Im Heim der Flender'schen Stiftung zeigt sich, dass behinderte und nichtbehinderte Pflegebedürftige zusammen leben können.
Günther Denzler wird in seiner Eigenschaft als Bezirkstagspräsident schon viele größere, schöne und modernere Pflegeheime als das der Flender'schen Spitalstiftung gesehen haben. Aber in einer Sache, da setzen Diane Alka und ihr Team im Seßlacher Heim Maßstäbe: Sie sind, das bestätigte ihnen Denzler ausdrücklich, die einzige Einrichtung ihrer Art, in der Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam leben. "Seßlach ist die Speerspitze einer Entwicklung, mit der wir bislang noch nicht umzugehen wussten", sagte Denzler, nachdem er sich anderthalb Stunden im Heim umgesehen hatte.
Sechs Menschen mit Behinderung leben derzeit mit 41 nichtbehinderten Pflegebedürftigen im Heim der Flender'schen Spitalstiftung in der Seßlacher Innenstadt zusammen. Es könnten, ja sollten, noch mehr sein.
Nach umfangreichen Umbauten und mit staatlicher Förderung sind die baulichen Voraussetzungen für zwei Wohngruppen mit je fünf behinderten Pflegebedürftigen seit 2011 geschaffen. Doch schwierige gesetzliche Rahmenbedingungen sowie unterschiedliche Interessenslagen bei den Pflege- und Behinderte neinrichtungen ließen die Verwirklichung der Wohngruppen bislang scheitern.
Aber bald soll es losgehen, versicherte Heimleiterin Alka: "Wir wollen heuer mit der ersten Gruppe starten." An der Zeit dafür wäre es, bestärkte sie Denzler. Denn wer Inklusion ernst nehme, der müsse auch funktionierende Strukturen für pflegebedürftige Menschen mit Behinderung schaffen. Dass es diese noch nicht gibt, ist eine Art Spätfolge aus der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland - einer Zeit, in der Menschen mit Behinderung kaum eine Überlebenschance hatten.
Zudem gab es in den vergangenen Jahrzehnten eine klare Trennung zwischen Pflege- und Behindertenheimen. "Wir haben es zum ersten Mal in unserem System mit älteren, pflegebedürftigen Behinderten zu tun", erklärte Denzler. Die Gesellschaft werde lernen müssen, mit dieser Entwicklung umzugehen.
Dafür zahlt Seßlach gerne
Beim Besuch des Bezirkstagspräsidenten - der in Begleitung seiner Sozialverwaltung sowie der beiden Coburger Bezirkstagsmitglieder, Elke Protzmann (CSU) und Frank Rebhan (SPD), gekommen war - wurde deutlich: Die Arbeit der Flender'schen Spitalstiftung wird vom Bezirk Oberfranken interessiert verfolgt und erhält volle Rückendeckung.
Alkas tägliche Kämpfe mit Pflegestufen, dem hohen Pflegeaufwand bei Behinderten und den kleinen Schrulligkeiten des verwinkelten Seßlacher Pflegeheimes nötigten Denzler großen Respekt ab: "Wer vornedran ist, der muss auch Lehrgeld bezahlen." Hoffentlich nicht aber auch noch Bargeld, denn Diane Alka berichtete, dass die Zeit für die Behinderten-Wohngruppe drängt. Wird diese nicht bald gegründet, könnte der Freistaat Bayern seine Zuschüsse für den 2011er Umbau wieder zurückfordern.
Dabei bietet sich Seßlach aus mehreren Gründen als Pilotprojekt für Inklusion an. Mit der Wefa-Behindertenwerkstatt stehen Stadt und die Flender'sche Spitalstiftung in einem außerordentlich engen Kontakt, zudem sind das Heim und seine Bewohner nicht nur baulich voll in die Stadt integriert. "Gelebte Inklusion" sei dies, sagte Bürgermeister Martin Mittag (CSU). Die Inklusion sei der Stadt auch einiges an Geld wert.
Bis weit nach 2020 läuft der Vertrag mit der Flender'schen Spitalstiftung, in dem sich Seßlach dazu verpflichtet hat, das Defizit des Pflegeheimes zu decken.
Auf Frank Rebhans Frage nach ihrem drängendsten Problem im Alltag musste die Heimleiterin für ihre Antwort nicht lange überlegen: "Wir haben zu wenig Pflegefachkräfte." Gerne würde sie noch zwei ausgebildete Mitarbeiter einstellen - erst recht, wenn weitere Behinderte in die Wohngruppe einziehen sollen. Doch der Arbeitsmarkt in der Region gebe derzeit einfach nichts her.