Während der Erste Weltkrieg für das Deutsche Reich am 11. November 1918 mit dem Waffenstillstand von Compiègne beendet war, musste der Invalide Julius Prager bis Mai 1919 im Lazarett bleiben. Aufgrund seiner Kriegsverletzungen wurden Prager 85 Prozent der Vollrente eines Gemeinen zugesprochen. Seine jährliche Grundrente betrug 459 Mark.
In seine Heimatstadt Forchheim zurückgekehrt, musste sich der Kriegsinvalide Julius Prager eine neue Existenz aufbauen. Er war unverheiratet. Am 27. November 1922 eröffnete er ein Schuhgeschäft, das im Haus Paradeplatz 13 untergebracht war. Mitinhaberin war seine ebenfalls ledige Schwester Ida. Nicht weit von seinem Laden entfernt wohnte Prager zur Miete im Haus des Metzgermeisters Johann Huberth, Nürnberger Straße 2.
Ab November 1935 lebten die Geschwister Ida, Sera und Julius Prager im Haus Klosterstraße 16. 1933 riefen die örtlichen Nationalsozialisten zum Boykott des "jüdischen" Schuhgeschäfts auf. Doch damit nicht genug. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 verschonte man nicht einmal den Kriegsinvaliden Julius Prager. Wie die anderen jüdischen Männer der Stadt wurde er verhaftet. Man zwang ihn, den Weg von seiner Wohnung zur Polizeiwache zu Fuß zurückzulegen.
Am 25. November 1938, nur zwei Wochen nach der Reichspogromnacht, starb Ida Prager im Alter von 58 Jahren. Julius Prager wurde gedrängt, sein Schuhgeschäft zu schließen. Er hätte es gerne an seine "Ladnerin" Erna Wetzel übergeben, die es weiterführen sollte. Doch dies ließen die Nationalsozialisten nicht zu - mit der fadenscheinigen Begründung, es gebe in Forchheim schon genügend Schuhgeschäfte. In Wahrheit erschien die katholische Familie Wetzel den Nationalsozialisten nicht vertrauenswürdig.
Deportation im März 1942
Im Juni 1940 wurden Julius Prager und seine Schwester Sera gezwungen, ihre Wohnung aufzugeben und in das Haus Paradeplatz 4 zu ziehen. Die Witwe Sera Rosenbaum war nach dem Tod ihres Ehemannes Benno Rosenbaum in ihre Heimatstadt Forchheim zurückgekehrt. Gemeinsam mit Emma Rosalie (Sali) Braun, der das Haus am Paradeplatz gehörte, wurde das Geschwisterpaar Prager am 23. März 1942 deportiert.
In einem Brief vom 21. März 1942 kündigte der Kriminalsekretär Hans Luft dem Bürgermeister der Stadt Forchheim an, dass "die 3 angeführten Juden am 23. 3. 1942 durch Unterzeichneten nach Nürnberg verschubt" werden. Luft war der örtliche Beamte der Kriminalpolizei, dem von der Geheimen Staatspolizei Nürnberg mitgeteilt worden war, dass am genannten Tag "weitere Juden nach Lublin evakuiert" werden sollten. Während durch den Begriff "verschubt" drei unbescholtene Personen kriminalisiert werden, verharmlost und verschleiert der Ausdruck "evakuiert" den Vorgang der Deportation.
Ziel des Transports mit 1000 fränkischen Juden war das Ghetto Izbica bei Lublin im Osten Polens. Von dort wurden sowohl die polnischen Juden des Ortes als auch die deportierten reichsdeutschen Juden schließlich per Bahn in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor gebracht und dort ermordet.
Über die genauen Umstände des Todes von Julius Prager und seiner Schwester Sera Rosenbaum ist nichts bekannt. Fotografien der beiden Deportierten sind offenbar nicht mehr vorhanden. Zeitzeugen, die die beiden Geschwister noch persönlich gekannt haben, sind längst verstorben.
Ein unscheinbarer metallener Schuhlöffel mit der Aufschrift Schuhhaus Prager und Co. ist erhalten geblieben und wird im Depot des Pfalz-Museums aufbewahrt. Bald sollen zwei Stolpersteine an das Geschwisterpaar erinnern, das vom NS-Regime ermordet worden ist.