Dieter Grams Chapeau Claque hat mit der Alten Seilerei einen Raum für Kultur zentral in Bamberg geschaffen. Mit Kultur pur wurde die zweite Spielzeit dieser...
Dieter Grams
Chapeau Claque hat mit der Alten Seilerei einen Raum für Kultur zentral in Bamberg geschaffen. Mit Kultur pur wurde die zweite Spielzeit dieser - in ihrer Art einmaligen - Kulturstätte eröffnet.
Die Uraufführung von "gemeinsamgehörengehört" war kein Stück Kultur, das man mal eben so en passent konsumieren kann oder sollte - sondern vielmehr eine Tanz-Musik-Theater-Performance auf allerhöchstem Niveau.
Flüssig, geschmeidig, ausdrucksstark und nachdenklich, eingehüllt in Regenbogen-Klangfarben, "kantige Hock-Moffs" auf der Bühne, körperlich, böse und liebevoll, meisterhaft komponiert und inszeniert von Johanna Knefelkamp und Laura Saumweber.
Gemeinsamgehören, zusammengehören - das war schon vor dem Einlass bei der Uraufführung angesagt.
"Wir sind komplett ausverkauft", war folgerichtig die niederschmetternde Auskunft für alle, die sich im Vorfeld keine Karte besorgt hatten.
Beifall statt Ware
"Dies ist Ihr Abend, geschenkt von mir", sagte Andreas Ulich. "Meine Welt ist Ihre Bühne, meine Bühne Ihre Welt. Und was schenken Sie mir?"
Das Publikum schenkte reichlich Applaus. Ulich hatte zwar eher an Häuser, Autos oder Ähnliches gedacht, gab sich dann aber mit dem von den Besuchern gespendeten Plusquamperfekt zufrieden. Das Plusquamperfekt, so die grammatikalische Erklärung, ist eine Zeitform für eine in der Vergangenheit bereits abgeschlossene Handlung.
Vom Haben
Viel Beifall gab es für Ulichs Sein und Haben, für seine "eindrücklich aufdringliche" Frage nach der "nachdrücklichen Besitzstandswahrung höchsteigener Werte".
"Ich teile, also bin
ich. Wir teilen, also haben wir. Sie können ja gehen, wenn Ihnen das nicht passt." Niemand ging und in der Pause bildeten sich endlose Schlangen vor der Damen-Toilette. Ein Kriegsschauplatz.
"Wir sind unser Krieg. Auf dem Platz ist Krieg und Sie schauen zu", so Ulich und "nur wer Geist hat, sollte auch Besitz haben. Wer kommt da denn überhaupt infrage? Haben. Haben. Haben. Wir sind von Kopf bis Fuß auf Haben eingestellt. Wann haben wir denn genug?" So waren die Gedanken zu hören.
Empathie sei ein schönes Wort, auch wenn keiner wisse, was das ist - Empathie: "Wenn die Grillen zanken, dann grillt man in Franken - haben Sie die Stille gehört?"
Verbunden mit Bamberg
Keine leichte Kost war das Vorgeführte. Die gab es dafür in Daniel Reichelts Café vor und nach der Aufführung.
Was passt, und was passt nicht zusammen? Tastend, suchend, explodierend und selektierend begegneten sich in den folgenden Choreografien neben Knefelkamp und Saumweber Laura Schabacker, Aline Joers, Nadine Panjas, Veit Sperl, Alexander Schug und Stephan Goldbach, virtuose Künstler, verteilt wie Blätter im Wind, aber alle flach- oder tiefwurzelnd mit Bamberg verbunden.
Und ja - sie provozieren und liebäugeln, flirten und konfrontieren gleichermaßen. Gemeinsamgehörengehört.
Alle, die gehört, gesehen, erlebt und gefühlt haben, wollten das Ensemble an diesem Abend nicht von der Bühne in der Alten Seilerei lassen. 20 Minuten lang Standing Ovations - mit Recht.