Christiane Benner ist die neue zweite Vorsitzende der IG Metall. Im Gespräch mit der BR forderte sie, dass der "Wanderzirkus der Leiharbeitsbeschäftigten" ein Ende haben müsse.
Gegen den Missbrauch von Werkverträgen und für mehr Transparenz macht sich die neue zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, stark. Am Rande der Delegiertenversammlung in Himmelkron berichtete sie vom Engagement der Gewerkschaft in Sachen Flüchtlinge und erläuterte, warum die IG Metall beim Klimagipfel in Paris war.
Vor dem Hintergrund der Tarifrunde 2016 fordern die Arbeitgeber mehr Flexibilität, um eine höhere Produktivität zu erreichen. So soll zum Beispiel die Zeitarbeit weiter ausgebaut werden. Was halten Sie dagegen?Christiane Benner: Wir stellen fest, dass unsere Belegschaften in den Unternehmen bereits jetzt etwa in unterschiedlichen Schichtsystemen hochflexibel arbeiten. Wir haben auch eine Initiative gegen den Missbrauch von Werkverträgen und für mehr Transparenz gestartet.
Es ist ja nicht so, dass wir die Flexibilisierungsinstrumente als solche komplett infrage stellen.
Was kritisieren sie dann?Dass typische Stammarbeitsplätze permanent von Leiharbeits- oder Werkvertragsbeschäftigten ausgefüllt werden. Wenn ein Arbeitsplatz über acht Jahre mit unterschiedlichen Leiharbeitsbeschäftigten besetzt wird, dann kann mir keiner erzählen, dass das eine vorübergehende Auftragsspitze ist. Und das ist der Punkt, wo wir sagen, dieser Wanderzirkus an Leiharbeitsbeschäftigung muss ein Ende haben.
Das Schreckgespenst, das die Arbeitgeber an die Wand malen, heißt Internationalisierung. Investitionen im Inland würden geringer, im Ausland nähmen sie dagegen zu. Aber ist es nicht wirklich so, dass sich die Verlagerung von Wertschöpfung ins Ausland kontinuierlich fortsetzt?Nein.
Es gibt zwar einen Aufbau an Arbeitsplätzen im Ausland, es gibt aber gleichzeitig auch einen Aufbau an Arbeitsplätzen im Inland. Die Unternehmen sind einfach globalisiert, was logischerweise mit Marktzugängen zu tun hat. Die wollen eben da sein, wo die Post abgeht, nah am Kunden, und dagegen ist auch gar nichts zu sagen. Wir unterstützen sogar Internationalisierungsstrategien, denn wir können nicht erkennen, dass das zum Nachteil der hiesigen Beschäftigten ist.
Die IG Metall hat heuer in der Tarifrunde für die bayerische Metall- und Elektroindustrie erste Schritte in Richtung einer geförderten Bildungsteilzeit durchsetzen können. Was hat speziell die Bildungsgeschichte gebracht? Sie hat gebracht, dass wir in den Unternehmen eine sehr gute Ausgangsbasis haben, um für die Umbrüche etwa durch die Digitalisierung der Arbeitswelt gewappnet zu sein.
Aber wir müssen diese Regelung nun auch umsetzen. So entwickeln wir gerade neue Berufsbilder und neue Weiterbildungsmodule, um auf diese ganzen technischen Veränderungen reagieren zu können. Mit dem Tarifvertrag haben wir eine sehr gute Grundlage dafür geschaffen.
Der Umgang mit Flüchtlingen wird zum Prüfstein für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und für unsere Demokratie. Wie bringt sich die Gewerkschaft ein?Konkret haben wir ganz viele engagierte Betriebsräte vor Ort, die mit ihren Arbeitgebern zusammen leer stehende Räumlichkeiten nutzbar machen, die Sprach- und Vorbereitungskurse für eine Ausbildung anbieten.
Aber gibt es auch Probleme? Problematisch ist, wenn die Flüchtlingsfrage dazu genutzt wird, um den Mindestlohn zu hinterfragen. Also wenn gefordert wird, diese Menschen anders zu bezahlen.
Da sagen wir, eine derartige Spaltung ist nicht in Ordnung. Wenn jemand die gleiche Arbeit macht, warum sollte er dann schlechter bezahlt werden. Wir sagen: Nur eine Integration auf dem Arbeitsmarkt macht auch soziale Integration möglich. Es ist ja das A und O, dass diese Menschen auch irgendwann einmal eine ökonomische Grundlage haben.
Die IG Metall ist auch beim Klimagipfel in Paris. Warum ist das Klima für die Gewerkschaft ein Thema?Wir begreifen uns nicht als Umweltbewegung. Für uns gehören aber zu guter Arbeit und gutem Leben auch gesunde Produkte, die ja von unseren Leuten hergestellt werden. So setzen wir uns ja auch für Arbeits- und Gesundheitsschutz ein. Wir wollen, dass die Menschen durch geringe Umweltbelastung ein gutes Leben haben. Außerdem haben wir uns ja auch bei der Energiewende massiv engagiert.
Geht es da auch um Arbeitsplätze?Natürlich, das alles sind Themen, die ganz direkt mit Arbeitsplätzen zu tun haben. In der Industrie muss es aber eine vernünftige Balance geben zwischen Ökologie und Beschäftigung. Von daher hängen Gewerkschaftsarbeit und Engagement im Umweltbereich stark zusammen.
Sie sind beim Gewerkschaftstag 2015 als erste Frau in der 125-jährigen Geschichte der Industriegewerkschaft IG Metall in die Führungsspitze gewählt worden. Warum hat es so lange gedauert?Gute Frage! Ich mag diese Personenfokussierung auf mich nicht so sehr. Vielleicht war die Zeit einfach reif. Die IG Metall wird auf jeden Fall jünger und weiblicher.
Das Gespräch führte Stephan Herbert Fuchs