das Unternehmen die künftigen Mitarbeiter ein. Auszubildende berichten dann über ihre Erfahrungen, erklären, wie die Ausbildung funktioniert und was die Neuen erwartet. Höhepunkt der Vorbereitung ist ein gemeinsamer Besuch mit den Eltern in der VGH-Direktion, um auch den Erwachsenen die Chance zu geben, Fragen zu stellen und einen Einblick in das Unternehmen zu bekommen. "Die Maßnahmen bringen einen Imagegewinn und stärken die Bindung der Jugendlichen an das Unternehmen", sagt Monika Nothelle, Abteilungsleiterin für Personalentwicklung bei VGH.
AGV-Geschäftsführer Gold beobachtet in der Branche noch einen anderen Trend. "Die Versicherer bieten vermehrt duale Studienplätze an." Für Gold sind berufs- oder ausbildungsbegleitende Studienangebote eine gute Möglichkeit, um mehr Talente langfristig zu binden. Das Potenzial ist groß: Von den Auszubildenden, die nach Ende der Lehre nicht beim Versicherer bleiben, beginnt im Anschluss immerhin fast jeder Fünfte ein Studium