Sir John und der Geist aus der Flasche

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Jan Deicke alias Sir John
Jan Deicke alias Sir John
Werner Reißaus

Es war wieder einmal ein amüsanter und kurzweiliger Abend, den Rüdiger Baumann in seinem Theater bot. Mit Sir John McBarley gastierte ein liebenswerter und zugleich kauziger Schotte in Ziegelhütten, d...

Es war wieder einmal ein amüsanter und kurzweiliger Abend, den Rüdiger Baumann in seinem Theater bot. Mit Sir John McBarley gastierte ein liebenswerter und zugleich kauziger Schotte in Ziegelhütten, der aber in Wirklichkeit gar keiner war.

Das bekamen die Gäste aber erst am Schluss erklärt, denn Jan Deicke war zugleich auch Bühnentechniker und Bruder von Sir John in einem. Deicke, in der Region mit seinem Geschichtenzauber aus dem Dresdner "Mondschaafs Lauschpalast" bekannt, ist seit nunmehr 20 Jahren als freischaffender Künstler unterwegs.

Sehr schnell wurde klar, dass der vermeintliche Schotte mit einem sauberen englischen Akzent nicht nur ein Liebhaber von hochprozentigem Whisky, sondern auch ein Verehrer würziger Geschichten seiner Flaschengeister ist, die er für sein Publikum destilliert hatte. Deicke glänzte als witziger und charmanter Märchenerzähler mit einer geradezu liebenswerten Verschmitztheit.

Aus den Flaschen berichtete Sir John von den Geschichten mit einer derartigen Lebendigkeit, als würde ihm jemand diese Erlebnisse geradewegs ins Ohr flüstern.

Der Gast ist König

Bei Sir John ist der Gast König - und so trifft nicht er, sondern das Publikum die Auswahl. Gut 30 etikettierte Flaschen standen in einem Regal fein sauber aufgereiht, und in jede hatte Sir John eine andere Story sorgsam destilliert. Das Publikum wählte aus, Sir John entkorkte die Flasche, inhalierte ihren Geist und exhalierte mit heißem Atem die Story.

Es waren pfiffige Geschichten dabei wie etwa von einem "Goldenen Haus" oder von schottischen und englischen Mönchen. Sir John ließ die Besucher wissen, dass "Märchenerzähler" eigentlich ein sehr klischeehafter Begriff ist. Dabei sei das freie und quicklebendige Erzählen von Märchen und Geschichten, also das mündliche Vortragen ohne Buch, eine uralte, durchaus anspruchsvolle Kunst.

Sir John griff auch gekonnt in die Saiten seiner Gitarre und unterhielt seine Gäste mit schottischen Liedern, oder er lud zu einem Ratespiel ein, bei dem auch die Besucher gefordert waren. Und mit einem Lied verabschiedete er sich dann von seinem Publikum, einem Schlusslied, wie es der vermeintliche Schotte nannte. Und natürlich ließ Sir John den traditionellen schottischen Folksong "My Bonnie is over the ocean" ertönen. Ein Ohrwurm, der sich längst zu einem Evergreen entwickelt hat. Rei.