prozess Das Amtsgericht Haßfurt verdonnerte einen Sportwagen-Fahrer zu Geldstrafe. Am Ende klickten die Handschellen.
von unserem Mitarbeiter Manfred Wagner
Haßfurt/Knetzgau/Zeil — Zwei Autofahrer, die von der Bundesstraße 26 abgebogen waren und sich auf dem Zubringer zur A70 befanden, hörten plötzlich ein lautes und tiefes Röhren unmittelbar hinter sich. Ein 650 PS starker Gumpert Apollo, im Internet als Supersportwagen gepriesen, setzte zum Überholen an. Ob der Fahrer (47 Jahre) das Rennauto wirklich beherrschte, darf bezweifelt werden, denn das Geschoss krachte in die linke Leitplanke und von da zurück auf die Fahrbahn. Nur dank einer Vollbremsung des auf gleicher Höhe befindlichen Audi-Fahrers passierte nichts Schlimmeres. Das Amtsgericht in Haßfurt verurteilte den Apollo-Piloten nun wegen Verkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à zwölf Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der spektakuläre Unfall ereignete sich in den Abendstunden des 18. Januar dieses Jahres gegen dreiviertel sechs Uhr. Es war schon dunkel, an diesem Tag gab es immer wieder mal Nieselregen und die Fahrbahn war feucht. Der verursachte Schaden an der Leitplanke betrug rund 2600 Euro - Peanuts im Vergleich zu dem demolierten Sportwagen, dessen Neupreis bei 195 000 Euro liegt. Laut Hersteller beschleunigt das Auto in 3,1 Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer.
In dem Audi, der dank der Vollbremsung des 21-jährigen Fahrers unbeschädigt blieb, befand sich noch seine 20-jährige Freundin auf dem Beifahrersitz. Vor ihnen wiederum fuhr ein Mitsubishi-Kleinbus, den ein Familienvater (31) steuerte, die Ehefrau und das Kleinkind saßen ebenfalls im Wagen. Beide Fahrzeuge hatten - angepasst an die Verkehrsverhältnisse - etwa 80 bis 90 Stundenkilometer auf dem Tacho. Als der Mitsubishifahrer im Rückspiegel sah, wie der Rennwagen unkontrolliert über die Fahrbahn schleuderte, gab er geistesgegenwärtig Vollgas, um nicht von dem Gumpert Apollo gerammt zu werden.
Insofern war es nur den beiden anderen, äußerst aufmerksam fahrenden Verkehrsteilnehmern, die zudem goldrichtig reagierten, zu verdanken, dass es nicht zu größeren Personenschäden kam. Indes klagten die Insassen des Audis, dessen Fahrer voll bremsen musste, anschließend über Schmerzen im Hals-Wirbel-Bereich. Die Ärzte im Haßfurter Krankenhaus verpassten dem Fahrer eine Halskrause und schrieben ihn zwei Wochen krank.
Anfang Juni dieses Jahres schickte der Staatsanwalt dem Unfallverursacher einen Strafbefehl über 70 Tagessätze à 50 Euro, verbunden mit einer zehnmonatigen Führerscheinsperre. Dagegen legte der 47-Jährige Einspruch ein, weil er die Strafe als unverhältnismäßig hoch empfand. Ein solcher Schuss kann auch nach hinten losgehen, also zu einer höheren Strafe in einer Verhandlung führen. Obwohl Strafrichterin Ilona Conver und Ilker Özalp als Vertreter der Anklage dem Angeklagten nahe legten, den Einspruch zurückzunehmen, wollte der den Prozess durchziehen.
Bevor Özalp sein Plädoyer hielt, verlas die Vorsitzende Richterin den Auszug aus dem Bundes- und Verkehrszentralregister. Strafrechtlich ist der bis vor kurzem Selbstständige nur ein einziges Mal in Erscheinung getreten: Im Januar 2013 wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er trotz Fahrverbots hinter dem Steuer seines Wagens saß. Was die Verstöße gegen die Straßenverkehrsgesetze betrifft, ist der Mann wesentlich belastet; sage und schreibe sieben Mal hat man ihn in den letzten Jahren geblitzt, weil er zu schnell fuhr.
Seine persönlichen Verhältnisse beschrieb der Angeklagte so, dass er seit über einem halben Jahr von seinen Ersparnissen lebe. Da er "locker" über eine halbe Million Euro Schulden habe, sei ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden. Im Moment habe er keine Arbeitsstelle, mehrere Bewerbungen seien noch am Laufen, sagte er.
In seinem Plädoyer forderte Özalp 120 Tagessätze à zehn Euro sowie eine zwölfmonatige Führerscheinsperre. Das Gericht änderte diesen Antrag nur geringfügig. Härter als die Geldstrafe dürfte den Mann treffen, dass der Führerschein unverzüglich eingezogen wird und ein Jahr keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Die Amtsrichterin sprach von einer "chronischen Gleichgültigkeit" des Verurteilten in Bezug auf die Verkehrsvorschriften und bezeichnete ihn als "uneinsichtig und unbelehrbar".
Mehrere Tage hat der Mann nun Bedenkzeit, ob er gegen das Urteil Berufung oder Revision einlegen will.
Haftbefehl vollstreckt Als der Prozess vorbei war, gab es eine faustdicke Überraschung. Zwei Polizisten nahmen den Mann fest. Der Grund: Die Geldstrafe, die vor eineinhalb Jahren verhängt worden war, ist immer noch nicht vollständig bezahlt - deshalb hatte der Vertreter der Staatsanwaltschaft ersatzweise einen Vollstreckungshaftbefehl erwirkt, den die Uniformierten nun vollzogen.