baukultur Aus einem alten Wohn- wird ein modernes Gästehaus. Denkmalschützer freuen sich über die gelungene Sanierung eines Leerstands in Seßlach. Am kommenden Sonntag wird das Gebäude als "Filiale" des Pörtnerhofs eröffnet.
von unserer Mitarbeiterin Bettina Knauth
Seßlach — "In Seßlach hat sich eine Szene von Denkmalfans entwickelt. Diese engagierten Bürger sorgen dafür, dass diese Stadt Jahr für Jahr schöner wird." Das sagte Martin Brandl vom Landesamt für Denkmalpflege (BLFD) jüngst bei einem Besuch. Einer dieser "Denkmalfans", die Leerstand und Verfall in der historischen Altstadt bekämpfen, ist Ingo Rickhaus. Wer die alten Fotos in der Toreinfahrt des Restaurants "Pörtnerhof" mit dem heutigen Aussehen des Innenhofs samt Kulturscheune vergleicht, sieht sofort: Hier hat sich ein ehemals verfallendes Anwesen in ein Schmuckstück verwandelt.
2013 erwarben Ingo Rickhaus und seine Frau Gabriele in der Pfarrgasse ein weiteres, nicht mehr genutztes Anwesen und ließen es von Bauingenieur Martin Burgsmüller zum Gästehaus umbauen.
"Ich möchte Besitzern anderer historischer Häuser Mut machen und zeigen, wie aus etwas Altem mit neuzeitlicher Technik und Dämmung etwas individuell Neues entstehen kann", sagt Rickhaus. Für den Diplomingenieur stellt sich die Frage nicht, ob sich die Herausforderung einer denkmalgerechten Sanierung lohnt: "Das einmalige Altstadtensemble ist es allemal wert an die Anforderungen modernster Lebensqualität angepasst zu werden", ist der 74-Jährige überzeugt.
Neun Tonnen Bauschutt Allein neun Tonnen feuchter Erde und Beton wurden im Zuge der Bauarbeiten aus dem Keller entfernt. Dort ist nun der Anschluss für das Seßlacher Fernwärmeheizwerk untergebracht. Die Bauarbeiten sind nun fast abgeschlossen. Wie einzigartig die Sanierung gelungen ist, davon konnte sich Denkmalschützer Brandl zusammen mit Vertretern des Landratsamts überzeugen.
"Jeder Raum hat einen gewissen Pfiff, seinen eigenen Charakter", lobte Martin Brandl und fügte hinzu: "Das finden Sie nur bei einem Baudenkmal."
Den Bauherren zollte Brandl ebenso Respekt wie dem Bauleiter: Der Experte attestierte dem Ehepaar Rickhaus "Geschmack und Liebe zum Detail". Die Wünsche der Familie Rickhaus seien vom "denkmalaffinen Architekten" Burgsmüller im Einklang mit bestehenden Strukturen - "und nicht gegen die Substanz" - umgesetzt worden.
Zusammen mit erfahrenen lokalen Handwerkern meisterte der Bauingenieur selbst große Herausforderungen, wie die Sicherung und Neudeckung des verschobenen Dachstuhls und das Abstützen der südlichen Giebelwand, die auf einem unsicheren Träger stand. Burgsmüller ließ das Fachwerk ausbessern, die Außenwand innen dämmen, im Obergeschoss eine Wand- und im Erdgeschoss eine Fußbodenheizung verlegen sowie Fenster und Fußböden passend zum Altbau erneuern.
Außerdem konzipierte der 52-Jährige die Strom-, Wasser- und Abwasserführung komplett neu. Es musste ja für jedes der fünf Doppelzimmer ein eigenes Bad eingebaut werden - anstelle von früher einem Bad und Toilette.
Die geräumige Nasszelle für das "Brauhauszimmer" im Erdgeschoss etwa entstand in der früheren Küche. "Ich habe versucht, das ursprüngliche Flair des Gebäudes, die Raumwirkung, zu erhalten und daran die neue Nutzung behutsam anzupassen", erläutert Bauleiter Burgsmüller, der ein Zusatzstudium in Denkmalpflege absolviert hat.
Ein Blickfang an der Decke Das schönste Beispiel der geretteten Stuckdecken begutachten die Besucher im "Prachtzimmer": Als Blickfang ziert dort ein vergoldetes Jesus-Monogramm die Deckenmitte. Einbauten und historische Türen blieben (wie die Haustür) nach Aufarbeitung erhalten.
Wandflächen wurden ebenfalls lediglich überarbeitet, ebenso wie die historische Bohlentreppe im Hausflur und die Bodentreppe.
Burgsmüller hat sich ebenfalls intensiv mit der Geschichte des Fachwerkhauses beschäftigt: Es wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut und rund 200 Jahre lang von der Familie Fuchs bewohnt. Landwirt Josef Fuchs betrieb auch die Stadtschmiede am Ende der Pfarrgasse. Seine Enkelin Emma Ludwig war bis zu ihrem Tod 2008 die letzte Bewohnerin.
Mit dem Gästehaus in der Pfarrgasse verdoppelt der Pörtnerhof sein Übernachtungsangebot, dass beide Häuser zusammen gehören, dokumentiert die gemeinsame, auffallend rote Fassadenfarbe, die an neue Dachziegel erinnert und einen leuchtenden Kontrast zum grauen Fachwerk bildet. Pächter Stefan Sauerbrey freut sich über die neue "Filiale": "Seßlach erfreut sich zunehmender Beliebtheit und die Gäste erwarten etwas Besonderes. Diesen Wunsch erfüllen wir mit der Unterbringung in einmaligen Zimmern."