Fluchtbewegung Der tansanische Bischof Severine Niwemugizi äußert sich während seines Aufenthalts im Steigerwald zu Problemen seines Heimat-Kontinents. Er fordert unter anderem mehr schulische und berufliche Bildung sowie eine Verbesserung der Infrastruktur.
Landkreis Bamberg — Damit Afrika sich endlich wirtschaftlich entwickelt, sind keine weiteren Waffen nötig, sondern sinnvolle Hilfe und eine wirksame Kontrolle der Verwendung von Fördergeldern. Diese Forderung äußert der katholische Bischof Severine Niwemugizi (59) aus Tansania, der seit 25 Jahren in der Urlaubszeit die Seelsorger von Frensdorf und Umgebung vertritt. Während seiner jeweils zwei- bis dreiwöchigen Aufenthalte knüpft und erhält der Hirte der Diözese Rulenge/Ngara Kontakte mit Gläubigen und Institutionen, die seine Missionsarbeit unterstützen. Zu seinen Vorzeigeprojekten gehört eine Mittelschule in Biharamulo, in der ausschließlich Mädchen in der Sekundarstufe unterrichtet werden, und zwar nur in englischer Sprache. "Afrika braucht mehr gebildete Frauen!" In dieser Überzeugung stimmt Bischof Severine etwa mit der Schwester des US-Präsidenten, Auma Obama, überein.
Mit Bischof Severine sprach unsere Zeitung.
Lange galt Afrika als "der schlafende Kontinent". Jetzt sind die Afrikaner scheinbar aufgewacht und finden ihre Heimat zum Davonlaufen. Viele geben ihr letztes Geld den Schleusern und riskieren ihr Leben, um einer vagen Zukunft in Europa willen. Was hat diese Flüchtlingswelle in Gang gebracht?Bischof Severine Niwemugizi: Neben den militärischen Konflikten wurde die wachsende Armut zum größten Problem. In vielen Ländern Afrikas wurden die Lebensbedingungen immer schlechter. Eine große Rolle spielt dabei der "Unfair Trade". Europa möchte stets viele hochwertige Güter nach Afrika exportieren, es importiert jedoch in der Regel nur Rohstoffe oder landwirtschaftliche Erzeugnisse. So werden zum Beispiel Edelhölzer aus Afrika eingeführt, jedoch nur als Stammware.
Wenn man Afrika helfen möchte, müsste man dort Schneidmühlen und Verarbeitungswerke errichten. Dann hätten wir Afrikaner Arbeit und Lohn und es käme mehr Geld ins Land, der Wirtschaftskreislauf würde anspringen. Das tut er aber in großen Teilen unseres Kontinents nicht. Nachdem die Bildung in einer Reihe von Ländern verbessert worden ist, entstand das Problem, dass selbst Ärzte oder andere Akademiker nicht beschäftigt werden können. Es ist insgesamt zu wenig Geld im Umlauf.
Man hat den Eindruck, dass so mancher afrikanische Staatenführer seiner Aufgabe nicht gewachsen ist.Das ist leider so. Häufig funktionieren demokratische Grundprinzipien nicht, weil sich die Regierenden nicht daran halten und vorrangig ihre eigenen Interessen befriedigen. In solchen Fällen sollte die Staatengemeinschaft Druck auf die Regierenden in Afrika üben.
Die Geberländer sollten genau hinschauen, wie sich die Regierungschefs und ihre Administration verhalten.
Wie ist die Situation in Ihrem Heimatland Tansania? Welche Veränderungen zum Positiven oder Negativen beobachten Sie? Und: Welche Entwicklung erwarten Sie? Tansania wählt im Oktober einen neuen Präsidenten. Unter der Amtszeit des amtierenden, eines Mohammedaners, gewannen die Moslems mehr Einfluss. Unter anderem entstand ein lähmender politischer Streit über die Forderung der Mohammedaner, die Tierschlachtung ausschließlich nach den Regeln ihrer Religion durchzuführen. Sie wollen das Monopol auf den Schlachtbetrieb. Nicht alle im Land wollen aber, dass Tieren bei vollem Bewusstsein die Kehle durchgeschnitten wird.
Wir hoffen, dass der neue Präsident wieder die wichtigen Aufgaben angeht.
Der Dialog zwischen den Religionen in unserem Land ist schwieriger geworden, weil die Mohammedaner behaupten, die seien in ihren Rechten beschnitten worden. Nun fordern sie ihre Rechte mit aller Gewalt ein. Nur in den Bereichen Bildung und Krankenversorgung entwickeln Repräsentanten der christlichen Kirchen und des Islam noch gemeinsame Strategien.
Uns kommt dabei die Unterstützung durch die Christen in Deutschland sehr zugute, beispielsweise die Aktion "Bweni" des Pfarreienverbands Frensdorf/Ebrachgrund. Sie dient der Förderung der Mittelschule St. Clare in Biharamulo, die von Mädchen ohne Rücksicht auf Religionszugehörigkeit besucht werden kann. Mit der Bildung der jungen Frauen steigen die Chancen der afrikanischen Familie. Auch dort, wo Schwesternstationen bestehen, wird ein guter Dienst an den Menschen geleistet. Die tansanische Regierung weiß, dass ohne die Hilfe der christlichen Kirchen die Situation im Land viel schwieriger wäre.
Unter den Flüchtlingen scheinen die jungen Männer deutlich zu überwiegen. Was hat das zu bedeuten? Und welche Folgen sehen Sie für Europa?
Die Menschen in Afrika hören, dass man in Europa lebt wie im Himmel. Dass es auch in Europa Arme gibt, das weiß oder glaubt der Afrikaner nicht. Er erfährt auch, dass die Europäer immer weniger an Gott glauben, weil sie um nichts mehr zu beten bräuchten. Sie hätten ja alles. Das bedeutet: Es fliehen nicht nur gebildete und Arbeit suchende Menschen. Und aus meiner Erfahrung gebe ich zu bedenken: Mohammedaner sind nur zurückhaltend und bescheiden, solange sie in deutlicher Minderheit sind. Danach verstehen sie es, sich zu behaupten. Die Islamisierung schreitet voran.
(Die Information, dass der vormalige Bundespräsident Wulff und Bundeskanzlerin Merkel behauptet haben, der Islam gehöre zu Deutschland, löst bei Bischof Severine ungläubiges Staunen aus, d. Red.)
Hätte Europa, allen voran das wohlhabende Deutschland, diese Abwanderung aus Afrika durch mehr Entwicklungshilfe in der Vergangenheit vermeiden können? Was raten Sie zu tun? Für die Bevölkerung vieler afrikanischer Länder wäre es hilfreich, wenn die afrikanischen Regierungen Rechenschaft über gewährte Entwicklungshilfe ablegen müssten. Es kommt zu wenig bei den Menschen an. Gut ist, dass Deutschland damit begonnen hat, staatliche Entwicklungshilfe zum Beispiel über Misereor zu steuern, um die häufig unseriösen staatlichen Stellen zu umgehen. Wir brauchen in Afrika keine weiteren Waffen.
Entwicklungshilfe muss in Straßen und Stromversorgung investiert werden, damit Waren überhaupt erzeugt und transportiert werden können. Dann können die Afrikaner selbst ihre Existenz sichern und müssen nicht ihr Heil auf anderen Kontinenten suchen. Ja, Almosen helfen, aber nur kurzfristig. Es gilt die alte Weisheit: Willst du einen Menschen sättigen, gib ihm einen Fisch. Aber gib ihm besser eine Angel! So wären Investitionen in die Berufsausbildung der jungen Afrikaner wirklich sinnvoll. Wenn wir mehr schulische und berufliche Bildung hätten und die Infrastruktur verbessert wäre, wäre mehr industrielle Produktion möglich. So entstünde mehr Wohlstand und Zufriedenheit. So könnte die Afrika-Flucht gestoppt werden, aber nicht kurzfristig.
Das Interview führte unser Mitarbeiter Werner Baier.