Landwirte erhalten Fördergelder der EU. Dass sie dafür gewisse Vorschriften einhalten müssen, sehen sie ein. Nun sehen sie sich aber nicht in der Lage, die neuesten Vorschriften überhaupt technisch einzuhalten.
Hans Rebelein hat eine seiner landwirtschaftlichen Flächen auf dem Bildschirm. Im Luftbild sind die Grenzen der Fläche so eingezeichnet, wie sie bewirtschaftet wird. Eine Linie auf dem Bildschirm zeigt die Grenze dieser Fläche. Setzt er den Curser innen an der Linie an oder außen, unterscheidet sich die angezeigte Flächengröße deutlich. "Da fehlt schon bei diesem kleinen Flurstück nicht viel und ich wäre über der Toleranzgrenze, nur von der Stärke der Linie her", sagt der Geschäftsführer des Bauernverbandes in Coburg. Warum ihn das ärgert? Es geht um Bürokratie, um Machbarkeit in der Praxis und es geht um Geld. Stichwort: Cross Compliance.
Vereinfacht steckt hinter diesem Begriff die Forderung, dass derjenige Landwirt, der von der EU Zahlungen bekommt, dafür auch gewisse Vorschriften einhalten muss. "Es geht ja um Steuergelder. Da sieht doch jeder ein, dass auch kontrolliert werden muss, ob alles seine Richtigkeit hat", sagt Hans Rebelein. Die neueste Vorschriftenlage geht für ihn aber weit über das hinaus, was in der Praxis umsetzbar ist. "Wenn auf dem Bildschirm schon die Abweichung durch die Breite des Striches fast zum Verstoß führen kann, wie soll ein Bauer dann mit einer sechs Meter breiten Maschine so auf den Zentimeter genau arbeiten?", fragt er.
Das Problem beginnt damit, dass eben nicht die echte, exakt bekannte Grundstücksfläche Grundlage für die Berechnung der Zahlungen ist, sondern die real bewirtschaftete Fläche. Die kann, vielleicht wegen einer Fahrspur als Zufahrt zu einem anderen Grundstück oder einem belassenen Grünstreifen, von der Gesamtfläche abweichen. Wie viel, das wurde vor Jahren einmal anhand von Luftaufnahmen ermittelt und wird seither im Antrag auf Förderung so angenommen. "Die Messung über die Luftaufnahmen ist vielleicht auf einen halben Meter genau, aber eben nicht auf 10 Zentimeter", sagt Hans Rebelein. Die damals ermittelte Fläche so genau einzuhalten, das wird aber jetzt von jedem Landwirt verlangt.
Wann ein Landwirt seinen Acker pflügt, sät oder erntet, das überwacht die EU durch regelmäßige Aufnahmen von Satelliten. Kommt es jetzt zu einer Kontrolle zur Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften, dann müssen die Kontrolleure die bewirtschaftete Fläche einmessen - vor Ort.
2020 wurde die Vorschrift geändert
Bis zum vergangenen Herbst hatte davor kein Landwirt Angst. "Es galt eine Toleranz, die auf das 1,25m-fache des Umfanges festgelegt war", erklärt Hans Rebelein. Bei einem Acker von einem Hektar Größe also 400 Meter mal 1,25 Meter gleich 500 Quadratmeter. Je größer der Acker, desto größer die Toleranz. Eigentlich logisch, fand Hans Rebelein. "Jetzt gilt aber praktisch Null-Toleranz. Egal wie groß das Flurstück ist, es darf keine Abweichung größer als 100 Quadratmeter auftreten", erklärt er das Problem.
Ein Problem, das regional sehr unterschiedliche Wirkung zeigt. Wo sehr große Flächen bewirtschaftet werden, etwa in Norddeutschland, sind die 100 Quadratmeter schnell erheblich überschritten. Es kommt zu Kürzungen (rückwirkend bis 2015) und zu ständigen Kontrollen, ob denn die gerügten Mängel abgestellt sind. Bei uns liegt das Problem für den BBV-Geschäftsführer anders. "Bei unseren kleinteiligen Flächen gibt es auch relativ schnell einen Verstoß - aber die Bagatellgrenze von 250 Euro für Rückzahlungen wird kaum erreicht."
In der Praxis meldet nun der Landwirt seine bewirtschaftete Fläche in seinem Antrag auf Förderung. Das Amt meldet ebenfalls eine Fläche. Wird eine Abweichung festgestellt, gibt es eine Kontrolle (bei der dann auch die Einhaltung aller anderen Vorschriften auf dem Betrieb geprüft wird).
Viel Bürokratie für nichts
Kommt bei der Überprüfung eine Abweichung um mehr als 100 Quadratmeter heraus, liegt ein Verstoß vor. Er wird aber nicht geahndet, weil er unter der Bagatellgrenze liegt. "Dafür war dann ein Prüfteam vom Amt in Kitzingen, das für uns zuständig ist, einen Tag lang im Einsatz, der Bauer auch. Unter dem Strich für nichts. Das sind auch Steuergelder, die dafür ausgegeben werden", ärgert sich Hans Rebelein. Der BBV fordert daher, dass wieder eine Toleranz eingeführt wird, die in der Praxis auch eingehalten werden kann. "Wir haben uns deswegen auch an unseren Landtagsabgeordneten Martin Mittag von der CSU gewandt. Er war bei einer Kontrolle auf einem Hof dabei und will sich jetzt für unser Anliegen einsetzen", sagt Hans Rebelein.
Die Idee, auf Nummer sicher zu gehen, und einfach ein bisschen weniger Fläche zu melden, als real bewirtschaftet wird, ist übrigens keine gute. "Wer zu viel meldet, begeht Subventionsbetrug. Wer zu wenig meldet, macht falsche Angaben. Beides zieht Sanktionen nach sich. Das gilt nicht nur für den Bereich der Flächenangabe. Betroffen sind dann alle Bereiche, die von Cross Compliance tangiert werden von der Basisprämie, über Greening bis zur Umverteilungsprämie, der Prämie für Junglandwirte, Rückerstattungen zu Vorjahren, Ausgleichszahlungen in benachteiligten Gebieten, Kulturlandschafts-, Klimaschutz- oder Tierschutzprogramme - überall drohen Strafzahlungen.
Was Hans Rebelein zu denken gibt, ist ein anderer Umstand. "Ich habe keinen Landwirt gefunden, der bereit wäre, öffentlich darüber zu reden, wie es ihm bei einer Kontrolle ergangen ist." Sie hätten wohl Angst, dann noch viel häufiger kontrolliert zu werden. Dabei, so Hans Rebelein, wüssten alle, dass auch die Prüfer ihre Zweifel an der Richtigkeit dieser Vorgaben hätten.