Für eine Volkshochschule
Eva Narr ihrerseits vertrat standhaft in Partei und Gewerkschaft "die uneingeschränkte Gleichberechtigung der Frau im Staats- und Berufsleben". Im Stadtrat beantragte sie die Gründung einer Volkshochschule, weil "die bisherigen Kulturvereine dem allgemeinen Bedürfnis in keiner Weise" genügten und die "Arbeiterschicht durch Ablehnung des Gewerkschaftsvertreters" in der "Kulturgemeinde" ignoriert worden sei.
Die 1949 aus dem Volksbildungsverein hervorgegangene Kulturgemeinde Forchheim bediene mit gelehrten Vorträgen das konservative Bildungsbürgertum und vernachlässige dabei breite Bevölkerungsschichten. Mit ihren öffentlichen Auftritten wuchs ihr Bekanntheitsgrad und trug ihr die Kandidatur für die Landtagswahl 1950 ein. Und tatsächlich errang sie eines der zwei Listenmandate der SPD in Oberfranken.
Sie war eine von sieben weiblichen Abgeordneten im bayerischen Landtag - bei insgesamt 204 Abgeordneten insofern ein sensationeller Erfolg, nicht nur für die Frauen, sondern auch für die SPD in Forchheim. Trotzdem fiel die Würdigung nur kurz aus. "Frau Narr ist seit Jahren bereits in der Sozialpolitik tätig", hieß es in einer knappen Pressenotiz, "und setzte sich besonders lebhaft auch für ein stärkeres Verantwortungsbewußtsein der Frauen für die öffentlichen Angelegenheiten ein."
Nach ihren eigenen Angaben sah Eva Narr den Schwerpunkt ihrer parlamentarischen Arbeit in der Sozialpolitik. Deswegen habe sie sich gezielt für den Petitions- und Beschwerdeausschuss entschieden, weil sie hier "den besten Einblick in die Not des Volkes erhalte und in besonderer Weise Kontakt mit notleidenden Menschen bekomme."
In zahlreichen Fällen habe sie schon "offenkundige Not" lindern können. In den sitzungsfreien Tagen bereiste sie ganz Oberfranken und halte hier in den größeren Orten Sprechstunden und Konferenzen ab. Wenn manchmal auch Abhilfe nicht möglich sei, so lindere "ein aufklärendes und mitfühlendes Wort" doch die größte Bitterkeit. Anerkennend heißt es dazu im Zeitungsbericht, man spüre schon bei der bloßen Schilderung ihrer Arbeit, wie vollständig sie darin aufgehe.
Nach ihrer Wahl in den Landtag zog sich Eva Narr zusehends aus ihrer Stadtratsarbeit zurück. In den Sitzungsprotokollen ist ihr Fehlen jeweils mit "entschuldigt" vermerkt. Mehrmals heißt es auch in den Presseberichten über Partei- und Arbeiterwohlfahrtsveranstaltungen, dass sie wegen Erkrankung fehlte oder ein Referat nicht halten konnte.
Soziale Not
Mit ihrer ganzen Energie dagegen setzte sie sich für die Themen ein, die ihr am Herzen lagen: Gleichberechtigung der Frau und Behebung der sozialen Not. In Forchheim rief sie am 8. März 1953 anlässlich des Internationalen Frauentags ins Gedächtnis, was 1910 die Frauen bewegt hatte, über alle Grenzen hinweg gemeinsam für die Gleichstellung der Frau zu kämpfen. Sie kritisierte aktuell die schleppende Behandlung des vom Grundgesetz geforderten Gesetzes zur Gleichberechtigung von Mann und Frau im Bundestag. Und sie machte deutlich, dass sie ihre Aufgabe als Volksvertreterin nicht darin sehe, im Landtag "mehr oder wenig gehaltvolle Reden zu halten, als vielmehr den Mitmenschen zu helfen".Kein Wunder, dass sich ihre "Kundschaft" zahlen- wie gebietsmäßig sehr vergrößert habe und die Vorsprachen bei Behörden und Ministerien einen Großteil ihrer Zeit und ihrer Arbeitskraft in Anspruch nehmen würden.
Kritik aus eigener Partei
Mit dieser Aussage wandte sie sich offensichtlich gegen die Kritik, die innerhalb ihrer Partei gegen sie laut geworden war. 1952 hatte sie schon auf eine erneute Kandidatur für den Stadtrat verzichtet und nun, zwei Jahre später, bewarb sie sich auch nicht mehr für den Landtag - trotz guter Chancen auf eine Wiederwahl, wie mancher Parteigenosse meinte.
Austritt aus der SPD
1954 trat sie schließlich ganz aus der SPD aus, ohne jede öffentliche Erklärung und ohne großes Lamento. Als sie 21 Jahre später starb, würdigten weder die Stadt noch die SPD ihre politische Leistung. Nur das Rote Kreuz erinnerte sich an sie und trauerte um "eine gute und hilfsbereite Kameradin, die über 40 Jahre vorbildlich dem Roten Kreuz diente".
Es dauerte 16 Jahre, bis wieder Frauen aus Forchheim und dem Umland Mandate im bayerischen Landtag wahrnehmen konnten: von 1970 bis 1982 Gudila Freifrau von Pölnitz (CSU) und von 1982 bis 1990 Irmgard Edle von Traitteur (CSU).