StOV ließ Eberns Wirtschaft brummen

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Als Verteidigungsminister besuchte Helmut Schmidt den Standort. Fotos: Archiv
Als Verteidigungsminister besuchte Helmut Schmidt den Standort. Fotos: Archiv
Ende September 2004 gaben die letzten Soldaten in der Bekleidungskammer der StOV ihre Ausrüstungsgegenstände ab.
Ende September 2004 gaben die letzten Soldaten in der Bekleidungskammer der StOV ihre Ausrüstungsgegenstände ab.
 
Ein letztes Einholen der Truppenfahne: Noch einmal salutierten die letzten verbliebenen Soldaten und Vertreter der Standortverwaltung.
Ein letztes Einholen der Truppenfahne: Noch einmal salutierten die letzten verbliebenen Soldaten und Vertreter der Standortverwaltung.
 
Für ihre Bundeswehr gingen die Eberner 2004 auf die Straße. Der Kampf wurde verloren.
Für ihre Bundeswehr gingen die Eberner 2004 auf die Straße. Der Kampf wurde verloren.
 
 

Am 1. April jährt sich die Eröffnung der Standortverwaltung in der Bundeswehr-Garnison Ebern zum 50. Mal. Von Ebern aus wurden zeitweise die militärischen Angelegenheiten für ganz Oberfranken geregelt. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs war das Ende des Standorts besiegelt.

Eckehard Kiesewetter Ebern — In Ebern herrschte Aufbruchstimmung. Die Bundeswehr war seit 1962, nach anfänglichen Ressentiments in der Bevölkerung, längst akzeptiert. Die Noch-Kreisstadt unweit der Zonengrenze schmückte sich gerne mit dem Titel Garnisonsstadt. Weil ein aufstrebender Militärstandort eine schlagkräftige Wehrverwaltung braucht, nahm 1969 die Standortverwaltung (StOV) ihre Arbeit vor Ort auf. Zeitweise sollte sie mit über 350 Bediensteten und Millionen-Etats zum zweitgrößten Arbeitgeber der Stadt werden. Sie bot Ausbildungs- und Arbeitsplätze im gehobenen Dienst und war ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die gesamte Region. Doch sie ist längst Geschichte. Ihr Ende zum 31. März 2005 hing unmittelbar mit dem Truppen-Abbau nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und mit der Auflösung der Garnison im Jahr 2004 zusammen.

Zum 1. April 1969 zog die Standortverwaltung von provisorischen Büros im Munitionsdepot Breitengüßbach nach Ebern-Sandhof um, wo in zweijähriger Bauzeit ein großzügiger Komplex mit Büro, Werkstatt-, Lager- und Kammergebäuden entstanden war. 47 Beamte und Angestellte und 74 Arbeiter übernahmen logistische und verwaltungstechnische Aufgaben im Dienste des Verteidigungsministeriums. Umstrukturierungen gab es immer wieder. So existierte die Standortkasse nur bis 1973. Dort wurden - für heutige Verhältnisse undenkbar - jährlich rund vier Millionen Mark an Wehrsold in Bargeld ausgezahlt. Die Lohnstelle in Ebern wurde 1985 aufgelöst.

Die Auflösung drohte

Anfang der 1990er Jahre drohte ein Übergang der Eberner Wehrverwaltung in die StOV Bayreuth. Erfolgreich zogen Politiker aus der Region die Strippen, so dass es 1991 anders herum kam: Die StOV Bayreuth ging in die Eberner Standortverwaltung über. Damit waren die Eberner für Oberfranken zuständig. Die StOV wurde zur flächenmäßig größten Dienststelle der bayerischen Wehrverwaltung. Sie betreute rund 2500 Soldaten und Zivilbedienstete und eine Fläche, so groß wie das Saarland. Ab 1992 hatte die StOV auch einen hauptamtlichen Ausbildungsbeauftragten. Der Standort wurde jahrelang ausgebaut und von 1989 bis '92 zu einer der modernsten Kasernen der Republik gemacht. Die "Kaserne 2000" hatte Modellcharakter. In Neubaumaßnahmen flossen im Lauf der Jahre über 100 Millionen Mark (rund 50 Millionen Euro), all dies im Verantwortungsbereich der Standortverwaltung. Deren Investitionsvolumen, einschließlich der Kaufkraft des Personals wurde rückblickend auf jährlich 15 Millionen Euro geschätzt.

Ehemalige "StOVler" berichten von einer straff organisierten Einrichtung mit vier Sachgebieten und Unterabteilungen. Sachgebiet I "Organisation" beispielsweise verwahrte das "Bürosondergerät": Es wurde eingesetzt, wenn eine Schreibmaschine klemmte oder der Kopierer nur noch Schredderpapier ausspuckte. Während die Beamten von München aus betreut wurden, war Sachgebiet II für die Einstellungen und Beförderungen der Angestellten und Arbeiter zuständig. Hier ging es auch um die sozialen Belange (Beihilfen, Mutterschutz, Erziehungs- und Trennungsgeld oder Wohnungsfürsorge).

Reparatur und Ersatz waren direkt im Haus angesiedelt. Im Sachgebiet III (Beschaffung) werkelten in der Kammerwerkstatt auch Schneider und Schuhmacher, und es sorgte für die Verpflegung, denn "Ohne Mampf kein Kampf".

Die Abteilung Bekleidung hatte jeden Soldaten mit exakt 115 passenden Einzelstücken auszustaffieren: Stahlhelm und Kampfanzug, Ausgehuniform und alle Accessoires vom Gürtel über das Feldgeschirr bis zum Klappspaten. Alle Artikel wurden später wieder eingesammelt. Nur die Unterwäsche und das "Schwerschuhzeug" (zwei Paar Kampfschuhe) durften die Rekruten mit nach Hause nehmen - "zur Aufbewahrung", wie es offiziell hieß.

Das Sachgebiet Liegenschaften betreute Mitte der 90er Jahre unter anderem 48 Kilometer Straße und 265 Gebäude, darunter so wichtige Liegenschaften wie das Munitionsdepot Breitengüßbach, das Bamberger und das Bayreuther Kreiswehrersatzamt und die Kasernen in Bayreuth, Ebern und Hof.

Ein gestrenger Leiter

Der erste StOV-Leiter, Otto Deuerling, achtete streng auf militärische Ordnung. Nach einer Beförderung mussten ihn alle mit "Herr Regierungsoberinspektor" ansprechen. Kein Schreiben durfte das Haus verlassen, ehe er es persönlich auf stilistische Mängel geprüft hatte. Überlebende seiner Amtszeit bezeichneten sich später scherzhaft als die "Ottonianer".

Deuerlings Nachfolger, Karl Spraul, hat sich durch seine Begeisterung für den Fuhrpark ins Gedächtnis der Ehemaligen eingeprägt. Noch heute erzählt man sich, wie er mit ausgebreiteten Armen Fahrzeuge dirigierte und dabei manchen Fahrer in die Irre lotste, oder wie er bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf Fahrzeuge aufsprang, um mitzufahren. Sein "da fahr isch mit", wurde zum geflügelten Wort bei den Mitarbeitern. Unter Herbert Wachter ging es lockerer zu und doch haftete der Arbeit auch zu dieser Zeit ein Papiertigertum an, das Ingo Hafenecker heute mit dem Kopf schütteln lässt. "Formulierungen wie "Es wird gebeten, ändern zu wollen" oder "es wird gebeten, streichen zu wollen" wird der einstige Sachbearbeiter, dessen Vater schon bei der StOV war, nie vergessen. "Wenn man sich vorstellt, was wir da für einen Blödsinn gemacht haben", sagt der heute 80-jährige Sohn, der als "Unruheständler" den Bürgerverein und das Heimatmuseum leitet. "40 Jahre habe ich Dienst geleistet, seit 20 Jahren arbeite ich."

Eine Art Staffellauf

Im November 1969 trug sich der frischgebackene Verteidigungsminister und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt ins Gästebuch der StOV Ebern ein: sein erster Truppenbesuch. Ingo Hafenecker erinnert sich, dass Schmidts Hubschrauber in Vollmannsdorf bei Burgebrach landete und dass die Zuständigkeit für seine Sicherheit auf dem Weg nach Ebern x-fach wechselte: von der Landpolizei Bamberg zur Stadtpolizei, zurück zur Landpolizei Bamberg und schließlich zur Eberner Polizei. Ein "Staffellauf mit hohem Politiker" schmunzelt der StOV-Veteran. Apropos Staffellauf: 1972 stellte die StOV Ebern für Monate einige Zvilbeschäftigte zur Vorbereitung der Olympischen Spiele in München ab.

Eine Herausforderung gab es nach dem 9. November 1989, als über Nacht eine Karawane von Trabis, die über Ungarn oder die Tschechoslowakei anreiste, zur Erstaufnahme in die Balthasar-Neumann-Kaserne dirigiert wurde. 213 DDR-Bürger, meist junge Familien, wurden untergebracht und verpflegt, ehe sie zu den Registrierstellen in Hammelburg und Coburg weitergeleitet wurden. Tagelange glich die Kaserne einem Übergangslager.

Wiedervereinigung bedeutet Ende

Die Wiedervereinigung läutete das Ende der Kaserne im einstigen Grenzland ein. 2004 wurde der Standort aufgegeben. Hans-Gerd Schulz, letzter Leiter der StOV, musste die Kaserne abschließen. Er setzte sich dafür ein, dass die StOV-Bediensteten andere Jobs fanden oder zumindest soziale Lösungen für sie gefunden wurden. Zu den letzten Aufgaben der StOV vor ihrer Auflösung am 31. März 2005 gehörten die "Stillstandswartung und Demöblierung", wie es im Amtsdeutsch heißt.

Bürgermeister Robert Herrmann sagte damals, die StOV-Bediensteten "haben unsere Stadt im besonderen Maße bereichert und befruchtet. Dass das aufhört, ist ein schwerer Verlust." In Politik, Vereinsleben und kulturell haben StOV-Mitarbeiter das gesellschaftliche Leben mitgeprägt. Auch dies wird am Montag, 1. April, zur Sprache kommen, wenn sich die Ehemaligen um 18 Uhr zum Stammtisch im Gasthaus "Stern" treffen, diesmal zum Jubiläumsstammtisch.