Im Tunnel gelten andere Regeln

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Ein spezieller Wagen, der auf die Schienen passt erleichtert die Rettung. Fotos: Rainer Lutz
Ein spezieller Wagen, der auf die Schienen passt erleichtert die Rettung. Fotos: Rainer Lutz
Erstversorgung noch im Rettungstunnel durch Kräfte des ASB.
Erstversorgung noch im Rettungstunnel durch Kräfte des ASB.
 
Dem Licht entgegen.
Dem Licht entgegen.
 
Auf dem Platz vor dem Tunnel muss Ordnung herrschen.
Auf dem Platz vor dem Tunnel muss Ordnung herrschen.
 

Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei nutzten eine ohnehin nötige Sperrung der ICE-Strecke, um sich einmal mehr auf einen Ernstfall vorzubereiten, den keiner von ihnen jemals erleben möchte.

Es ist eines der schlimmsten Szenarien, auf die sich Rettungskräfte vorbereiten müssen. Ein voll besetzter Personenzug verunglückt. Es gibt Hunderte Verletzte und Tote. Schlimmer kann es nur noch werden, wenn das in einem Tunnel geschieht. "Das ist eine psychische Belastung, auf die wir die Einsatzkräfte kaum genug vorbereiten können", weiß Kreisbrandrat Manfred Lorenz. Am Wochenende taten sie genau das.

"Die Bahnstrecke ist wegen Arbeiten zwischen Grub am Forst und Erfurt gesperrt", erklärt Kreisbrandinspektor Stefan Zapf. Eine Gelegenheit, vor Ort mit den Tunnelbasiseinheiten zu üben, die sich die Feuerwehren im Landkreis nicht entgehen lassen konnten. Daher rollten zahlreiche Fahrzeuge zum Tunnel Rennberg und zum Tunnel Reitersberg, der mit rund drei Kilometern Länge der längste im Coburger Land ist.

Kracht es in dieser Betonröhre, dann läuft ein wohl überlegtes und immer wieder aktualisiertes Programm ab. Kräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und der für die Bahnlinien zuständigen Bundespolizei rücken aus.

"Die ersten am Einsatzort sind die Ortswehren", sagt Stefan Zapf. Am Reitersberg Rettungsausgang 1 sind es die Wehren aus Ober- und Unterwohlsbach. Sie bereiten den Einsatz der anrückenden Basiseinheiten mit je rund 25 Mann vor, öffnen Zugänge und gewinnen ein erstes Bild der Lage. Kommen Menschen aus dem Tunnel, gibt es Rauch? Solche Informationen erreichen die Einsatzleiter schon per Funk, ehe sie den Einsatzort erreichen. "Die erste Aufgabe heißt: Wo ist der Zug", erklärt Stefan Zapf. Drei Kilometer Tunnel. Die Kräfte brauchen den kürzesten Weg zu den Verunglückten. "Für alle Tunnel gilt: Es gibt jeden Kilometer ein Loch", sagt Stefan Zapf. Neben den Tunnelein- und ausfahrportalen sind das Rettungswege. Am Reitersberg gibt es einen, der 300 Meter lang und befahrbar ist, bei Oberwohlsbach und einen weiteren, der nur zu Fuß genutzt werden kann, vom Fornbachgrund aus. Mit Blick auf die anderen Tunnel der Region bis zum thüringischen Rennsteigtunnel sagt der Kreisbrandinspektor, "wir haben alles, von befahrbar, bis 30 Meter senkrecht begehbar oder drei Kilometer befahrbarer Tunnel parallel zur Hauptröhre."

Besondere Ausrüstung

Am Reitersberg Rettungsausgang 1 geht es 300 Meter abwärts. Vor der schweren Tür in den ICE-Tunnel machen sich Feuerwehrleute mit schwerem Atemschutz bereit. Wegen der langen Einsatzzeit ist die spezielle Ausrüstung noch schwerer als sonst. Wenn die blauen Eisenflügel des Zuganges aufschwingen, erwartet sie im Ernstfall ein Szenario, das sich Kreisbrandrat Manfred Lorenz nur ungern vorstellt. "Die Röhre ist voller Rauch, kaum ein paar Meter Sicht, Hitze, Schreie von Verletzten. Das Schwierigste wird sein, sich in diesem Augenblick nicht um diese Menschen zu kümmern. Jeder will doch helfen", sagt er. Doch bei einem brennenden Zug im Tunnel gelten andere Regeln. "Anders als bei jeder anderen Lage geht hier Löschen vor Rettung. So hart es klingt", sagt Stefan Zapf. Er weiß, wenn das Feuer nicht so schnell wie möglich bekämpft wird, wird es nichts mehr zu retten geben.

Hilfe zur Orientierung

Über der Stahltür weisen zwei Schilder nach links und rechts. Nürnberg und Erfurt steht darauf. "Wenn du womöglich eine Wendeltreppe runter gerannt bist und auf die Röhre triffst, brauchst du diese Orientierung", weiß der erfahrene Feuerwehrmann. Hinter der Tür verhindert ein Seil das Abbiegen nach links in Richtung Nürnberg. "Eine Erfahrungssache", sagt Stefan Zapf. So laufen Helfer und Einsatzkräfte nicht am Rettungsausgang vorbei. "Bei einem Zugunglück in der Schweiz stand der Zug neben einem Rettungsausgang, aber die Leute sind daran vorbei bis zum Tunnelende gerannt", erklärt Stefan Zapf. Das kann Leben kosten.

Die Feuerwehrleute schaffen fahrbare Rettungstragen und einen kleinen Wagen aus Stahl in den Tunnel, der Wagen passt auf die Schienen. Mit den Tragen darauf beginnt die Suche nach Verletzten. Die werden von der Jugendfeuerwehr gestellt. Die Rettungskette nimmt mit dem Auffinden des ersten Verletzten ihren Anfang. Erstversorgung, auf der Trage fixieren, und ab Richtung Rettungsausgang! Die Kameraden sind schon unterwegs zur Rettung des nächsten Verletzten.

Gleich hinter der Tür im Rettungstunnel übernehmen die Helfer vom ASB. Infusionen werden gelegt, Wunden versorgt, und ein Verletzter nach dem anderen im Krankenwagen aus dem Tunnel gefahren. Alles läuft routiniert. "Trotzdem können wir nicht oft genug üben, denn im Ernstfall ist alles anders", sagt Manfred Lorenz auf dem Rückweg aus dem Tunnel, ehe er bei einem Feuerwehrposten unterschreibt, dass er den Tunnel verlassen hat. "Es wird genau erfasst, wer reingeht und wer rauskommt. Wir müssen sicher sein, dass keiner vergessen wird", sagt der Kreisbrandrat.

Nicht nur den Tunnelblick haben

Auf dem Platz vor dem Rettungsausgang kommen ständig Fahrzeuge an und fahren wieder ab. "Wir müssen das gesamte Umfeld im Auge haben", sagt Manfred Lorenz. Ein Chaos, bei dem sich Rettungsfahrzeuge gegenseitig blockieren, darf nicht eintreten. Außerdem gilt es, nach Menschen zu suchen, die womöglich den Tunnel schon verlassen haben und in der Umgebung unterwegs sind.

Bei der Übung hat alles geklappt. Alle Einsatzkräfte sind sicher, dass sie - wieder einmal - dazu gelernt haben. Und alle sind sich einig: Diesen Ernstfall will keiner jemals erleben müssen.