Als sich der Erste Weltkrieg dem Ende zuneigte, griff die von amerikanischen Soldaten eingeschleppte Spanische Grippe um sich. Aus Forchheim wurde gemeldet, dass sich die Epidemie in der Stadt rasch ausbreite.
Vor hundert Jahren fieberte Deutschland dem Kriegsende entgegen. Am 8. August 1918 hatten alliierte Panzerverbände bei Amiens die deutsche Front durchbrochen. Es war - wie Ludendorff es bezeichnete - ein "schwarzer Tag" für das deutsche Heer. Ganze Truppenteile ergaben sich, gingen in Gefangenschaft, und der militärische Zusammenhalt begann sich aufzulösen. Trotzdem ließ Ludendorff die Regierung bis zum September 1918 über die tatsächliche Lage an der Front im Dunklen. Erst als am 27. September der Feind auch die Siegfriedstellung durchbrach, informierte er zwei Tage später zusammen mit Hindenburg den Kaiser und die Reichsführung im Hauptquartier über das militärische Desaster. "Der Krieg sei nicht mehr zu gewinnen, vielmehr stehe die endgültige Niederlage wohl unvermeidbar bevor. ... Auf unsere Truppen sei kein Verlass mehr." Ludendorff bestand auf Einleitung sofortiger Waffenstillstandsverhandlungen, die aber von den Politikern geführt werden sollten, die im Reichstag die Friedensresolution beschlossen hatten. "Sie sollen die Suppe essen, die sie uns eingebrockt haben." Als die Reichstagsabgeordneten am 2. Oktober von Ludendorffs Forderung erfuhren, waren sie geschockt. Von heute auf morgen wurden sie aus der vermeintlichen Siegeseuphorie in den Alptraum einer militärischen Katastrophe gestürzt. In Forchheim wurde die Nachricht von Deutschlands plötzlicher Bitte um Waffenstillstand zwiespältig aufgenommen: "Die Stimmung der Bevölkerung anläßlich der letzten gewaltigen politischen Umwälzung gibt zur Zeit einer direkten Befürchtung keinen Anlaß", berichtete am 12. Oktober der Magistrat an die Regierung.
Weiter heißt es: "Allgemein wirkt die Hoffnung auf einen baldigen Frieden belebend auf die Leute, wenn man sich dessen auch wohl bewußt ist, daß Deutschland von dem vermeintlichen Hochstand der militärischen Erfolge jäh heruntergestürzt wurde. In verständigen Kreisen besteht großer Unwille darüber, daß das deutsche Volk die ganzen Jahre her als unmündig behandelt wurde, daß man ihm nie die außerordentlich schwere Lage voll zum Bewußtsein gebracht hat, daß man ihm vielmehr bei jedem Mißgeschick immer wieder vortrug, daß dies nur Nebensache sei, es stehe alles gut. Man meint, es sei viel zutunlicher und für das innere Zusammenhalten vorteilhafter gewesen, wenn man dem Volk den ganzen Ernst der Lage klar geoffenbart hätte."
Lange Zeit der Desinformation
Über den Unmut über die lange Desinformation und die Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende war in den lokalen Tageszeitungen nichts zu lesen, wohl aber in der sozialdemokratischen Presse. Am 26. Oktober 1918 berichtete das Bezirksamt Höchstadt an die Regierung nach Bayreuth, dass sich in "der Arbeiterbevölkerung des hiesigen Amtsbezirkes (...) in der letzten Zeit mehr und mehr ein unruhigerer und unzufriedener Geist geltend" mache. Schuld daran seien "die Verhetzungen durch die Presse.
An der Spitze stand die in Nürnberg erscheinende "Fränkische Tagespost". In einem Bericht verwies der Höchstadter Bezirksamtsvorstand auf einen Artikel mit der Überschrift "Das Friedenshindernis", der in der Ausgabe vom 19. Oktober 1918 erschienen war, und der dazu geführt habe, "dass diese Nummer in kurzer Zeit ausverkauft war". Autor dieses Artikels war Adolf Braun (1862 bis 1929), der Chefredakteur. Er war der Erste, der in einer deutschen Zeitung die Abdankung Kaiser Wilhelms II. als Voraussetzung für Friedensverhandlungen forderte. Er argumentierte: "Der Kaiser hat stets die größten patriotischen Opfer von seinen Untertanen verlangt. Nun, wo diese Untertanen zu Staatsbürgern werden, soll er selbst zurücktreten und so ein glänzendes Beispiel für das Verständnis der Zeit wie auch dem Deutschen Reiche und Volke bessere Bedingungen des Friedens dadurch ermöglichen."
Öffentlichkeit unvorbereitet
Nach dem Historiker Helmut Schwarz hat Adolf Braun die Abdankung Kaiser Wilhelms in die "psychologisch noch völlig unvorbereitete deutsche Öffentlichkeit" gebracht: "Vorher sprach kein Mensch vom Rücktritt des Kaisers, geschweige denn von der Beseitigung der Monarchie." Die Auflage der Fränkischen Tagespost verdreifachte in dieser Phase ihre Auflage auf über 30 000.
Die kommunalen Verwaltungen sahen in den sozialdemokratischen Zeitungen "eine ungemein gefährliche Vergiftung der Volksstimmung, weil sie ihren Weg durch Arbeiterfamilien, durch Truppenteile und Lazarette nahmen und durch behördliche Aufklärung nicht mehr gut zu machen waren". Der Bayreuther Regierungspräsident Otto von Strößenreuther selbst befürchtete, "daß alles, was dem Deutschen bisher heilig war, in den Schmutz gezogen und die Notwendigkeit der Republik (...) mundgerecht gemacht" werde. Auch auf dem flachen Land fordere die Bevölkerung "jetzt sofort Frieden um jeden Preis" und sehe in der "Abdankung des Kaisers und des Kronprinzen" eine unabwendbare Voraussetzung für die Beendigung des Krieges.
Militärisches Desaster
Neben dem militärischen Desaster sorgte die um sich greifende Spanische Grippe für Besorgnis. Amerikanische Soldaten hatten die bis dahin in Europa unbekannte Epidemie eingeschleppt. Historiker gehen davon aus, dass im Juli 1918 eine "halbe Million deutscher Soldaten an der Spanischen Grippe" erkrankte und infolgedessen bis September 22 Divisionen komplett aufgelöst werden mussten. General Erich Friedrich Wilhelm Ludendorff ignorierte die Ausfälle mit der Bemerkung, er kenne keine Grippe, an der Front würde jeder Soldat gebraucht. Tatsächlich aber machten die Gefallenen, Verwundeten und Kranken Monat für Monat an die 200 000 Mann aus.